Nicht von ungefähr beschleicht einen bereits vor dem Lesen einer Zeile des vierunddreißigjährigen Heidelberger Weltbürgers das Gefühl, dass hier jemand angestrengt in Fußstapfen zu flanieren versucht, die ihm viel zu groß sind. Der programmatische Titel "Was ich davon halte" erinnert zudem an Nickels Beitrag zu der großmäuligen popliterarischen Plauderrunde "Tristesse Royale", in der er sich mit Benjamin von Stuckrad-Barre, Christian Kracht und anderen Jungliteraten über den bleibenden Wert einer Levis-Jeans oder Lehrer mit 68er Vergangenheit ausbreitete. Dass sich diese possenhafte Selbstinszenierung auch in Nickels Erzählungen fortsetzt, befürchtet man sogar schon bevor man das Buch überhaupt aufgeklappt hat. Christian Kracht, mit dem Nickel das Buch "Ferien für immer" über die "angenehmsten Orte der Welt" geschrieben hat, hat einmal behauptet, dass der Umschlag eines Buches ihm ebenso wichtig sei wie dessen Inhalt. Eigentlich würde er am liebsten nur noch die Cover seiner Bücher gestalten, diese selbst aber gar nicht mehr schreiben. Der erklärte Sportwagenfahrer Eckhart Nickel ist Krachts Bruder im Geiste und präsentiert sich selbstgefällig mit wehenden Haaren vor blauem Himmel auf dem Umschlag seines Büchleins, in dem es zunächst unglaublich stiftert. Dann wird der Geist von Thomas Bernhard beschworen, über den Nickel promoviert hat, und schließlich zitiert er in seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen aus Thomas Manns Tagebüchern. Nickel hat Einiges gelesen. Als Autor hat ihm das jedoch wenig genützt. Seine Sprache ist epigonal bis zur Peinlichkeit, oder sie kommt so bieder und unbedarft daher wie ein erster Versuch in einem Volkshochschulkurs "Kreatives Schreiben":
"Adalbert von Breitenstein saß in seinem Ledersessel im Rauchzimmer neben der Bibliothek und las die Tageszeitung. Für diesen Nachmittag hatte sich Enkel Guido mit seinem Freund Joschi angekündigt. Der graue Himmel vor dem Fenster deutete auf den aus Italien über die Alpen schwenkenden Störungsausläufer in der russischen Antizyklone hin, die seit Tagen die Luft kalt und schneeschwanger hielt. "März, März, es ist schon März und immer noch diese Kälte", murmelte Breitenstein vor sich hin, zog kurz an seiner Zigarre, nahm einen Schluck Madeirawein und sah auf die Uhr. Es war halb vier."
Nein, das ist keineswegs ironisch gemeint. "Irony is over", sang Jarvis Cocker von der britischen Band Pulp, dessen Wort für jeden Popliteraten Gesetz ist. Eckhart Nickel ist da keine Ausnahme. Auch für ihn ist Ironie nur ein Indiz für die kulturelle Verwahrlosung, die er auf seinen Reisen überall vorfindet. Was hält also Eckhart Nickel von der Welt? Sie ist wie sie ist, mal schön und bedeutungsvoll, mal banal und abgeschmackt - so ungefähr der erhellende Grundtenor des mitteilsamen Weltbürgers. Gesellschaftskritik ist ein Relikt der 68er und damit selbstverständlich ebenfalls over. Affirmation statt Rebellion. Autistische Reflexionen statt Anteilnahme. Jeder ist sich selbst der nächste. So flaniert Nickel durch die Welt und kreist um sein Ego. Wirklich "fatal" ist für ihn vor allem, keine Zeit für ein gebügeltes Hemd zu haben, von Handwerkern bei der hochwichtigen Literatentätigkeit belästigt zu werden oder auf seinen Reisen "Trash-Produkte" wie ein "Bac Deo sensitive" benutzen zu müssen, weil er den eigenen Kulturbeutel vergessen hat. Davor graut's also dem Weltbürger. Und was gefällt ihm? In den erkennbar fiktionalen Erzählungen des Bandes geht es vor allem um Gräfinnen, Adlige und Großindustrielle. Die Storys sind unwichtig und so gewollt konstruiert, dass es manchmal weh tut. Da entdecken zwei bundesdeutsche Wohlstandserben, dass ihr verstorbener Großvater, "der große Chemiker", im Jahre 1912 den Wirkstoff von Ecstasy entdeckt hat. Nickel ist kein Erzähler, aber er liebt das Extraordinäre und Exklusive. Also beschreibt er es im Stile seiner bereits erwähnten Vorbilder. Sein Weltbild wird vor allem von einem Kriterium bestimmt: das Angenehme, das entsteht, wenn Design und Bewusstsein im Einklang sind. Das ist Glück!
"An solchen Tagen möchte man einfach nur immer weiter unterwegs sein, in der vertrackten Spätmoderne eines österreichischen Speisewagens, der sich in seinen zwei Farben, Dunkelblau und Dunkelbraun, nicht dem Auge aufdrängt, aber den Blick auf die vorbeirasende Rheinebene freigibt, hinter beige-silbernen Kugellampen und sandfarbenen Vorhängen, in solch einer kastenförmigen Anordnung der architektonischen Elemente muss man sich einfach wohlfühlen."