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Was ich sage, was ich fühle

"Languages of Emotion" ist eines der 37 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Exzellenzcluster. An der Freien Universität Berlin versuchen Geistes, Sozial- und Naturwissenschaftler, den Zusammenhang zwischen Sprache und Emotion genauer zu erforschen.

Von Isabell Fannrich | 21.01.2010
    "Ich rede eigentlich selten von Gefühlen sondern eher so von Zuständen. Aber ihnen dann so ganz bestimmte Namen zu geben wie Wut oder Zärtlichkeit oder Zorn - solche Begriffe benutze ich eigentlich nicht. Das ist eher wie so ein Mosaik von Gefühlen, das beim Tanzen kreiert wird. Wenn das so eindimensional ist, dann finde ich das für meine Arbeit meistens nicht so spannend","

    erzählt Sasha Waltz bei einem Theaterprojekt von Künstlern und Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin. Die Berliner Choreografin beschäftigt sich mit der Frage, wie vielschichtig, schnell und wechselnd Emotionen beim Tanz zum Ausdruck gebracht werden können.

    Die Forscher des Exzellenzclusters "Languages of Emotion" untersuchen, wie Gefühle die Kunst und die Sprache, die soziale Kompetenz sowie die kulturellen Codes beeinflussen - und umgekehrt. Diese Wechselwirkung zwischen Sprache und Emotion haben die Sprachforscher auf der einen und die Psychologen auf der anderen Seite lange Zeit vernachlässigt, lautet ihre Kritik.

    Kern des Exzellenzclusters "Languages of Emotion" ist ein multidisziplinärer Ansatz, der versucht, die Brücke zu bauen zwischen Forschung und realer Welt, zwischen komplexer Geisteswissenschaft und empirischer Sozial- und Naturwissenschaft. Rund 200 Experten aus 20 Disziplinen arbeiten in den unterschiedlichsten Projekten. Etwa dem, wie Menschen Sprache und zugleich emotionale Signale lernen, wie Sprache und Gesten sich in Gefühlen verdichten können oder was die emotionale Kompetenz stört. Katja Liebal geht der Frage nach, was uns Menschen hierbei vom Tier unterscheidet:

    ""Ich bin meistens die Frau, die mit den Affen arbeitet. Das ist eine sehr interessante Position. Zum einen sind wir hier die einzige Gruppe von vor allem Biologinnen, die an diesem Thema arbeiten. Es ist insofern spannend, als dass wir eines der wenigen Projekte sind, die sich mit der Frage beschäftigt: Wie funktioniert der Ausdruck von Emotionen, eben wenn es kein Sprachsystem gibt, sondern wenn ich eben nur meine Gestik, Mimik und so weiter zur Verfügung habe, um mich auszudrücken."

    Liebal besetzt eine der wissenschaftlichen Nischen im Exzellenzcluster. Die Professorin für Evolutionäre Psychologie hat sich bislang auf die Gestik bei Menschenaffen spezialisiert. In Zoos oder in indonesischen Auffangstationen konnte sie die Tiere dabei beobachten, wie sie durch Bewegungen der Hände miteinander "sprechen". Winfried Menninghaus, Linguist und Sprecher des Exzellenzclusters, zur Rolle der Affen in der auf den Menschen bezogenen Clusterforschung:

    "Das ist natürlich ein sehr kleines Segment bei uns. Aber wer immer versucht, menschliche Sprache zu verstehen, menschliche Gebärdensprache, sieht sich natürlich darauf verwiesen, dass wir sie nicht erfunden haben. Und die Primaten, also die nichtmenschlichen Primaten, haben ja doch eine relativ entwickelte Gebärdensprache. Die ist auch durchaus längere Zeit untersucht, aber auch da nicht primär mit Rücksicht auf ihre emotionscodierenden Fähigkeiten."

    Die emotionalen Ausdrucksformen von Affen hat Katja Liebal in den Fokus ihrer Arbeit gerückt. Dass Menschenaffen Basisemotionen wie Freude, Angst oder Wut empfinden, davon ist Liebal überzeugt - auch wenn der Beweis dafür kaum zu erbringen ist:

    "Die Frage nach Emotionen bei Affen ist insofern schwer, als wir die Affen einfach nicht fragen können, was sie in dem Moment fühlen. Wir können eben immer nur über bestimmtes Verhalten Rückschlüsse ziehen. Ob es eben zum Beispiel, wenn wir einen bestimmten Gesichtsausdruck sehen, der Freude ausdrückt, ob eben dann die zugrunde liegende Emotion eben wirklich auch Freude ist, können wir nur über dieses Verhalten und den Vergleich mit den Menschen diesen Rückschluss ziehen. Was gefährlich ist oder sein kann, weil eben eine Ähnlichkeit in der Form nicht automatisch eine Ähnlichkeit in der Funktion bedeuten muss."

    Unklar ist, ob und inwiefern die Menschenaffen "soziale Emotionen" erleben wie Mitgefühl, Neid oder Eifersucht. Handelt es sich dabei doch um viel komplexere Gefühle, die die Schimpansen, Orang-Utans und Gibbons nicht zwangsläufig durch ihre Körpersprache ausdrücken. Deshalb sind sie für den Forscher schwer zu erkennen.

    Dennoch glaubt Katja Liebal, dass Affen zumindest in Ansätzen sozial empfinden, fühlen und handeln können. Die meisten, vor allem Menschenaffen, leben in sozial sehr komplexen Gruppen. Hier kommt es wie bei den Menschen zu Konflikten.

    "Was man zum Vergleich Menschen - Menschenaffen sagen kann, ist, dass Grenzen, die man zunächst definiert hat und gesagt hat, das unterscheidet den Menschen vom Affen, dass die zunehmend schwammiger werden. Also das ist ganz oft keine Schwarz-Weiß-Geschichte, sondern: Affen sind wahrscheinlich auch in der Lage, sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Aber, dass sich das zum Beispiel nicht wie beim Menschen äußert, dass spontan geholfen wird, dass man sich gegenseitig unterstützt, sondern dass das vielleicht erst im späteren Verlauf passiert, dass sozusagen sich die Tiere innerhalb der Gruppe unterstützen."

    Im Cluster eröffnen sich die Wissenschaftler gegenseitig neue Denkansätze, aber auch mögliche Kooperationen. So untersuchen etwa Biologen wie Liebal gemeinsam mit Rhetorikern, wie die Gefühle eines Forschers seine Ergebnisse beeinflussen. Linguisten messen mit Sozialwissenschaftlern, wie sich die Hirnströme von Zuhörern verändern, wenn US-Präsident Obama redet - oder wenn Gedichtstrophen sinnentleert und auf ihren Rhythmus reduziert werden. Winfried Menninghaus:

    "Durch den langen Vorlauf und die Vorstudien, glaube ich, können wir sagen, dass wir es geschafft haben, in vielen Bereichen Phänomene untersuchbar zu machen, die bisher so nicht oder gar nicht untersucht worden sind. Und dass wir den Punkt erreicht haben, wo die Vorergebnisse zeigen, dass wir valides Untersuchungsmaterial generiert haben. Das ist sehr viel in diesem Bereich."

    Die Affenexpertin Katja Liebal kooperiert auch mit einer Forschergruppe, die sich mit Gesicht und Mimik beim Menschen beschäftigt. Erst dann ließe sich der direkte Vergleich wagen zwischen dem Ausdrucksverhalten beider Arten, meint sie.

    "Ich muss sozusagen immer wieder betonen, dass es wirklich wichtig ist, weil man erst, wenn man den Schritt zurück von der eigenen Art geht, besser beschreiben kann, was wirklich einzigartig ist, was besonders ist am Menschen und aber auch, was uns mit anderen Arten verbindet. Und dass es eben nicht so ist, dass wir sozusagen die Krone der Schöpfung sind, sondern dass man sich einfach dessen bewusster wird, dass wir viel mehr Eigenschaften mit anderen Arten teilen, als wir oft denken."

    Doch haben die Wissenschafter selbst eine gemeinsame Sprache entwickeln können? So können Psychologen mehr als 100 verschiedene Emotionsbegriffe aufzählen. Um Definitionen zu ringen oder sich auf Methoden zu einigen, sei anstrengend und koste Zeit, erzählt Menninghaus. Die Vorurteile zwischen den Disziplinen hält er für massiv. Am Ende hilft, egal ob bei den Affen, in der Kunst oder Wissenschaft, nur eines weiter: Sprache und Emotionen regulieren das Gruppenleben. Winfried Menninghaus und Sasha Waltz:

    "Es gibt nicht vorneweg einen gemeinsamen Nenner. Aber das Gute ist, dass die Dinge, die wir als Rhetoriker oder Literaturwissenschaftler adressieren können mit unseren Begriffen, zu einem großen Teil gar nicht im Visier der anderen Disziplinen sind. Das heißt, die haben nicht bereits eine andere Sprache dafür, sondern sie haben gar keine. Was sie jetzt machen müssen, ist eben für Phänomene, die sie so nie bedacht haben, ihren Apparat funktional zu machen. Und dabei treten wir sozusagen in Interaktion und beraten das wechselseitig."

    "Es gibt ja diesen Begriff Cluster. Also die ganze Gruppe muss wissen, wo es hingeht. Und die Gruppe hat eben auch diese Kraft, etwas zu überhöhen, auch eine Emotion zu verstärken. Ich glaube gerade, in so großen Gruppenstücken passiert es auch, dass dieses Gefühl so wie multipliziert wird."