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Was eine neue Bundesregierung anpacken muss - Teil 2

Vor der Bundestagswahl wurden europapolitische Themen von der amtierenden Bundesregierung und auch von der Opposition eher gemieden. Wohl auch, um einem Disput mit der euro-kritischen AfD zu entgehen. Die Nachfolger der schwarz-gelben Bundesregierung werden es aber mit einem Reformstau zu tun haben.

Von Jörg Münchenberg | 23.09.2013
    Unabhängig vom Ausgang – in Brüssel ist man zunächst erleichtert, dass der Wahlkampf zu Ende ist. Denn in den letzten Wochen sind viele zentrale Projekte kaum vorangekommen. Was nicht nur, aber teilweise eben doch den deutschen Wahlen geschuldet war.

    So steht weiterhin eine Entscheidung über die von EU-Justizkomissarin Viviane Reding vorgeschlagene Einführung einer Frauenquote aus, weil sie auch innenpolitisch höchst umstritten ist. Auch bei der Klimapolitik gab es zuletzt kaum Fortschritte. Bislang blockiert Deutschland die Einführung von schärferen CO2-Grenzwerte für die Autoindustrie, obwohl sich Rat und Parlament längst auf einen Kompromiss verständigt haben. Auch die Reform bei den Verschmutzungsrechten hängt fest, was wiederum auf erhebliche Differenzen zwischen Union und FDP zurückzuführen war. Zumindest aber dieser koalitionsinterne Konflikt wird Europa nicht länger beschäftigen.

    Eher mühevoll gestaltet sich zudem der Aufbau der geplanten Bankenunion. Hier gilt zwar Deutschland offiziell als Bremser, doch auch andere Mitgliedstaaten haben Bedenken angemeldet. Nicht bei der ersten Säule, der geplanten Bankenaufsicht, angesiedelt bei der Europäischen Zentralbank. Die ist ohnehin bereits beschlossen. Doch eine funktionierende Aufsicht benötigt auch eine Einrichtung, mit der strauchelnde Banken gerettet oder abgewickelt werden können. Denn die nationalen Behörden, das hat die Vergangenheit wiederholt gezeigt, scheuen oft die notwendigen Konsequenzen.

    Doch über die Rechtsgrundlage, aber auch die Zuständigkeit für einen solchen Abwicklungsmechanismus wird erbittert gestritten. Die Kommission möchte diese Aufgabe übernehmen, das aber lehnt nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble strikt ab. Dabei drängt die Zeit: spätestens bis Ende des Jahres müsste zumindest ein politischer Kompromiss her, denn bereits im Mai 2014 wird ein neues Europäisches Parlament gewählt.

    Weil bis zur Neukonstituierung von Parlament und EU-Kommission Monate vergehen, würde sich der weitere Ausbau der Bankenunion erheblich verzögern. Das wissen auch die politisch Verantwortlichen.

    Schließlich dürfte auch die Diskussion über die Programmländer wieder an Fahrt gewinnen. Irland soll sich im kommenden Jahr wieder selbst an den Finanzmärkten refinanzieren – hier soll es Schützenhilfe geben, wie ist noch unklar. Offen ist auch, wie künftig mit Portugal und Spanien verfahren werden soll. Im laufenden zweiten Programm für Griechenland klafft eine Lücke von rund vier Milliarden Euro, die aber mit kleineren Korrekturen geschlossen werden könnte. Die Entscheidungen dazu werden noch in diesem Jahr fallen.

    Über ein mögliches drittes Hilfsprogramm für Griechenland, von Finanzminister Wolfgang Schäuble selbst ins Spiel gebracht, will die Eurogruppe jedoch erst im Frühjahr 2014 beschließen. Ob sich aber auch Slowenien wegen seiner angeschlagenen Banken unter den Rettungsschirm ESM flüchten muss, wird wohl schon merklich früher feststehen.