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Was einen echten Perser ausmacht

Der DIWAN-Verein um den Filmemacher Ali Samadi Ahadi und die Journalistin Golineh Atai organisieren seit einem Jahr deutsch-persische Begegnungen in Köln. Stargast der "deutsch-iranischen Comedynacht" war jetzt der österreichische Schauspieler Michael Niavarani.

Von Jörg-Christian Schillmöller |
    "Ich bin so schlapp, ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das schnellste Spermium war, noch dazu ein persisches Spermium: Hallo, gibt's da kein Taxi oder was?"

    Michael Niavarani ist in Hochform, und 1000 Zuschauer sind von Anfang an begeistert.

    "Die drei Weisen aus dem Morgenland, das waren Perser. Die liegen hier in Köln begraben. Die hießen nicht Kasper, Melchior und Balthasar, sondern Hussein, Hassan und Babas."

    Fast alle Zuschauer sind iranischer Herkunft, meist die zweite Generation. Herkunft - das ist heute Abend immer wieder ein Thema, nicht nur auf der Bühne. Vor dem Auftritt von Niavarani erzählen viele mit einem Augenzwinkern: Also ich bin halber Perser, und meine Tochter ist eine Viertel-Perserin. Isabell Tschajani vom DIWAN-Verein zum Beispiel ist eine halbe - dank ihres Vaters:

    "Ich bin die klassische Kombination: persischer Arzt, deutsche Frau."

    Und ich verehre Michael Niavarani, sagt Isabell. Sie kann es kaum erwarten, den Komiker zum ersten Mal live zu erleben.

    "Seine Kassetten werden rumgereicht, weil er der Einzige ist im deutsch-sprachigen Raum ist, der die Stimme meines Vaters auf den Arm nimmt. Also wir reden ja nicht mehr so, das ist ja die Stimme der Eltern."

    Wer wissen will, wie das klingt, der muss eine Expertin fragen, zum Beispiel Roxana. Sie ist zehn, hat zusammen mit Michael Niavarani im Film "Salami Aleikum" gespielt und imitiert den persischen Slang perfekt.

    "Haben Sie Perser gesehen? Perser - schwarze Haare an ganze Körper, ein bisschen doof."

    Die Stadthalle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Auffällig am Publikum: Die Frauen sind extrem aufgestylt, fast wähnt man sich auf einer orientalischen Hochzeit. Enge Kleider, kurze Röcke, das schwarze Haar aufwendig frisiert, dazu die dunklen Augen: So sind sie, die persischen Frauen, sagt Ninous, der mit seiner Familie gekommen ist. Das mit dem Styling, meint er, das gehört dazu.

    "Die schminken sich Tag und Nacht."

    Ninous' Frau heißt Susi, und beide leben seit vielen Jahren in Deutschland. Aber: Susi - das klingt gar nicht persisch. Ist es ja auch nicht, sagt Susi, denn wir sind zwar aus Teheran, aber Assyrer, also iranische Christen. Daher die Namen.

    "Meine Schwester heißt Sandy, oder die Cousins Michael, Jimmy, also amerikanisch-europäische Namen, oder typisch assyrische Namen: Mein Mann heißt Ninous, das war König der Assyrer."

    Ninous und Susi leben seit vielen Jahren in Deutschland. Auf die Frage, ob sie zurück in den Iran wollen, antwortet Susi sehr deutlich:

    "Nein, momentan nicht, nicht mit diesem Regime. Ich hab auch niemanden da, unsere Familie ist sehr zerstreut, in den USA, in England, Australien. Deshalb habe ich keinen Kontakt mehr."

    Eine deutsch-iranische Comedynacht in Köln: Kann so ein Ereignis überhaupt unpolitisch sein? Dem DIWAN-Verein ist viel daran gelegen, ganz bewusst keine Stellung zu beziehen, sagt Emitis Pohl.

    "Auf gar keinen Fall, wir sind unpolitisch und bleiben ein politisch unabhängiger Verein."

    Vorsitzender des Vereins ist Ali Samadi Ahadi: Er hat nicht nur die Komödie "Salami Aleikum" gedreht - mit Michael Niavarani in der Hauptrolle -, sondern auch einen Film über die iranischen Unruhen von 2009 und die grüne Oppositionsbewegung.

    "In Deutschland ist es normal, Comedyabende zu haben, zu lachen, zu feiern. In einem Land, wo das Feiern, das Lachen, das Singen einer Frau, das Witzeln über Politik verboten ist, bestraft wird, da wird es sofort politisch. Wenn eine Frau ihre Haare rausgucken lässt, wird es politisch, wenn ein Filmschaffender seine Arbeit macht und der Gesellschaft Fragen stellt, ist es politisch. Dementsprechend kann ich es nicht ändern, wenn auch so ein Abend politisch wird."

    Die Comedynacht ist für viele hier ein kleines Stück Heimat, ein bisschen Verwurzelung, Bodenhaftung. Dennoch sind die Iraner in Deutschland, besonders gut integriert, sagt Ali Samadi Ahadi.

    "Wir mussten uns integrieren, weil wir keine andere Heimat mehr hatten als Deutschland, weil wir auch keine Identität mit der Gesellschaft im Iran hatten. Ahmadinedschad und Chamenei sind keine Identifikationsfiguren. Aber die grüne Bewegung oder die Fußballnationalmannschaft: Das waren Dinge, wo die Menschen zusammengefunden haben."

    Michael Niavarani ist sicher auch einer dieser Anker, wo die Deutsch-Iraner zusammenfinden: Sein Humor ist derb, schwarz und treffend - und das Publikum ist begeistert.

    "Die haben den Banken das Geld in den Arsch geschoben, und dann erzählen sie, das ist eine Wirtschaftskrise. Ein Perser versteht sowas."

    Und es geht noch viel deutlicher.

    "Für die Deutschen: Wenn man an einen Stadtnamen ein -am anhängt, dann heißt das, ich bin dort. "Man Salzburgam", ich bin in Salzburg. In Österreich gibt es aber auch eine Stadt, die heißt Ried ..."

    Gut, dass Ninous, der Assyrer neben mir sitzt: "Man Riedam", sagt er - und jetzt wird es derb - das heißt ganz prosaisch: Ich hab geschissen.

    Und politisch wird es dann auch noch, zumindest indirekt. Der zweite Gast des Abends ist die Musikerin Maryam Akhondy mit der achtköpfigen Frauenband Banu. Politisch sind nicht ihre Lieder aus verschiedenen Regionen des Iran, politisch ist die Tatsache, dass Maryam Akhondy als Frau solo singt: Denn das ist im Iran verboten.

    Maryam Akhondy singt über eine iranische Frau, die in einen Kraftraum für Männer geht: Spätestens bei diesem Lied ist die Begeisterung unter den Zuschauern ebenso groß wie bei den Witzen des Michael Niavarani.

    Kein Zweifel: Die deutsch-Iranische Comedynacht ist ein Erfolg für den Kölner DIWAN-Verein. Schade ist am Ende nur eines, nämlich dass unter den 1000 Menschen im Publikum so wenige - und das lässt sich kaum politisch korrekt formulieren - deutsch-deutsche Zuschauer sind. Denn so bleibt, bei allem Spaß, auch der Eindruck einer Parallelwelt, in der sich fast nur Deutsch-Iraner treffen. Dem DIWAN-Verein steht also, und darauf darf man sich freuen, noch einiges an Arbeit bevor.
    Der Regisseur und Drehbuchautor Ali Samadi Ahadi
    Der iranische Filmemacher Ali Samadi Ahadi. (picture alliance / dpa)