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Warum in die Ferne schweifen?

Wir haben uns längst daran gewöhnt, mit Lebensmitteln aus aller Welt versorgt zu werden, wenn auch vielleicht nicht gerade mit dem afrikanischen Mieliepap. An exotische Zutaten zu kommen, ist in der heutigen Zeit kein Problem mehr. Aber es gibt auch den gegenteiligen Trend: Ausgelöst durch Skandale und Krisen, wie zum Beispiel BSE und Schweinepest, besinnt man sich zunehmend auf die eigenen Stärken, auf Lebensmittel aus der Region. Es geht hierbei nicht nur um mehr Sicherheit, sondern auch um mehr Genuss. Kein Supermarkt bietet zum Beispiel regionale Apfelsorten oder speziellen Hofkäse an. Welche Vermarktungswege lassen sich aktivieren, um die Produkte aus der Region vom Bauern zum Kunden zu bringen - und damit nicht zuletzt auch die heimische Wirtschaft zu stärken?

Von Susanne Kuhlmann |
    Mehr als 2500 Gerichte kochen Christoph Reingen und sein Team täglich im Betriebsrestaurant der WestLB in Düsseldorf. Kartoffeln und Kompott, Brötchen und Braten - knapp ein Fünftel aller Zutaten kauft Christoph Reingen bei Ökobauern aus der Region. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der WestLB schmeckt's, obwohl sie gut zehn Prozent mehr dafür zahlen müssen:

    Das Essen kommt bei denen sehr gut an. Es gibt immer Gerichte mit Fleischanteilen, es gibt Gerichte ohne Fleisch, vegetarisch, es gibt eine große Auswahl von Salaten, immer mit kleinen Komponenten und Beilagen, natürlich auch Dessertprodukte, die wir reichen. Frischobst ist dabei. Wer möchte, kann sich gesund in unserem Betriebsrestaurant ernähren.

    Lebensmittel aus der Region werden nicht tagelang transportiert, sondern landen schon kurz nach der Ernte auf dem Teller. Betriebsrestaurants und andere Großküchen sind aber nicht die einzige Möglichkeit, Produkte von Bauern aus der Gegend zu vermarkten, sagt Dr. Oscar Reutter. Er ist Forschungskoordinator im Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie:

    Wochenmärkte sind ein halber Schritt von der regionalen Produktion zum Kunden hin. Es ist eine gute Chance für regionale Händler und Bauern auf dem Wochenmarkt sich nicht nur auszuweisen mit dem Bild "Aus deutschen Landen", sondern aktiv die Region zu bewerben. Ich kenne solche Beispiele vom Wochenmarkt in Dortmund, wo bekannt ist, an dieser Stelle steht immer der Händler, der in der Region produziert und seine eigenen Produkte anbietet.

    Entweder kommen die Kunden zum Bauern - auf den Wochenmarkt oder in den Hofladen. Oder der Bauer fährt zu den Kunden - auch das ist keine neue Idee:

    Wir glauben, dass diese mobilen Verkaufswagen, die fliegenden Händler in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen werden, weil auf der einen Seite der stationäre Einzelhandel aufgrund der Konzentrationsprozesse zurückgeht. Auf der anderen Seite wird die Nachfrage sicherlich unter dem Vorzeichen einer alternden Gesellschaft, mehr Leute, die sich schwerer tun, zu Fuß zu gehen, zunehmen, die froh sind, wenn der Händler vor ihre Haustür gefahren kommt.
    Ein Service, der nicht automatisch teuer sein muss, meint Oscar Reutter:

    Speziell, wenn wir Lieferkonzepte anschauen, die den Einzelhandel und den Großhandel überspringen durch die Direktlieferungskonzepte vom Bauern zum Endverbraucher, wird dadurch eine bestimmte Dienstleistung eingespart, was sich in günstigen Vertriebsformen, günstigen Preisen letztlich realisiert.

    Erschwingliche Preise, bequemes und sinnliches Einkaufen ist das eine. Für die regionale Vermarktung sprechen aber auch verkehrstechnische Überlegungen, findet Professor Helmut Holzapfel von der Universität Kassel. Mehr als jeder vierte LKW transportiert Lebensmittel. Helmut Holzapfel stellt sich vor, dass Lieferanten sich abstimmen, um ihre Produkte zeit- und energiesparend auszuliefern. Dann wären weniger Lastwagen in der Stadt unterwegs, es gäbe weniger Lärm und weniger Abgase. Im italienischen Bologna fand er ein Vorbild für diese Idee; ein großes Warenzentrum außerhalb der Stadt:

    Wir können durch regionale Logistikkonzepte und durch Zentren, die versuchen, die Waren besser zu verteilen, eine Menge gewinnen für die Leute. Wenn wir statt vier Lastautos, die in einer Stadt Waren verteilen, von unterschiedlichen Quellen her ein großes Warencenter haben, von dem man aus im Rahmen eines Stadtlogistikzentrums die Waren verteilt, dann haben wir statt vier LKW nur einen.