Mit ersterem hat Bordingenieur Heermann weniger zu tun, mit letzterem viel. Als dritter Mann im Cockpit älterer Großflugzeuge (ein durch Rationalisierungen und Automatisierung aussterbender Beruf) thront er hinter und über den beiden Piloten, unzählige Instrumente im Blick, zahllose Schalter in Griffnähe. Kein Flug ist Routine, das lernt man als erstes aus diesem Bordbuch eigener Art, jeder Jumbo-Jet hat - bedingt durch lange Einsatzzeiträume und technische Veränderungen - individuelle Macken, ein persönliches Profil. Da nur die Crew ständig wechselt und die Technik rund um die Uhr im Einsatz bleibt, wissen Piloten und Bordingenieure erst kurz vor Abflug, mit wem sie es überhaupt zu tun bekommen. Dann folgt die informatorische Schwerstarbeit. Checklisten und Handbücher müssen abgearbeitet werden, um sich mit dem Riesenvogel vertraut zu machen. Das Ganze - auch während des Fluges - mit fast kindisch anmutenden Ritualen der lauten Deklamation und ständiger Zurufe, damit sich niemals eine unkontrollierte Schludrigkeit, ein flüchtiges Überblättern einschleicht. Obwohl es in kaum einem anderen zivilen Bereich noch derartig klare Befehlskompetenzen gibt - der Kapitän hat grundsätzlich das letzte Wort - wird doch alles mit den beiden anderen besprochen. Gegenseitige Kontrolle als oberstes Prinzip, wie im technischen Bereich die Doppelbelegung vorherrscht. Nicht wie im Automobilbau (etwa durch Einführung des Airbags), sondern - der Fehler darf, wenn er eintritt, keinerlei Auswirkungen auf die Flugeigenschaften haben. Also werden die Fehler gleich mit einkalkuliert. Bis auf die, die man erst nach einem Desaster erkennt, und darüber schweigt Flugingenieur Heermann wohlweislich. Sein Buch soll nämlich beruhigen, weswegen nur selten von Unfällen die Rede ist. Statistisch vollkommen berechtigt, nur die Rolltreppe schlägt das Flugzeug in punkto Verkehrssicherheit; bis nach Amerika kommt man damit allerdings nicht.
Kompetent und verständlich und darüber hinaus sogar unterhaltsam präsentiert Jürgen Heermanns kleiner Flugbegleiter "Warum sie oben bleiben" die komplexe Materie. In den physikalischen Exkursen durchaus anspruchsvoll, verzeiht die Lektüre aber manche Konzentrationsschwäche; ein paar Absätze später findet man wieder einen passablen Einstieg. Daß das altbekannte Klischee, im Cockpit säßen nur Busfahrer der Lüfte, wenig mit der Realität zu tun hat, lernt der Leser schnell: Respekt vor der Schwerstarbeit im Cockpit ist das mindeste Resultat dieses Buches.
Auch im 21. Jahrhundert bleibt Fliegen ein Abenteuer mit hohem technischen und intellektuellen Einsatz, bei dem schon die Berechnung der Treibstoffmenge demonstriert, wie viele Faktoren den Flug günstig oder ungünstig beeinflußen können. Ein fahrlässigerweise in Neuseeland an Bord gebrachter Apfel, rechnet Heermann vor, verursacht auf der Reise nach Frankfurt einen Treibstoffmehrverbrauch in zweieinhalbfacher Höhe seines Volumens. Da liegt auch der Haken dieses in Insel-Qualität mit hochvolumigen Kunstdruckpapier ausgestatteten Taschenbuchs: Es wiegt mit 260 Gramm entschieden zu viel, um als Fluglektüre zu gelten. Lesen Sie´s vor der Reise und lassen Sie es zu Hause. Die Fluggesellschaft wird es Ihnen danken.