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Was alles im heimatlichen Boden steckt

"Dass Deutschland rohstoffarm ist, stimmt so nicht." So lautet die Ausgangsthese für Christoph Seidlers Buch. Der Wissenschaftsjournalist hat recherchiert, was in der deutschen Erde steckt. Die Vorkommen, die er dabei entdeckt hat, bleiben aber im Weltmaßstab irrelevant.

Von Oliver Ramme |
    "Der Satz, den wir immer wieder hören von Politikern und Wirtschaftsvertretern, dass Deutschland rohstoffarm sei, stimmt so nicht!"

    Das ist die Ausgangsthese, die der Wissenschaftsjournalist Christoph Seidler in seinem Buch "Deutschlands verborgene Rohstoffe" aufstellt. Denn in der deutschen Erde, gleich ob in der Lausitz, dem Rheinland oder der Insel Usedom, steckt mehr als viele ahnen. Dabei geht es Seidler weniger um die bekannten Energieträger und Rohstoffe wie Braunkohle oder Eisenerz. Der Autor spürt vielmehr Rohstoffe auf, die mit Deutschland gemeinhin nicht in Verbindung gebracht werden, zum Beispiel Gold, Kupfer und Erdgas. Oder die außerhalb der Fachwelt nahezu unbekannten seltenen Erden wie Lanthan oder Gadolinium. Der Leser erfährt nicht nur, wozu diese Verwendung finden, er erfährt auch, wie sie gefördert werden - und wer sie aus der deutschen Erde holt. In der Lausitz zum Beispiel suchen Polen nach Kupfer.

    "Der Jeep bremst. Das muss also der Bohrplatz sein, zu dem Frau Dmowska, Chefin der KGHM Kupfer AG, mich mitnehmen wollte. Die resolute Polin vertritt den Bergbau Konzern KGHM Polska Miedz in der sächsischen Stadt Weißwasser. …wir stehen auf der Lichtung, vor einer der insgesamt vier KGHM- Probebohrungen. Die tiefste von ihnen wird mehr als 1400 Meter in die Erde reichen. Doch ganz so weit ist man hier noch nicht. Eine Handvoll Männer mit Schutzhelmen ist zu sehen, Rohre, Bohrgestänge, eine Absperrung. Und mitten auf der Lichtung steht eine orangefarbene Maschine. "

    Sein Buch hat Seidler in Ichform verfasst. Der Leser begleitet ihn hautnah auf seinen Recherchen. Angefangen in London bei der Metal Exchange Rohstoffbörse, über Amtsstuben von Rathäusern in der deutschen Provinz bis hin zu stillgelegten Bergwerken im Erzgebirge.

    "An einer senkrechten Wand angekommen, drückt mir Wrusch einen kleinen Hammer in die Hand, dazu einen Meißel. Jetzt soll ich mich selbst als Bergmann versuchen. Das Ergebnis ist kläglich. Außer dass mir das Handgelenk wehtut, passiert so gut wie gar nichts."

    Christoph Seidler: "Ich habe über die Zeit immer wieder Nachrichten in Regionalzeitungen aufpoppen sehen, dass im Rheingraben Seismik- Trucks fahren für Erdölerkundungen. Dass es in der Lausitz Probebohrungen nach Kupfer geben soll. Durch diese kleinen Meldungen hat sich für mich ein Puzzle aufgetan und ich hatte Lust, diese Teile zusammenzusetzen."

    Seidler setzt uns tatsächlich ein Puzzle zusammen. Dessen Einzelteile - also die Lagerstätten - sind entweder klein oder schwer und damit nur kostenintensiv zu erschließen. Aber durch steigende Rohstoffpreise könnte dies irgendwann zu einem rentablen Geschäft werden, meinen Seidler und die von ihm besuchten Schürfer gleichermaßen. Nur, ist hier wirklich viel zu holen? Lediglich drei Prozent des jährlichen Erdölbedarfs werden aus heimischer Förderung gedeckt. In den letzten zehn Jahren wurde eine einzige neue Erdöllagerstätte entdeckt – im Wattenmeer. Noch bescheidener sieht es beim heimischen Gold, Kupfererzen oder Erdgas aus. Ein weiteres Problem:

    "Deutschland hat gegen Ende des 20. Jahrhunderts sein Rohstoff-Know-How auf breiter Front wegrationalisiert und muss es nun mühevoll wieder aufbauen."

    Da die globalen Preise für Rohstoffe anziehen, steigt der Druck, im eigenen Boden erneut nach Bodenschätzen zu suchen. Seidler beschreibt ausführlich die Historie der bekannten deutschen Lagerstätten. Wann wurde beispielsweise in der Lausitz oder dem Erzgebirge was und wie viel abgebaut? Detailliert erklärt der Autor auch, wo zurzeit Förderungen geplant sind. Seidler interessiert aber weniger der makroökonomische, bundespolitische Blick. Beobachtungen wie diese haben deshalb Seltenheitswert:

    "Immerhin, nach Jahren des Desinteresses hat Deutschland inzwischen eine Rohstoffstrategie. Darin steht unter anderem, dass die Bundesregierung die Rohstoffversorgung der heimischen Firmen mit Kreditgarantien voranbringen will."

    Lieber bereist Seidler die Regionen und berichtet über die Schürfer-Romantik in der Provinz. Die Bergbauvorhaben mögen von regionaler Bedeutung sein, doch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Förderung bleibt fraglich. Anders gesagt: man muss schon ein großer Idealist sein, um an den deutschen Rohstoffvorrat zu glauben. Seidler teilt diesen Idealismus, kann ihn aber nicht so recht begründen. Auf der anderen Seite geht der Autor durchaus kritisch mit den Exploratoren um, zum Beispiel beim Thema Fracking. Dabei handelt es sich um umstrittene Druckverfahren, mit denen in tiefen Gesteinsschichten Risse erzeugt werden, um besser an verborgenes Erdgas zu gelangen. Auch Deutschland wurde von dieser Methode nicht verschont.

    "Der Ölkonzern ExxonMobil hat das Fracking-Verfahren im Jahr 2008 auf der Suche nach Schiefergas eingesetzt – und zwar an der Bohrung Damme 3 im Landkreis Vechta. Die Techniker der Firma pumpten bei drei Frackings insgesamt zwölf Millionen Liter Wasser in den Untergrund, in 1100 bis 1500 Meter Tiefe. Dabei wurden neben Quarzsand auch 24000 Liter Additive zugesetzt."

    Zitiert der Autor aus einer Studie der Universität Manchester. Die Briten sahen sich dazu 260 beim Fracking eingesetzte Verbindungen an. Bei 58 beklagten die Wissenschaftler eine oder mehrere Eigenschaften, die Anlass zur Besorgnis geben. Auf der Liste befinden sich unter anderem acht nachgewiesenen krebserzeugende Chemikalien. Seidler ist ein leicht lesbares Buch gelungen - allerdings wohl kein Bestseller. Dafür sind die Vorkommen, um die es hier geht, im Weltmaßstab zu irrelevant. Wer sich aber genauer informieren will über deutsches Kupfer oder Gas, wer wissen will wo zur Zeit gegraben wird oder Probebohrungen stattfinden oder wer selbst nach Scandium oder Lanthan schürfen möchte, der macht mit dem Buch "Deutschlands verborgene Rohstoffe" einen guten Griff.

    Christoph Seidler: Deutschlands verborgene Rohstoffe: Kupfer, Gold und Seltene Erden.
    Verlag Carl Hanser, 252 Seiten, 18,90 Euro
    ISBN: 978-3-446-43213-0