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Was bedeutet die Gentech-Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln in der Praxis?

Noch ist der Streit nicht gänzlich beigelegt, kann das europäische Parlament noch einmal intervenieren und auf eine weitere Absenkung der Grenzwerte drängen, aber die wesentlichen Grundlagen stehen fest: in Europa werden gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel zukünftig gekennzeichnet werden müssen. Das jedenfalls hat jetzt der EU-Agrarministerrat verabschiedet. Gelten soll dies für alle Erzeugnisse, in denen mehr als 0,9 Prozent der Inhaltsstoffe genetisch umgebaut wurden. Das Parlament sähe gerne eine weitere Senkung der Nachweisgrenze auf 0,5 Prozent. Bis Mitte nächsten Jahres wird darüber wohl entschieden sein. Unstrittig sind die Vorschriften zur Kennzeichnung. Zudem wird ein Labornetzwerk dafür sorgen, dass die Kontrollen EU-weit einheitlich nach neusten Methoden ablaufen.

von Johannes Kaiser |
    Ganz werden sich Verunreinigungen selbst konventionellen Pflanzenguts durch gentechnisch veränderte Organismen in der Natur nie ausschließen lassen. Immerhin liegen die Felder oftmals direkt nebeneinander. Wie niedrig der Grenzwert für den Nachweis letztlich dann sein wird, ist eher eine politische Frage. Nur eines ist jetzt schon klar: Vorsätzlich wird niemand etwas bis zu diesem Schwellenwert beimischen dürfen. Wer immer gentechnisch veränderte Pflanzen zur Herstellung einsetzt, wird dies zukünftig angeben müssen. Damit jeglicher Betrug entdeckt wird, haben sich jetzt die Laboratorien der EU-Länder zusammengeschlossen, um einheitliche Verfahren zu entwickeln. Deutschland ist hier zusammen mit der Schweiz führend:

    Wir im Bundesinstitut für Risikobewertung beschäftigen uns schon seit 1997 mit dieser Fragestellung und haben für diesen Zweck Methoden entwickelt und standarisiert, d.h. diese Methoden werden in Deutschland in allen Lebensmitteluntersuchungsämtern eingesetzt und die ermöglichen es mit Hilfe neuer molekularbiologischer Methoden, die gentechnischen Veränderungen direkt nachzuweisen. Das geht soweit, dass man auch noch in einem Schokoladenriegel u.U. die genetische Veränderung aufzeigen kann.

    Hermann Broll, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung verweist allerdings darauf, dass man bei raffinierten Ölen oder Stoffen, die aus Glukosesirup gewonnen werden, die genetische Veränderung nicht mehr nachweisen kann. Deswegen müssen die Hersteller solcher Produkte zukünftig ihre Rohstoffe testen lassen. Das gilt auch für die Futtermittel:

    Sobald sie in die Vorprodukte gehen können, haben sie wiederum kein Problem, die gentechnische Veränderung nachzuweisen, d.h. eine umfassende Kennzeichnung aller Lebensmittel unabhängig davon, ob im Endprodukt die gentechnische Veränderung nachweisbar ist oder nicht, wird in Zukunft möglich sein.

    Besonders dramatische Folgen könnte diese Vorschrift auf dem Futtermittelsektor haben, denn mindestens 50 Prozent des aus den USA importierten Mais und Soja sind bereits gentechnisch verändert. Jeder Bauer, der das füttert, könnte zukünftig auf sein Fleisch den Stempel gentechnisch verändert bekommen. Das werden viele nicht wollen. Der Futtermittelmarkt könnte sich mächtig verändern. Bleibt die Frage, wie denn nun der Verbraucher, der Kunde erfahren kann, ob seine Ware gentechnisch veränderte Bestandteile enthält:

    Die Kennzeichnung muss genauso erfolgen wie auch jetzt die Kennzeichnung von Lebensmittel erfolgt. Der Hersteller hat die Wahl entweder direkt hinter der Zutat in Klammern aufzuführen hergestellt aus gentechnisch veränderten Bestandteilen oder er kann ein Kreuzchen an der jeweiligen Zutat machen und unterhalb der Zutatenliste noch mal dieses Kreuz wiederholen und raufschreiben, aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt oder nicht. Auf jeden Fall muss die Schrifttype genauso groß sein. Man kann es genauso gut lesen wie die Zutatenliste selbst.

    Bleibt noch eine letzte Frage: wie gesundheitsgefährdend sind denn nun gentechnisch veränderte Lebensmittel. Nach der Auswertung zahlreicher Studien kommt Hermann Broll vom Bundesinstitut für Risikobewertung zu dem beruhigenden Schluss:

    Wir haben diese umfangreichen Bewertungen durchgeführt, toxikologische Bewertungen als auch ernährungsmedizinische Bewertungen und wir sind bei den in Europa zugelassenen Produkten zu dem Schluss gekommen, dass sie gesundheitlich genauso unbedenklich sind, da sie sich nämlich in den Inhaltsstoffen, in den toxikologischen Eigenschaften nicht von vergleichbaren Produkten unterscheiden.