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Was gute Schule ausmacht

Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann übernimmt die Präsidentschaft in der Kultusministerkonferenz für dieses Jahr. Das Fördersystem in der Schule vom Mittagessen bis zur Hausaufgabenbetreuung hält er für besonders wichtig - es muss aber finanzierbar bleiben.

Bernd Althusmann im Gespräch mit Manfred Götzke | 03.01.2011
    Manfred Götzke: Es rumort und knarzt an den Unis und Schulen in Deutschland. Bis zu 50.000 zusätzliche Studenten könnten 2011 an die Hochschulen strömen, weil die Wehrpflicht wegfällt. Ja, und wie es mit der Bolognareform dieses Jahr weitergeht, das dürfte auch spannend werden, denn viele Unis wünschen sich das gute alte Diplom zurück - jedes Bundesland sucht da seine eigenen Antworten. Kompromisse und gemeinsame Lösungen muss dabei Bernd Althusmann finden, denn der Kultusminister aus Niedersachsen von der CDU ist in diesem Jahr Chef der Kultusministerkonferenz. Herr Althusmann, es ist so viel in Bewegung an den deutschen Schulen und Hochschulen wie lange nicht mehr. Unter Arbeitsmangel dürften Sie nicht leiden, oder?

    Bernd Althusmann: Also das ist eine spannende Aufgabe, ich freue mich darauf, gleich zu Beginn des neuen Jahres sozusagen den Vorsitz, die Präsidentschaft der KMK zu übernehmen, es gibt eine Menge zu tun. Allerdings, eines muss auch klar sein: Bildungspolitik wird nicht neu erfunden werden müssen durch einen Amtswechsel, der ganz routinemäßig jedes Jahr erfolgt, sondern ich denke, man kann auf einer Vielzahl richtiger Weichenstellungen der vergangenen Jahre aufsetzen. Und vielleicht gelingt es mir ja doch, den ein oder anderen eigenen Akzent noch zu setzen.

    Götzke: Welcher eigene Akzent ist Ihnen denn besonders wichtig?

    Althusmann: Also ich glaube, wir müssen bildungspolitisch in Deutschland insbesondere den Bereich der frühkindlichen Bildung noch stärker in den Blick nehmen, gerade auch den Bereich des Übergangs von der Kindertagesstätte in die Grundschule, Stichwort Brückenjahr. Hier werden eine Vielzahl von Problemen letztendlich auch aufgefangen werden können, wenn man zielgerichtet zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung dort investiert. Und das Ganze setzt sich dann natürlich über den Bildungserfolg in den kommenden Jahren an den unterschiedlichen Schularten, Schulformen fort. Und insofern, allen jungen Menschen in Deutschland zu sagen, ihr werdet gebraucht, ihr habt eine echte Chance, wenn ihr euch ein wenig anstrengt und auch im Bildungsbereich zu einem Abschluss kommt: Ich glaube, das ist ein gutes Ziel. Der zweite Bereich wäre der Bereich der Ausbildungsfähigkeit: Es ist letztendlich nicht hinnehmbar, dass eine Vielzahl von jungen Menschen entweder ihre Ausbildung nicht zu Ende führen oder aber frühzeitig dann doch die Ausbildung nicht schaffen. Hier müssen wir die Übergänge zwischen Schule und Ausbildung denke ich stärker in den Blick nehmen und hier das Übergangssystem etwas übersichtlicher gestalten.

    Götzke: Sie haben vorgeschlagen: Ein Sozialpädagoge für jede Schule. Wie soll das bezahlt werden?

    Althusmann: Dass ich vorgeschlagen hätte, einen Sozialpädagogen für jede Schule, das mag so interpretiert worden sein. Ich habe grundsätzlich gesagt, ich halte sozialpädagogische Unterstützung natürlich an allen Formen für wünschenswert. Es muss aber auch finanzierbar bleiben. Also die Länder, die dieses in erster Linie regeln, müssen dies auch finanzieren können, gegebenenfalls auch mit bundespolitischer Unterstützung. Aber das gesamte Betreuungs- und Unterstützungssystem, das Fördersystem um das Kerngeschäft von Schule herum, also den Unterricht, das vernünftig zu organisieren - vom Mittagessen über die Hausaufgabenbetreuung bis hin zu schulischen Unterstützungsangeboten -, das ist glaube ich letztendlich das, was gute Schule ausmacht. Und dabei hat "Der Tagesspiegel" dann in der Überschrift gesagt, für jede Schule einen Sozialpädagogen. Das ist natürlich schwerlich alles auf einmal zu finanzieren, aber langfristig hat die Kultusministerkonferenz auch in ihren verschiedenen Gremienbeschlüssen gesagt, dass die sozialpädagogischen Förderangebote nach Möglichkeit an allen Schulformen ausgeweitet werden müssen. Wir machen das in Niedersachsen; andere Bundesländer haben eigene Schwerpunkte gesetzt.

    Götzke: Blicken wir auf die Situation der Hochschulen: Bis zu 59.000 zusätzliche junge Männer könnten dieses Jahr an die Uni strömen, weil sie nicht zur Armee müssen, Aussetzung der Wehrpflicht. Wie wollen die Länder so schnell genügend Studienplätze für sie bereitstellen?

    Althusmann: Die Entscheidung des Bundes, die Wehrpflicht auszusetzen, stellt tatsächlich die Bundesländer mit Blick auf ihre Studienplatzkapazitäten in unterschiedlicher Art und Weise vor Probleme. Wir gehen im Moment zwischen 34 bis zu 59.000 zusätzlichen Studienanfängern in den Jahren 2011 bis 2015 aus. Grundsätzlich gilt im Rahmen des Hochschulpakts 2020: Wir haben 275.000 Studienanfängerplätze in der zweiten Programmphase, 2011 bis 2015, geschaffen. Ich glaube, diese rund 50 bis knapp 60.000 weitere Studienanfänger werden insgesamt aufgefangen werden können, zumal nicht ganz klar ist, ob sie tatsächlich am Ende sofort alle studieren gehen.

    Götzke: Die Länderetats für Schulen und Hochschulen schrumpfen, der Bund könnte - und er will wohl auch - sehr viel Geld, sehr viel mehr Geld geben. Inwieweit wäre es sinnvoll, wäre es an der Zeit das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern wieder aufzuheben?

    Althusmann: Das Kooperationsverbot im Rahmen der Föderalismusreform, ja das ist ein Punkt, über den man sicherlich noch wird sprechen müssen. Ich hoffe im Moment, dass die Bundeskanzlerin - zumindest ist es mir angekündigt worden, noch vor Übernahme des neuen Amtes im Dezember -, dass es möglicherweise schon im März im Rahmen der nächsten Kultusministerkonferenz zu einem Zusammentreffen mit der Bundeskanzlerin kommen kann. Wir würden dann diese Kultusministerkonferenz auch dazu nutzen, über dieses Kooperationsverbot zu sprechen. Damals hat man diese grundgesetzliche Schranke ganz bewusst eingefügt, um die Länderhoheit, die Bildungshoheit sozusagen auch festzuzurren. Unabhängig davon arbeiten ja Bund und Länder in einer Vielzahl von Bereichen ja heute schon zusammen und eng zusammen, stimmen sich auch ab über Vereinbarungen, über Verträge. Das heißt, dieses Kooperationsverbot, das wir haben, wird durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen ohnehin immer schon, ja nicht aufgehoben ...

    Götzke: ... umgangen ...

    Althusmann: ... umgangen würde ich nicht sagen, aber zumindest hat man Wege und Möglichkeiten gefunden, dass der Bund auch da, wo es sinnvoll ist, auch mit finanzieren kann. Ich glaube, wir brauchen eine Regelung, die in Einzelfällen dann auch Bundeshilfen zulässt. Generell gilt aber zunächst einmal, dass der Bund die Länder überhaupt in die Lage versetzt, ihrem Bildungsauftrag, ihren Bildungsausgaben sozusagen, die notwendig sind, auch nachzukommen. Dazu gehört eigentlich ein höherer Anteil an Mehrwertsteueraufkommen, das ist eine langjährige Forderung der Länder im Rahmen der Bildungsinitiative 2010 oder des Zehn-Prozent-Ziels auch immer gewesen. Ich sehe aber auch die Notwendigkeit in Einzelfällen, dass wir uns gegenseitig unterstützen müssen, da, wo die Länder es alleine nicht mehr finanziert bekommen aufgrund der Finanzierungsschwierigkeiten, die sie natürlich haben.

    Götzke: Ein weiteres großes Thema, das uns auch 2011 definitiv beschäftigen wird, ist die Bolognareform. Im letzten Jahr haben ja mehrere Länder ja da einen kleinen Rückschritt wieder gemacht, indem sie die alten Abschlüsse, die Diplome wieder eingeführt haben in Mecklenburg-Vorpommern. Halten Sie das für einen richtigen Weg?

    Althusmann: Ich glaube, wir sollten nicht versuchen, das System - und da stoßen wir im Übrigen auch auf sehr viel Unverständnis vonseiten der Wirtschaft, ich hatte am 17. Dezember ein Gespräch mit den deutschen Wirtschaftsverbänden, den Spitzenverbänden, die wirklich ihren Unmut darüber geäußert haben, dass jetzt möglicherweise ein sehr unübersichtliches System in Deutschland entstehen könnte, wenn man anfängt, das Bologna-Rad zurückzudrehen. Wir werden uns entweder im März oder im Rahmen einer der späteren Konferenzen im Jahr 2011 sicherlich mit diesem Weg Mecklenburg-Vorpommerns auseinanderzusetzen haben: Warten wir doch bitte die Beratungen ab.