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Was bedeutet das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt für die Bundespolitik?

Zagatta: Nach der verheerenden Wahlniederlage der SPD gestern in Sachsen-Anhalt sieht sich der Unionskanzlerkandidat schon auf dem Weg nach Berlin, und genau dorthin ist Edmund Stoiber in diesen Minuten auch schon unterwegs, vom Flughafen in München. Herr Stoiber, die meisten Wahlforscher sagen ja jetzt, die SPD in Sachsen-Anhalt habe sich diese Niederlage gestern selbst zuzuschreiben mit ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik. Ist es da nicht ziemliches Wunschdenken, dass daraus jetzt eine Weichenstellung von Ihrer Seite für die Bundestagswahl gemacht wird?

    Stoiber: Wir machen das nicht zur Weichenstellung, aber wir sagen, dass neben den landespolitischen Themen natürlich die negative Stimmungslage in Deutschland, die den Arbeitsmarkt betrifft, auch eine Rolle bei diesen Landtagswahlen gespielt hat. Und was für mich von wirklich großer Bedeutung ist, ist dass Arbeitnehmer im hohen Maße CDU gewählt haben, von der SPD weggegangen sind, dass sehr viele dieser Arbeitnehmer nicht zur Wahl gegangen sind, enttäuscht sind über die Aussagen und die Realität des Kanzlers vor drei Jahren und heute. Das ist etwas, was natürlich auch in Deutschland bei den Bundestagswahlen die entscheidende Rolle spielen wird. Wir sind das Land mit dem geringsten wirtschaftlichen Wachstum. Es wird uns von den Wirtschaftsforschungsinstituten prognostiziert, dass es dabei bleiben wird. Wir haben sicherlich in Deutschland gegenüber den anderen Ländern in Europa eine ähnliche Situation wie Sachsen-Anhalt gegenüber den anderen Bundesländern.

    Zagatta: Aber wenn Sie die Regierung Schröder mit dem Thema Arbeitslosigkeit angreifen wollen, ist das Ihren Gegnern nicht ein Leichtes darauf hinzuweisen, dass die Union und Helmut Kohl es ja waren, die uns die Arbeitslosigkeit in dieser Größenordnung beschert haben?

    Stoiber: Wir haben in den langen Jahren der Regierung Kohl ja auch viele Aufs und Abs gehabt, und wir hatten Schwierigkeiten Mitte der 90er Jahre, nachdem Boomzeit durch die Wiedervereinigung etwas zuende gegangen hat. Aber hier muss ich natürlich sagen, die großen Reformen im Arbeitsmarkt, im Steuerrecht. Ich muss den Bundeskanzler an dem messen, was er 1998 gesagt hat. Er ist gewählt worden mit dem Versprechen, er reduziert die Arbeitslosigkeit entscheidend, er wird die Wirtschaft nach vorne bringen, er wird Reformen einleiten, und von dem, was er gesagt hat, ist heute nichts eingetreten, und das ist die entscheidende Meßlatte für den Herbst des Jahres 2002 und nicht die Meßlatte, was die Union in den 90er Jahren getan oder auch nicht getan hat.

    Zagatta: Aber einer der Wirtschaftswaisen nennt das, was Sie sagen, auch jetzt schon unseriös. Steuern senken, Familien fördern, mehr Geld für die Bundeswehr. Werden Sie vor der Wahl noch sagen, wo Sie das Geld dafür hernehmen?

    Stoiber: Darf ich Sie mal fragen, warum das die anderen Ländern schaffen? Darf ich Sie mal fragen, warum es in Großbritannien möglich ist, dass sie ein hohes wirtschaftliches Wachstum haben und trotzdem den Arbeitsmarkt gleichzeitig reguliert haben und die Steuern gesenkt haben. Wenn wir das tun, was die Bundesregierung will, nämlich nichts - sie sagt ja, sie will keine weiteren Steuersenkungen für die nächste Legislaturperiode -, ist das die ruhige Hand. Das bedeutet nichts tun, und das bedeutet weiterhin verharren auf dem letzten Platz. Die Bundesregierung hat ja keinerlei politische Innovationen mehr. Das, was wir ankündigen, werden wir auf einem längeren Weg verwirklichen, und die Voraussetzung ist wirtschaftliches Wachstum. Mit dem Wachstum, das Schröder zu verantworten hat, kann ich natürlich überhaupt nichts machen. Ich muss zunächst die Wachstumskräfte anregen, und deshalb muss ich die steuerlichen Belastungen für den Mittelstand wesentlich senken. Wenn ich das nicht tue, bleibe ich bei dieser hohen Arbeitslosenquote.

    Zagatta: Die Union steht ja wieder ganz gut da bei den Wählern. Den Meinungsforschern zufolge ist Kanzler Schröder im direkten Vergleich bei den Wählern aber immer noch wesentlich beliebter als Sie. Wir das die Bundestagswahl entscheiden?

    Stoiber: Dies ist kein Wettbewerb zwischen den besten Entertainern. Das ist der Glaube, dass man alleine durch die Sympathie die Wahl entscheiden würde. Ich habe eine hohe Akzeptanz bei den möglichen Wählern von CDU und CSU. Ich habe sicherlich in der Kompetenzzuweisung bezüglich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einen wesentlich höheren Kompetenzvorsprung gegenüber dem Bundeskanzler. Ich hoffe, dass ich den Vorsprung halten kann, denn das ist eigentlich der entscheidende Punkt. Die Beliebtheit, wie auch immer sie gemessen wird, an der berauschen sich sicherlich die Politiker, aber danach hätte z.B. Joschka Fischer ein riesiges Ergebnis einfahren müssen, und Herr Genscher hätte immer Bundeskanzler werden müssen, denn er war mit Abstand der beliebteste Politiker. Doch wer sich alleine daran orientiert, vergisst, dass wir hier in Deutschland nach Inhalten und nach Parteipräferenzen wählen.

    Zagatta: Aber Sie selbst haben ja auf Fernsehduelle mit Gerhard Schröder gedrängt. Jetzt, wo der Kanzler signalisiert hat, er ist dazu bereit, hat die Union Einwände und kritisiert die vorgeschlagenen Termine. Wollen Sie da kneifen?

    Stoiber: Wissen Sie, Sie hören wahrscheinlich ein bisschen zuviel auf das Kanzleramt. Wir haben immer gesagt, nach dem amerikanischen Modell, auch der Bundeskanzler hat das gesagt. Jetzt wollen wir das amerikanische Modell umsetzen, d.h. die letzte Debatte etwa drei Wochen vor der Wahl. Das ist in Amerika so, und das wollen wir genauso machen. Ich verstehe nicht, warum man plötzlich vom amerikanischen Modell abweichen will. Das war die Diskussionsgrundlage im Frühjahr.

    Zagatta: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio