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Gerhard Oppitz, der Weltklassepianist, wird 1953 in Bayern geboren. Seit seinem vierten Lebensjahr kann er mühelos lesen, schreiben und rechnen. Mit fünf wünscht sich der hochbegabte, aber eher schüchterne Junge ein Klavier. "Meine Eltern hatten von jeher ein großes Interesse an Musik und eine Begeisterung dafür. Mein Vater hat Geige gespielt, ein Klavier gab es aber zu Hause nicht", erinnert sich Oppitz. "Es gab kein anderes Instrument, das mich so angezogen hätte, es war einfach das Klavier." Als Gerhard Oppitz elf Jahre alt ist, spielt er erstmals vor Publikum Mozarts D-Moll-Konzert. 1971 wird er nach dem Abitur ordentlicher Student an der Münchner Musikhochschule. 1973 dann macht er die Bekanntschaft von seinem großen Vorbild und Mentor Wilhelm Kempff, der den jungen Ausnahmepianisten einlädt, um mit ihm Beethovens Sonaten und Konzerte einzustudieren. "Das war natürlich immer interessant für mich", so Oppitz, "meine Studienkolleginnen und Kollegen zu treffen, ihre Konzerte anzuhören und hat mir immer wieder Anregungen für mein eigenes Spielen gebracht. Dann war es auch interessant, verschiedenen Lehrerpersönlichkeiten kennen zu lernen." 1977 gewinnt Gerhard Oppitz mit gerade einmal 24 Jahren als erster Deutscher den weltweit renommierten Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv - ein außergewöhnlicher Erfolg, der zum Politikum wird und den Beginn einer fulminanten Karriere markiert. Es folgen regelmäßige Tourneen in Europa, Japan und Amerika sowie erste Schallplattenaufnahmen. 1981 übernimmt er als jüngster Professor in der Geschichte des Instituts eine Meisterklasse an der Münchner Musikhochschule.

    Für Campus & Karriere stellte sich der Starpianist Gerhard Oppitz den Fragen von Studierenden.

    Frage: Kann ein guter Professor eigentlich einen durchschnittlich begabten Studierenden aus seiner Mittelmäßigkeit herausholen?

    Oppitz: Aus der Mittelmäßigkeit herauszukommen scheint mir eher unrealistisch, es muss schon ein sehr hohes Maß an geradezu genialischer Begabung von Anfang an da sein und dann natürlich auch im Laufe der Jahre entsprechend gefördert werden. Die Begabungen allein sind auch noch nicht unbedingt eine Garantie für eine fantastische künstlerische Entwicklung. Es müssen mehrere ungewöhnliche Vorraussetzungen zusammenkommen, damit jemand sich wirklich künstlerisch profilieren kann. Aus einer mittelmäßigen Begabung kann man auch keine Wunder hervorzaubern. Man kann sicher helfen, im Rahmen der Möglichkeiten eines jeden die Sensibilität zu verfeinern, die Einblicke und die Einsichten zu vertiefen, aber die Höhenflüge künstlerischer Art, glaube ich, werden dann doch nur diejenigen schaffen, die schon sehr früh eine besonders ausgeprägte Neigung zu diesen Höhenflügen gezeigt haben.

    Frage: Wie viel sollte man eigentlich täglich üben?

    Oppitz: Jedenfalls halte ich es nicht für gut, jeden Tag viele, viele Stunden am Klavier sitzend zu verbringen, nur zu trainieren, sondern eben auch viel Zeit dafür zu verwenden andere Felder der Musikliteratur gut kennen zu lernen, das heißt eben auch die Opernliteratur, die sinfonische Literatur, Kammermusik, Lieder. Das alles gehört für mich zu einer umfassenden Ausbildung und auch zu einer umfassenden Bildung eines Musikers. Es soll eben kein Fachidiotentum gezüchtet werden, sondern ein möglichst breiter Überblick und ein breit gefächerter Einblick in die vielfältige Welt der Musik gewonnen werden. Und ich glaube zwei oder drei Stunden am Tag mit Konzentration am Klavier zu üben, das sollte eigentlich genügen.

    Frage: Herr Oppitz, für sie als Weltklassepianist mag es vielleicht komisch klingen, aber welche Berufschancen hat man als Pianist?

    Oppitz: Ich versuche meinen Studenten schon möglichst realistisch die Situation und die Perspektiven darzustellen. Sicher wird es nicht jeder von denen, die das Potential dazu haben, auch wirklich schaffen über Jahre und Jahrzehnte hinweg ein Leben als Künstler auf dem Podium zu führen, so wie er oder sie es sich vorstellen. Aber wenn jemand diesen sicher nicht einfachen Weg gehen und einschlagen möchte und genügend an Enthusiasmus für die Musik und für das Klavierspielen mitbringt, dann bin ich gerne bereit, als künstlerischer Berater und als pädagogischer Begleiter diesen Weg mitzugehen und aus meinem Erfahrungsschatz helfend einzugreifen, wo ich glaube, dass es helfen kann. Wenn man es ganz realistisch sehen möchte, dann könnte ich mir vielleicht vorstellen, dass von 1000 jungen aufstrebenden Pianisten es vielleicht im Endeffekt über Jahrzehnte hinweg einer oder eine wirklich schafft, das so zu verwirklichen, wie es ihm oder ihr vorschwebt.

    Frage: Was macht ihrer Meinung nach einen guten Pianisten aus?

    Oppitz: Zunächst einmal eine gewissermaßen mühelose oder mühelos wirkende manuelle Bewältigung des Klavierspielens an sich, also der Technik. Und dann eben ein hohes Maß an musikalischer Intelligenz und an klanglicher Sensibilität für den Umgang mit der großen und wichtigen Literatur. Man muss eben auch wissen, was man mit dem Handwerkszeug anfangen kann. Die Studenten, die in meine Klasse kommen, können fabelhaft Klavier spielen. Und dann fängt das für mich wirklich Interessante an: Hilfestellung, Ideen und Anregungen zu geben für die interpretatorischen Fragen. Das ist es, was mich so an dieser Arbeit fasziniert.