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Ums Putzen reißt sich in Studenten-WGs ja normalerweise keiner. In den meisten Fällen muss ein gut strukturierter Putzplan her, damit die Wohnung wenigstens ein Mal im Monat auf Vordermann gebracht wird. In Prüfungszeiten ist das anders: Da reißen sich Studenten geradezu um die sonst so lästigen Aufräumarbeiten. Hauptsache weg vom Schreibtisch und weg von den Büchern - mit dem Lernen kann man ja auch noch später anfangen. Vier Psychologie-Absolventinnen der Universität Münster haben nun wissenschaftlich mit dem Aufschiebeverhalten von Studierenden beschäftigt.

Von Julia Tzschätzsch |
    Rechtzeitig mit der Referats- und Klausurvorbereitung anzufangen, nehmen sich viele Studenten zwar jedes Semester aufs Neue vor, aber dann wird bis kurz vor knapp wieder alles andere gemacht - nur nicht gelernt. Die universitären Fristen liegen meist Monate weit weg und das verführt zum Beine baumeln lassen. Die Psychologieabsolventinnen Julia Patzelt und Inga Opitz haben sich für ihre Diplomarbeiten mit der Prokrastination, also dem Aufschiebeverhalten von Studenten beschäftigt: Ihr Ergebnis - Studenten brauchen Struktur, um an der Stange zu bleiben. Wer also ein "strukturiertes" Fach studiert, lernt disziplinierter:

    Julia Patzelt:
    Ein Prototyp für ein strukturiertes Fach wäre so was wie Medizin. Da ist recht klar, welche Seminar man wann macht, man hat meistens auch noch feste Gruppen, es gibt häufige Leistungsüberprüfungen in Form von Testaten oder sonstigem und unstrukturierte Fächer sind solche Fächer wie z.B. Lehramtsfächer, Germanistik, Englisch, Kunstgeschichte, Geschichte, Politik, die also entweder auf Lehramt oder Magister studiert werden, wo man sich tatsächlich ganz viel selber organisieren muss.

    Weitere Ergebnisse der Studie: Männer zögern das Lernen häufiger hinaus als Frauen und wer bereits im Hauptstudium ist, schiebt öfter auf als Erstsemester. Prokrastination kann in seiner extremem Form eine richtige Qual sein. Wer sein Lernpensum um Wochen oder sogar Monate vor sich herschiebt, leidet oft unter Depressionen und Versagungsangst:

    Inga Opitz:
    Die extremste Form von Prokrastination äußert sich wahrscheinlich ja darin, dass man gar nichts mehr auf die Reihe kriegt, dass sich das wahrscheinlich, dieses Aufschiebeverhalten nicht nur im akademischen Bereich dann zeigt, sondern auch im privaten, dann leidet natürlich das Studium darunter und im Extremfall wird man's wahrscheinlich nicht zu Ende führen können.

    Für ihre Datenerhebungen hatten Patzelt und Opitz einen Fragebogen ins Internet gestellt. Mit fast 1000 Teilnehmern ist die herausgekommene Prokrastinations-Studie die bisher größte im deutschsprachigen Raum. Gegenmaßnahmen für studentisches Aufschieben zu entwickeln, war Aufgabe der Psychologie-Abschlussarbeit von Julia Beißner und Nicole Samberg. Ihre rund 60 Probanden mussten dafür unter anderem ihre beabsichtigten und tatsächlichen Lernaktivitäten in einem Tagebuch festhalten:

    Julia Beißner:
    Dann haben wir die auch angehalten, z.B. Sachen, die dem Lernen entgegen stehen, auszuschalten also z.B. das Telefon rauszustöpseln oder so - das hat nicht jeder gleich gemacht, die konnten individuell so ein bisschen sagen, wie die das Planen wollen, aber die sollten das halt ausdrücklich mehr planen, wie sie das hinkriegen könnten, wirklich pünktlich zu beginnen.

    Darüber hinaus bekamen die Probanden, die sich übrigens alle in der Prüfungsphase befinden mussten, Nachhilfe im Zeitmanagement: Der Stoff, der in einer bestimmten Zeit durchgearbeitet werden sollte, musste vor Lernbeginn im Tagebuch vermerkt werden. Anschließend wurde er mit dem tatsächlich geschafften Lernpensum verglichen. Diejenigen Teilnehmer, die während der fünf Trainingswochen diszipliniert bei der Sache waren, meisterten nicht nur den pünktlichen Lernbeginn - sie schafften auch mehr Stoff in weniger Zeit:

    Nicole Samberg:
    Des weiteren hat sich halt auch gezeigt, dass diese Schwelle, mit dem Lernen anzufangen, dadurch auch abgebaut wird, dass man vorher sich genau überlegt: Was will ich überhaupt machen? Wo will ich das machen? Wie will ich das umsetzen? Dass man schon sich einen Plan erstellt, dann erhöht sich halt zum einen die Wahrscheinliche, dass man a) anfängt und zum zweiten, das hat sich während des Trainings halt auch gezeigt, ist es dann so, dass Inhalt und Zeit dann besser koordiniert werden können.