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Warum stranden Wale?

Immer wieder gehen Bilder um die Welt von gestrandeten Walen und von Helfern, die versuchen, die Tiere wieder ins Meer zu ziehen. Warum die Tiere stranden, weiß keiner so ganz genau. Manche Forscher sind der Ansicht, dass einige Tiere die Orientierung verlieren und die Herde ihnen folgt, um die Falschschwimmer zu retten. Wissenschaftler vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel in Büsum haben eine andere mögliche Erklärung gefunden.

Von Annette Eversberg | 15.06.2005
    Wenn Wale stranden, dann kann das überall sein. Schon seit Jahrhunderten ist belegt, dass der größte unter den Zahnwahlen, der Pottwal, häufig in der Nordsee gestrandet ist. Einige schafften es, wieder raus zu kommen. Das waren jedoch höchstens 15 Prozent. Frühe Dokumentationen stammen aus dem 15. Jahrhundert. Aus einer Zeit, als es noch keine Industrie gab, die Schadstoffe produzierte. Auch Schiffe fuhren nicht mit Motoren, sondern mit Segeln, um sich fortzubewegen. Warum solche Pottwalstrandungen dennoch passierten, hat Wissenschaftler des Forschungs- und Technologiezentrums Büsum der Universität Kiel interessiert. Dr. Klaus Vanselow untersuchte 97 Strandungen in 300 Jahren, die besonders gut dokumentiert sind. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf den Orientierungssinn der Tiere:

    " Die Ernährung findet eben halt so in 800 Meter Tiefe statt. Man hat festgestellt, dass sie etwa 3000 Meter Tiefe tauchen. Das heißt, der muss eine andere Orientierung haben als wir Menschen."

    Man weiß schon lange, dass Wale sich mit Hilfe eines Echolotsystems in der Tiefe der Meere orientieren. Die Schallwellen werden im Ohr so verarbeitet, dass sich daraus ein dreidimensionales Bild ergibt. Dieses Echolotsystem wird durch viele Faktoren gestört. Den Schiffsverkehr oder auch das neue Ultraschallsystem der Marine, mit dem U-Boote aufgespürt werden. Störungen können auch dadurch verursacht werden, dass sich Parasiten im Ohr befinden. Eine Folge der Eutrophierung. Das erklärt aber nicht die Strandungen in einer Zeit, als es die Störungen durch den Menschen noch nicht gab. Für Klaus Vanselow ist das innere Navigationssystem des Wals umfassender als bisher angenommen:

    " Er wird noch so etwas brauchen, wie ein Erdmagnetfeldnavigationssystem, aber nicht nur ein Erdmagnetfeldnavigationssystem, über das wir unsere Kompassnadeln bestimmen, sondern auch über die Erdmagnetfeldanomalien."

    Das Erdmagnetfeld ist also Schwankungen unterworfen. Je nachdem wie hoch der Eisengehalt im Boden ist, oder wie stark die Erdkruste verdichtet ist. Auch dies können Wale unter normalen Umständen erfassen. Es hat die Funktion eines GPS-Systems, mit dem man den Standort auf der Erde bestimmen kann. Allerdings wird dieses System erheblich gestört. Durch Stürme auf der Sonne. Diese Stürme beeinflussen auch das Magnetfeld der Erde. Das registrieren die Wale:

    " Wenn so ein Wal sich anhand dieser Erdmagnetfeldanomalien fortbewegt, dann ist es so, dass, wenn die Sonne Eruptionen hat, dass kurzfristig das Magnetfeld der Erde so stark geändert wird, dass der sich in seiner Orientierung nicht mehr zurechtfindet, wenn er es nicht rechtzeitig geschafft hat, auf ein anderes Navigationssystem umzuschalten."

    Derzeit befinden wir uns in einer Phase verstärkter Sonnenstürme, die man schon mit dem bloßen Auge als Sonnenflecken wahrnehmen kann. Und in dieser Phase hat es bereits viele Walstrandungen gegeben. Auch das jüngste Ereignis in Westaustralien führt Klaus Vanselow auf die Sonnenstürme zurück. Und weitere Strandungen schließt er nicht aus. Dass solche Sonnenstürme Wirkungen haben, das wissen z.B. die Taubenzüchter. Spezielle Informationszentren prüfen die Aktivitäten auf der Sonne und sorgen dafür, dass bei Sonneneruptionen keine Rennen geflogen werden. Auch andere Wirkungen kennt der Forscher ganz genau:

    " Rundfunkprogramme können davon gestört werden, Satellitenübertragung kann davon gestört werden, weil Störungen in der Atmosphäre auftreten, die auch zu Polarlichtern führen. Sie sind sehr eindrucksvoll. Und es führt zu Stromausfällen z.B., Nordamerika und Malmö ist da zu nennen. Das sind Effekte, die doch erstaunlich häufig auftreten."