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Was denken die Franzosen über die Deutschen?

Die Deutsche Botschaft in Paris wollte es wissen: Hat man in Frankreich seit der Finanzkrise weiterhin kriegsbedingte Vorurteile gegen die Deutschen oder ist das Verhältnis freundschaftlicher Natur? Unsere Korrespondentin Ursula Welter mit den Ergebnissen und eigenen Eindrücken.

Von Ursula Welter |
    "Sind wir antideutsch?" fragte vor dem Jahreswechsel der Radiosender France Info seine Hörer. Die Antwort wurde im Archiv gesucht, in den alten Liedern, die das deutsch-französische Paar nach all den Waffengängen über sich hat ergehen lassen müssen.


    "Meine Brust ist französisch, meine Milch verkaufe ich nicht an das Kind eines Deutschen."

    So texteten die Liedermacher nach dem Krieg 1870/71, alte Geschichten, an die Radio France erinnerte, als vor wenigen Monaten antideutsche Töne in der politischen Debatte anklangen. Da hatte der Politiker der Sozialisten etwa Angela Merkel gerade mit Bismarck verglichen und gemeint, Deutschland baue sein Vermögen auf dem Ruin Frankreichs auf.

    Eine zunehmende "Germanophobie" in Frankreich schien sich auszubreiten, inzwischen wissen es die Meinungsforscher besser.

    In keiner unserer Untersuchungen finden sich Spuren einer solchen Germanophobie, sagt Jérôme Fourquet, dessen Forschungsinstitut IFoP im Auftrag der Deutschen Botschaft in Paris der Sache auf den Grund gegangen ist. In einem Jahr feiert das deutsch-französische Paar den 50. Geburtstag des Elysée-Vertrages, und die Botschaft wollte nicht nur wissen, wie es um das Verhältnis beider Länder zueinander steht, sondern auch frühzeitig vor den Festreden erfahren, was es noch zu tun gibt. 63 Prozent der Befragten haben ein überwiegend positives Bild von Deutschland, weitere 19 Prozent gar ein sehr gutes.

    Schaut man genau hin, sagt Jerôme Fourquet, dann ist das deutsch-französische Verhältnis allerdings heute mehr von Respekt, denn von Sympathie geprägt. Was denken Franzosen also über Deutschland: Spontan fallen den Befragten Begriffe wie, "seriös", "diszipliniert", "arbeitsam" ein, an "Hitler" und "Nazis" denkt nur noch eine verschwindend kleine Minderheit und ebenso wenige denken an "Bier", wenn Sie nach Deutschland gefragt werden.

    Die Zeit des Sauerkraut-Fräuleins, wie es 1963 noch besungen wurde, ist also vorüber. Und doch leben Klischees auch in Umfragen an der Jahreswende 2011/2012 noch auf.

    "Arbeiten", sagt der Wahlforscher, das ist demnach eher Sache der Deutschen, "Lebensqualität", das ist eher unsere Sache.

    Auffallend ist, dass vor allem die Jugend mit größerer Distanz über das deutsch-französische Paar spricht. Je älter die Befragten, desto positiver ihre Antworten, Deutschland betreffend. Und auch in der Parteipolitik gibt es Unterschiede. Schon in seiner Jugend, sagt Wahlforscher Fourquet, sei das "Modell Deutschland" gerne genannt worden, noch nie aber habe es in der innenpolitischen Debatte eine solche Rolle gespielt, wie jetzt:

    Die von der Regierung Schröder in Deutschland unternommenen Reformen, Hartz IV etwa, würden heute unablässig von einer konservativen Regierung in Frankreich als Modell gepriesen. Deshalb gehe die Linke auf Distanz. Entsprechend urteilten Anhänger des linken Parteienspektrums mit größerer Zurückhaltung, wenn es um Deutschland gehe.

    In der Summe ergibt die Umfrage, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland für die Mehrheit der Franzosen 49 Jahre nach Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages, mehr eine Sache der Vernunft, weniger des Herzens ist.

    So sind die Zahlen der Meinungsforscher 2012 deutlich nüchterner, als die Töne einer Barbara 1967. Man müsse realistisch sein, sagt deshalb auch Botschafter Reinhard Schäfers, die Jugend heute lebe in einer globalen Welt. Für das deutsch-französische Paar heiße das, es gäbe viel zu tun, wollte man von der Vernunftehe hin zur Liebesgeschichte.