Der Zirkumpolarstrom ist die mächtigste Meeresströmung der Welt. Es ist ein Ring aus kaltem Wasser, der die Antarktis umgibt und sie vom Rest der Welt isoliert, denn er reicht von der Oberfläche bis hinunter zum Ozeangrund in 4000 Metern Tiefe. Angetrieben wird die Zirkumpolarströmung allein durch die Westwinde, die das Wasser in endlosen Runden um die Antarktis jagen. Peter Barker vom British Antarctic Survey:
Es gibt eine konventionelle Sicht unter den Antarktisforschern, dass dieser Zirkumpolarstrom, dieser Ring aus kaltem Wasser, den Kontinent vom Rest der Welt isoliert und dass die Antarktis seinetwegen vor 34 Millionen Jahren vereist ist.
Aber es könnte genau umgekehrt gewesen sein, dass der Kontinent zuerst einfror und dass er es war, der durch eiskalte Winde das Meer um ihn herum gekühlt hat. So jedenfalls lassen sich neue Forschungsergebnisse deuten.
Beispielsweise beim Zirkumpolarstrom. Er trennt zwar das kalte Wasser im Süden wie eine Wand vom warmen Wasser im Norden. Aber er ist nicht die Hunderte von Kilometern breite Strömungszone, für die man ihn gehalten hat. Vielmehr läuft in ihm der Wassertransport über drei "Jetstreams", drei sehr schnelle, scharf begrenzte Strömungen, die insgesamt nur 60 Kilometer breit sind. Diese Jetstreams, oder genauer: diese ozeanischen Fronten, funktionieren anders als beispielsweise das Oberflächenphänomen Golfstrom.
Ozeanische Fronten definieren sich nicht - oder nur zu einem sehr geringen Teil - über die Wassertemperatur an der Oberfläche. Damit reißt aber die Beweiskette, die den Ursprung des Zirkumpolarstroms auf die Zeit vor 34 Millionen Jahren festlegt. Bislang galten Mikrofossilien, die kaltes Wasser kennzeichnen, als Beweis für seine Existenz. Aber es muss nicht so gewesen sein, dass diese kalte Strömung den Kontinent abkühlen ließ, es kann auch genau umgekehrt gewesen sein: Der vereiste Kontinent kühlte das Meerwasser.
Dass vor 34 Millionen Jahren das Oberflächenwasser kalt war, bedeutet danach nicht, dass damals der Zirkumpolarstrom schon existiert hat. Nach Peter Barkers Ansicht ist es umgekehrt ein Zeichen dafür, dass Gletscher die Antarktis erobert haben. Der Zirkumpolarstrom ist nach Meinung von Peter Barker erst viel später entstanden. Das haben, erklärt er, neue Bohrungen vor Südamerika belegt. Danach kann der kalte Wasserring vor 34 Millionen Jahren gar nicht existiert haben.
An Plätzen südlich vor Südamerika wie etwa vor Südgeorgia haben sich diese Tiefwasserrinnen erst sehr viel später geöffnet, vor etwa 20 Millionen Jahren. Damit ein Zirkumpolarstrom entsteht, braucht man aber eine durchgehende Tiefwasserrinne. Sie muss die Antarktis rundherum umgeben. Eine flache Schwelle reicht aus, um alles zu stoppen.
Die Idee vom Zirkumpolarstrom als Auslöser wird damit belegt, dass sich vor 34 Millionen Jahren, als die Antarktis vereiste, gleichzeitig vor Südaustralien eine Tiefseerinne geöffnet hat. Das galt bislang als "rauchender Colt" für den Zeitpunkt der Vereisung. Denn damit sollte der Tiefseering entstanden sein, der dem Wasser erlaubte, den Kontinent einzukreisen und ihn so isolieren. Nach Peter Barkers Ansicht handelt es sich dabei aber nur um eine zufällige Gleichzeitigkeit zweier unabhängiger Ereignisse. Aber warum ist dann die Antarktis vereist?
Computermodelle zur Vereisung der Antarktis legen nahe, dass eventuell das Kohlendioxid eine Rolle spielt. Sein Anteil an der Luft ist in den vergangenen 40 Millionen Jahren stetig abgesunken. Wenn er genügend absinkt, kann das allein die Vereisung der Antarktis auslösen und zwar ohne das Zutun eines Zirkumpolarstroms.
Vielleicht, so spekuliert Peter Barker, ist vor 34 Millionen Jahren eine kritische Marke beim Kohlendioxidgehalt unterschritten worden - und das hätte dann die Gletscher wachsen lassen. Die Lösung lässt sich wohl nur in den Tiefsee-Sedimenten vor Südamerika finden - in Sedimenten, die mehr als 40 Millionen Jahre alt sind.