Kate Maleike: Von Ihnen, Herr Löwer, werden wir in den nächsten Tagen und Monaten öfter hören. Denn jeden letzten Freitag im Monat dreht sich eine Sendung rund ums Recht an der Hochschule. Man kann wohl sagen, dass hier viele vor allem wohl bei der Frage, ob Studiengebühren denn rechtens sind, hellhörig werden, natürlich besonders die Studierenden. Bleiben wir beim konkreten Fall in Nordrhein-Westfalen. Hier hat die Landesregierung Ende Januar entschieden, es wird ein Studienkontenmodell eingeführt. Ab 2007 sollen 650 Euro pro Überziehungssemester gezahlt werden. Ab 2004 wird aber schon eine pauschale Regelabbuchung erfolgen, ebenfalls pro Semester und pro Nase. Ob das so einfach geht oder nicht habe sich die Landesasten nun begutachten lassen durch den Münsteraner Fachanwalt für Verwaltungsrecht Wilhelm Achelpöhler. Er kommt zu folgendem Schluss:
Ergebnis dieses Gutachtens ist, dass ich im Hinblick auf die bereits immatrikulierten Studenten, die am Ende ihres Studiums stehen, Bedenken habe, ob hier die Einführung von Studienkonten verfassungsmäßig ist, denn das kann das Rückwirkungsverbot verletzen. Die Studierenden haben ja unter der Geltung des bisherigen Hochschulrechts in NRW studiert und als Besonderheit sagt das Hochschulgesetz hier, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei ist. Hier meine ich, dass das ein Vertrauenstatbestand ist: Der Staat hat mit diesem Satz die Tore der Hochschule aufgemacht und gesagt, ihr könnt euch darauf verlassen, euch darauf einrichten. In solchen Fällen - das hat das Bundessozialgericht in einer anderen Entscheidung ausgeführt -, in denen der Staat Motivationen bei den Bürgern schafft und auf ihr Verhalten einwirkt, ist er nicht frei, die Regelungen jederzeit zu ändern, sondern muss den Vertrauensschutz der Betroffenen berücksichtigen. Ich meine, dass man hier mit der Übergangszeit in NRW von weniger als einem Jahr den Vertrauensschutz verletzt hat. Herr Löwer, die haben das Gutachten ebenfalls gelesen, kommen sie zum selben Ergebnis?
Wolfgang Löwer: Herr Achelpöhler hat ja vorsichtig gesagt, er habe Bedenken. Bedenken wird man ohne weiteres haben können, die Frage ist, wie wird das ein Richter sehen. Und da ist immerhin in Erwägung zu ziehen, dass das Bundesverwaltungsgericht am Baden-Württembergischen Modell eine Übergangsfrist von drei Semestern für hinreichend lang gehalten hat. Zur Übergangsfrist Nordrhein-Westfalens hat es sich natürlich nicht geäußert. Diese Übergangsfrist ist kürzer, ob sie zu kurz ist, werden letztverbindlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben. Ich halte von der Argumentation, das sei jetzt der Eintritt in ein gebührenpflichtiges Studium im Ansatz nichts. Denn es wird nicht jeder herangezogen, sondern nur der, der das System sehr lange in Anspruch genommen hat, nämlich mehr als das anderthalbfache der Regelstudienzeit. Das ist nicht eine Studiengebühr sondern eine lenkende Gebühr, mit der einzelne Studenten, die den Absprung ins Examen oder aus der Universität nicht finden, wenn man es sehr freundlich ausdrückt, eine Motivationshilfe erhalten, diesen Absprung zu finden. Ich nehme deshalb an, dass grundsätzlich diese Übergangsfrist lang genug sein könnte, nicht ohne Bedenken, aber ich meine insbesondere, wenn ein Student jetzt von diesem Modell erfährt, sich in dieser Frist zum Examen meldet und die Beendigung seines Studiums einleitet, kann er nicht, wenn sein Examen noch in die gebührenpflichtige Phase hineinreicht, ohne weiteres auf Studiengebühren in Anspruch genommen werden. Wenn von sich aus er tut, was das Gesetz will, ihm jetzt noch eine Gebühr aufzuerlegen, klingt das fast nach Strafgebühr, und das wäre eher problematisch. Wenn der Lenkungszweck - Beendigung des Studiums - in diesem Zeitraum ohne Gebühr erreicht wird, sollte nicht ein letztes überschießendes Semester noch kostenpflichtig werden.
Maleike: Erwarten Sie denn eine Klagewelle?
Löwer: Ja, selbstverständlich. Es werden die Landesasten so machen, wie sonst die IG Metall im Arbeitsrecht vorgeht: zu allen Gerichten, die greifbar sind, hingehen und gucken, was aus der pluralen Richterschaft als Echo kommen kann. Das ist völlig klar.
Maleike: Ähnlich wie beim Finanzamt, wo man vielleicht einen Vorbehaltsvermerk machen könnte, wäre das zum Beispiel eine Vorgehensweise, die Sie den Studierenden raten würden?
Löwer: Widerspruch einzulegen würde ich ihnen selbstverständlich raten. Der hat nur keine aufschiebende Wirkung und die Universitäten wären gut beraten, um diese ganze Papiermenge nicht bewältigen zu müssen, das zu tun, was Sie gerade erwähnen, was die Finanzbehörden ja auch tun: einen Vorläufigkeits-Vorbehalt beizufügen, der die ganzen Rechtsmittel erspart. Dann brauchen nur wenige Musterprozesse an einzelnen Gerichten geführt zu werden.
Maleike: Studiengebühren zahlen oder nicht - das ist auch eine Frage, die sich Ursula Pollmeier zurzeit zusammen mit ihrer Tochter stellt. Sie hat uns eine E-Mail geschickt und schreibt, ihre Tochter habe sechs Semester vergleichende Deutsch-Niederlande-Studien studiert, dies aber abgebrochen. Jetzt studierte sie im 5. Semester Ur- und Frühgeschichte. Das Regelstudium in diesem Fach beträgt zehn Semester. Muss sie also jetzt in Nordrhein-Westfalen Studiengebühren bezahlen, und wenn ja, ab wann?
Löwer: Da sprechen Sie eine der, wie ich finde, rechtpolitisch unglücklichen Lösungen des Gesetzes an. Es wird einem eine 'Irrtumsphase' von gerade einmal zwei Semestern zugebilligt. Nach zwei Semestern muss man erkannt haben, ob der Studiengang für den Betroffenen selbst richtig gewählt ist. Ich glaube nicht, dass das in allen Fällen eine sachgerechte Überlegungsfrist ist. Ich hätte das nach zwei Semestern nämlich nicht gewusst, ob das für mich das Richtige ist. Ich finde diese Regelung rechtspolitisch offen gestanden brutal.
Maleike: Herr Löwe, als Professor und Wissenschaftsrechtler an der Uni Bonn müssen Sie wahrscheinlich auch selbst oft nachprüfen, ob wissenschaftliche Arbeiten Plagiate sind. Das hat in der letzten Zeit durch das Internet sicher zugenommen, oder?
Löwer: Das wissen wir natürlich nicht. Gepfuscht worden ist immer. Gepfuscht worden ist immer in hoher Intensität. Das Material, das man zum Pfuschen benutzen kann, ist möglicherweise gewachsen, und die Kontrolle ist nicht einfacher geworden. Wir müssen überlegen, ob wir Kontrollverfahren einführen können, die die internetverfügbaren Informationen auch für uns so verfügbar machen, dass man mit Textabgleichen eventuell solche vorhandenen Similes durchnudelt, um zu gucken, ob es da Täuschungen gibt. Das Phänomen ist aber natürlich überhaupt nicht neu.
Maleike: Ich frage das deshalb, weil uns ein Student nämlich eine Mail geschrieben hat. Darin hat er Textpassagen aus seiner Diplomarbeit und aus der eines Kommilitonen aufgeführt. Und das Besondere daran ist, dass sich in diesen Passagen - so wie er schreibt - einige Sätze ähneln oder einige Sätze sogar dieselben sind, ohne jetzt hier ins Detail gehen zu können, denn wir machen hier keine Rechtsberatung, das muss man noch einmal deutlich sagen. Vielleicht mal generell gefragt: Was darf ich denn für meine Diplomarbeit aus anderen Arbeiten gefahrenfrei nehmen? Und wie muss ich da vorgehen, damit man mir den Verdacht des Plagiats nicht anheftet?
Löwer: Richtig gefahrenfrei ist Ehrlichkeit. Das heißt: Wenn ich eine fremde Meinung adoptiere, dann muss ich die Fremdheit, die Adoption kenntlich machen. Das ist für Wissenschaftler eine schiere Selbstverständlichkeit. Und das bezieht sich nicht nur auf Originalitäten, das bezieht sich auch auf Routineteile: Wenn ich sie übernehme, dann muss ich die Übernahme deutlich machen.
Maleike: Das heißt, ich muss richtig zitieren, und ich muss das ins Verzeichnis aufnehmen?
Löwer: Ja. Auch Diplomarbeiten anderer Diplomanden, die früher geschrieben worden sind, sind wissenschaftliche Arbeiten. Wenn ich sie benutze, dann muss ich sie ins Literaturverzeichnis aufnehmen und die verwendeten Gedanken dann auch kenntlich machen als solche aus der Diplomarbeit XY. Dann kann überhaupt nichts passieren.
Maleike: Ein immer wieder interessantes Thema ist die Notengebung, gerade jetzt vielleicht in der Prüfungszeit. Davon können Sie als Professor sicherlich auch ein Liedchen singen. Constanze Berchen fragt in ihrer Mail auch für ihre Kommilitoninnen mit, ob es denn für die Bekanntgabe von Noten irgendeine übergeordnete Regelung gibt. Sie habe gehört, dass eine Prüfung Wochen und Monate nach Erbringen der Leistung als bestanden gilt, wenn nichts Gegensätzliches verkündet wird. Stimmt das, und wenn ja: Wo steht's geschrieben?
Löwer: Das, was unsere Hörerin fragt, deutet darauf hin, dass es irgendwo eine Regel gibt, nach der eine Note durch eine Fiktion eintreten kann: Dass etwas als bestanden gilt und nicht bestanden ist, weil die Leistung erbracht ist, sondern als bestanden gilt. Fiktionen sind natürlich im Bewertungsrecht nicht zulässig. So einen Satz halte ich für schlicht rechtswidrig.
Maleike: Gibt es denn eine Frist, die eingehalten werden muss? Man kennt das ja von früher von der Schule auch: Es gibt Lehrer, die haben die Arbeit sofort am nächsten Tag dabei und andere, die brauchen Wochen dafür. Wie sieht das bei den Professoren aus?
Löwer: Es gibt zum Teil explizite Fristen in Promotionsordnungen. Das ist aber auch ein sehr schwieriges Thema. Aber das sind auch keine berufseröffnenden Prüfungen, und da wird auch nicht mehr über den Fortgang im Studium entschieden. Bei den universitären Prüfungen ansonsten ist es doch völlig selbstverständlich, dass die Leistungen spätestens zu dem Zeitpunkt korrigiert sein müssen, wo sie Relevanz für den weiteren Studienfortgang haben. Also über eine Semestergrenze hinaus kann es ja gar nicht unbenotet bleiben. Zu Beginn des nächsten Semesters brauche ich den Leistungsnachweis...
Maleike: ...zum Beispiel auch für Stipendien oder Auslandssemester...
Löwer: ...ja, selbstverständlich, für viele Entscheidungen. Von daher müssen Prüfungsleistungen zeitnah korrigiert werden, spätestens bis der Nachweiszweck wieder eingreift.
Hörerfragen
Guten Tag, mein Name ist Herrman-Josef Scheidgen. Ich bin Privatdozent an der Universität Bonn, und mich würde einmal interessieren, ob es eine Interessenvertretung für Privatdozenten gibt oder ein Mitbestimmungsgremium für solche Personen, die eben nicht m Hochschulbereich angestellt sind? Für die Studierenden gibt es ja di Fachschaft, für den Mittelbau den Personalrat und für die Professorenschaft im Grunde genommen die Fakultätsräte. Ich danke für Ihre mögliche Antwort.
Löwer: Der Privatdozent ist korporationsrechtlich Mitglied der Fakultät. Wenn also der Fakultätsrat als Vertretung begriffen wird, dann vertritt er auch den Privatdozenten. Ob es eine spezifische Interessenvertretung gibt: Von Rechts wegen gibt es sie nicht. Es gibt Verbandsvertretungen: der Hochschulverband als der für Hochschulelehrer zuständige Interessenverband nimmt sich selbstverständlich auch der Privatdozenten und der Juniorprofessoren an, wenn Beratungsbedarf ist. Aber eine vergleichbare Interessenvertretung, wie sie der Personalrat darstellt, gibt es nicht. Insbesondere greift gar nichts mehr ein, wenn die Dienstverhältnisse beendet sind. Aber das ist nicht das, was unser Hörer braucht.
Maleike Ebenfalls um den Bereich Personal an de Uni dreht sich die Frage von Thomas Jahnke von der Uni Potsdam. Er möchte wissen, ob Zusagen bei einer Berufung über finanzielle Mittel oder Stellen von der Hochschulleitung nicht mehr eingehalten werden dürfen, zum Beispiel mit Verweis auf knappe Kassen.
Löwer: Im Grundsätzlichen: Berufungsvereinbarungen sind Verträge oder bindende Zusagen. Wenn sie einen Zusatz enthalten, dass sie nach Maßgabe der Haushaltslage erteilt werden, dann ist die Bindungskraft von vorneherein geschwächt. Ich vermute fast, dass die Brandenburgischen Berufungszusagen solche Klauseln enthalten. Wenn Sie solche Klauseln nicht enthalten, hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass es dann Vertrag ist und dass dann grundsätzlich gilt, dass Verträge auch zu halten sind. Es sein denn, es lägen außerordentliche Notsituationen vor, die die Bindung vernachlässigt. Das ist aber keine Erlaubnis in den Berufungszusagen ohne Verteilungsgerechtigkeit herumzufuhrwerken.
Maleike Volker Müller von der Fachschaft Architektur an der RWTH Aachen klagt über einen häufig sehr rüden Ton von Seiten der Professoren und Assistenten an die Adresse der Studierenden. Er fragt, ob es eine energische Rechtsbelehrung gebe, mit der man auf Bemerkungen wie "Wo hast du denn Abitur gemacht?" kontern könnte?
Löwer: Was kann ich zu schlechtem Benehmen und der rechtlichem Bewältigung von schlechtem Benehmen sagen. Schlechtes Benehmen heißt so, weil es schlecht ist. Beschweren kann man sich darüber beim Dekan. Dir wirklich greifende Instanz ist die Öffentlichkeit. Wenn solche Verhaltensweisen tatsächlich zu beobachten sind, dann meine ich, sei eine Fachschaft doch durchaus in der Lage, das in einer Weise vorzutragen, dass es beim Kritisierten auch so ankommt, dass er nachdenkt, ob er sein Verhalten nicht vielleicht ändern sollte.
Campus & Karriere sammelt auch weiterhin Fragen und Anregungen von Hörerinnen und Hörern. Jeden letzten Freitag im Monat widmet sich die Sendung dem "Uni-Recht".
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Ergebnis dieses Gutachtens ist, dass ich im Hinblick auf die bereits immatrikulierten Studenten, die am Ende ihres Studiums stehen, Bedenken habe, ob hier die Einführung von Studienkonten verfassungsmäßig ist, denn das kann das Rückwirkungsverbot verletzen. Die Studierenden haben ja unter der Geltung des bisherigen Hochschulrechts in NRW studiert und als Besonderheit sagt das Hochschulgesetz hier, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei ist. Hier meine ich, dass das ein Vertrauenstatbestand ist: Der Staat hat mit diesem Satz die Tore der Hochschule aufgemacht und gesagt, ihr könnt euch darauf verlassen, euch darauf einrichten. In solchen Fällen - das hat das Bundessozialgericht in einer anderen Entscheidung ausgeführt -, in denen der Staat Motivationen bei den Bürgern schafft und auf ihr Verhalten einwirkt, ist er nicht frei, die Regelungen jederzeit zu ändern, sondern muss den Vertrauensschutz der Betroffenen berücksichtigen. Ich meine, dass man hier mit der Übergangszeit in NRW von weniger als einem Jahr den Vertrauensschutz verletzt hat. Herr Löwer, die haben das Gutachten ebenfalls gelesen, kommen sie zum selben Ergebnis?
Wolfgang Löwer: Herr Achelpöhler hat ja vorsichtig gesagt, er habe Bedenken. Bedenken wird man ohne weiteres haben können, die Frage ist, wie wird das ein Richter sehen. Und da ist immerhin in Erwägung zu ziehen, dass das Bundesverwaltungsgericht am Baden-Württembergischen Modell eine Übergangsfrist von drei Semestern für hinreichend lang gehalten hat. Zur Übergangsfrist Nordrhein-Westfalens hat es sich natürlich nicht geäußert. Diese Übergangsfrist ist kürzer, ob sie zu kurz ist, werden letztverbindlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben. Ich halte von der Argumentation, das sei jetzt der Eintritt in ein gebührenpflichtiges Studium im Ansatz nichts. Denn es wird nicht jeder herangezogen, sondern nur der, der das System sehr lange in Anspruch genommen hat, nämlich mehr als das anderthalbfache der Regelstudienzeit. Das ist nicht eine Studiengebühr sondern eine lenkende Gebühr, mit der einzelne Studenten, die den Absprung ins Examen oder aus der Universität nicht finden, wenn man es sehr freundlich ausdrückt, eine Motivationshilfe erhalten, diesen Absprung zu finden. Ich nehme deshalb an, dass grundsätzlich diese Übergangsfrist lang genug sein könnte, nicht ohne Bedenken, aber ich meine insbesondere, wenn ein Student jetzt von diesem Modell erfährt, sich in dieser Frist zum Examen meldet und die Beendigung seines Studiums einleitet, kann er nicht, wenn sein Examen noch in die gebührenpflichtige Phase hineinreicht, ohne weiteres auf Studiengebühren in Anspruch genommen werden. Wenn von sich aus er tut, was das Gesetz will, ihm jetzt noch eine Gebühr aufzuerlegen, klingt das fast nach Strafgebühr, und das wäre eher problematisch. Wenn der Lenkungszweck - Beendigung des Studiums - in diesem Zeitraum ohne Gebühr erreicht wird, sollte nicht ein letztes überschießendes Semester noch kostenpflichtig werden.
Maleike: Erwarten Sie denn eine Klagewelle?
Löwer: Ja, selbstverständlich. Es werden die Landesasten so machen, wie sonst die IG Metall im Arbeitsrecht vorgeht: zu allen Gerichten, die greifbar sind, hingehen und gucken, was aus der pluralen Richterschaft als Echo kommen kann. Das ist völlig klar.
Maleike: Ähnlich wie beim Finanzamt, wo man vielleicht einen Vorbehaltsvermerk machen könnte, wäre das zum Beispiel eine Vorgehensweise, die Sie den Studierenden raten würden?
Löwer: Widerspruch einzulegen würde ich ihnen selbstverständlich raten. Der hat nur keine aufschiebende Wirkung und die Universitäten wären gut beraten, um diese ganze Papiermenge nicht bewältigen zu müssen, das zu tun, was Sie gerade erwähnen, was die Finanzbehörden ja auch tun: einen Vorläufigkeits-Vorbehalt beizufügen, der die ganzen Rechtsmittel erspart. Dann brauchen nur wenige Musterprozesse an einzelnen Gerichten geführt zu werden.
Maleike: Studiengebühren zahlen oder nicht - das ist auch eine Frage, die sich Ursula Pollmeier zurzeit zusammen mit ihrer Tochter stellt. Sie hat uns eine E-Mail geschickt und schreibt, ihre Tochter habe sechs Semester vergleichende Deutsch-Niederlande-Studien studiert, dies aber abgebrochen. Jetzt studierte sie im 5. Semester Ur- und Frühgeschichte. Das Regelstudium in diesem Fach beträgt zehn Semester. Muss sie also jetzt in Nordrhein-Westfalen Studiengebühren bezahlen, und wenn ja, ab wann?
Löwer: Da sprechen Sie eine der, wie ich finde, rechtpolitisch unglücklichen Lösungen des Gesetzes an. Es wird einem eine 'Irrtumsphase' von gerade einmal zwei Semestern zugebilligt. Nach zwei Semestern muss man erkannt haben, ob der Studiengang für den Betroffenen selbst richtig gewählt ist. Ich glaube nicht, dass das in allen Fällen eine sachgerechte Überlegungsfrist ist. Ich hätte das nach zwei Semestern nämlich nicht gewusst, ob das für mich das Richtige ist. Ich finde diese Regelung rechtspolitisch offen gestanden brutal.
Maleike: Herr Löwe, als Professor und Wissenschaftsrechtler an der Uni Bonn müssen Sie wahrscheinlich auch selbst oft nachprüfen, ob wissenschaftliche Arbeiten Plagiate sind. Das hat in der letzten Zeit durch das Internet sicher zugenommen, oder?
Löwer: Das wissen wir natürlich nicht. Gepfuscht worden ist immer. Gepfuscht worden ist immer in hoher Intensität. Das Material, das man zum Pfuschen benutzen kann, ist möglicherweise gewachsen, und die Kontrolle ist nicht einfacher geworden. Wir müssen überlegen, ob wir Kontrollverfahren einführen können, die die internetverfügbaren Informationen auch für uns so verfügbar machen, dass man mit Textabgleichen eventuell solche vorhandenen Similes durchnudelt, um zu gucken, ob es da Täuschungen gibt. Das Phänomen ist aber natürlich überhaupt nicht neu.
Maleike: Ich frage das deshalb, weil uns ein Student nämlich eine Mail geschrieben hat. Darin hat er Textpassagen aus seiner Diplomarbeit und aus der eines Kommilitonen aufgeführt. Und das Besondere daran ist, dass sich in diesen Passagen - so wie er schreibt - einige Sätze ähneln oder einige Sätze sogar dieselben sind, ohne jetzt hier ins Detail gehen zu können, denn wir machen hier keine Rechtsberatung, das muss man noch einmal deutlich sagen. Vielleicht mal generell gefragt: Was darf ich denn für meine Diplomarbeit aus anderen Arbeiten gefahrenfrei nehmen? Und wie muss ich da vorgehen, damit man mir den Verdacht des Plagiats nicht anheftet?
Löwer: Richtig gefahrenfrei ist Ehrlichkeit. Das heißt: Wenn ich eine fremde Meinung adoptiere, dann muss ich die Fremdheit, die Adoption kenntlich machen. Das ist für Wissenschaftler eine schiere Selbstverständlichkeit. Und das bezieht sich nicht nur auf Originalitäten, das bezieht sich auch auf Routineteile: Wenn ich sie übernehme, dann muss ich die Übernahme deutlich machen.
Maleike: Das heißt, ich muss richtig zitieren, und ich muss das ins Verzeichnis aufnehmen?
Löwer: Ja. Auch Diplomarbeiten anderer Diplomanden, die früher geschrieben worden sind, sind wissenschaftliche Arbeiten. Wenn ich sie benutze, dann muss ich sie ins Literaturverzeichnis aufnehmen und die verwendeten Gedanken dann auch kenntlich machen als solche aus der Diplomarbeit XY. Dann kann überhaupt nichts passieren.
Maleike: Ein immer wieder interessantes Thema ist die Notengebung, gerade jetzt vielleicht in der Prüfungszeit. Davon können Sie als Professor sicherlich auch ein Liedchen singen. Constanze Berchen fragt in ihrer Mail auch für ihre Kommilitoninnen mit, ob es denn für die Bekanntgabe von Noten irgendeine übergeordnete Regelung gibt. Sie habe gehört, dass eine Prüfung Wochen und Monate nach Erbringen der Leistung als bestanden gilt, wenn nichts Gegensätzliches verkündet wird. Stimmt das, und wenn ja: Wo steht's geschrieben?
Löwer: Das, was unsere Hörerin fragt, deutet darauf hin, dass es irgendwo eine Regel gibt, nach der eine Note durch eine Fiktion eintreten kann: Dass etwas als bestanden gilt und nicht bestanden ist, weil die Leistung erbracht ist, sondern als bestanden gilt. Fiktionen sind natürlich im Bewertungsrecht nicht zulässig. So einen Satz halte ich für schlicht rechtswidrig.
Maleike: Gibt es denn eine Frist, die eingehalten werden muss? Man kennt das ja von früher von der Schule auch: Es gibt Lehrer, die haben die Arbeit sofort am nächsten Tag dabei und andere, die brauchen Wochen dafür. Wie sieht das bei den Professoren aus?
Löwer: Es gibt zum Teil explizite Fristen in Promotionsordnungen. Das ist aber auch ein sehr schwieriges Thema. Aber das sind auch keine berufseröffnenden Prüfungen, und da wird auch nicht mehr über den Fortgang im Studium entschieden. Bei den universitären Prüfungen ansonsten ist es doch völlig selbstverständlich, dass die Leistungen spätestens zu dem Zeitpunkt korrigiert sein müssen, wo sie Relevanz für den weiteren Studienfortgang haben. Also über eine Semestergrenze hinaus kann es ja gar nicht unbenotet bleiben. Zu Beginn des nächsten Semesters brauche ich den Leistungsnachweis...
Maleike: ...zum Beispiel auch für Stipendien oder Auslandssemester...
Löwer: ...ja, selbstverständlich, für viele Entscheidungen. Von daher müssen Prüfungsleistungen zeitnah korrigiert werden, spätestens bis der Nachweiszweck wieder eingreift.
Hörerfragen
Guten Tag, mein Name ist Herrman-Josef Scheidgen. Ich bin Privatdozent an der Universität Bonn, und mich würde einmal interessieren, ob es eine Interessenvertretung für Privatdozenten gibt oder ein Mitbestimmungsgremium für solche Personen, die eben nicht m Hochschulbereich angestellt sind? Für die Studierenden gibt es ja di Fachschaft, für den Mittelbau den Personalrat und für die Professorenschaft im Grunde genommen die Fakultätsräte. Ich danke für Ihre mögliche Antwort.
Löwer: Der Privatdozent ist korporationsrechtlich Mitglied der Fakultät. Wenn also der Fakultätsrat als Vertretung begriffen wird, dann vertritt er auch den Privatdozenten. Ob es eine spezifische Interessenvertretung gibt: Von Rechts wegen gibt es sie nicht. Es gibt Verbandsvertretungen: der Hochschulverband als der für Hochschulelehrer zuständige Interessenverband nimmt sich selbstverständlich auch der Privatdozenten und der Juniorprofessoren an, wenn Beratungsbedarf ist. Aber eine vergleichbare Interessenvertretung, wie sie der Personalrat darstellt, gibt es nicht. Insbesondere greift gar nichts mehr ein, wenn die Dienstverhältnisse beendet sind. Aber das ist nicht das, was unser Hörer braucht.
Maleike Ebenfalls um den Bereich Personal an de Uni dreht sich die Frage von Thomas Jahnke von der Uni Potsdam. Er möchte wissen, ob Zusagen bei einer Berufung über finanzielle Mittel oder Stellen von der Hochschulleitung nicht mehr eingehalten werden dürfen, zum Beispiel mit Verweis auf knappe Kassen.
Löwer: Im Grundsätzlichen: Berufungsvereinbarungen sind Verträge oder bindende Zusagen. Wenn sie einen Zusatz enthalten, dass sie nach Maßgabe der Haushaltslage erteilt werden, dann ist die Bindungskraft von vorneherein geschwächt. Ich vermute fast, dass die Brandenburgischen Berufungszusagen solche Klauseln enthalten. Wenn Sie solche Klauseln nicht enthalten, hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass es dann Vertrag ist und dass dann grundsätzlich gilt, dass Verträge auch zu halten sind. Es sein denn, es lägen außerordentliche Notsituationen vor, die die Bindung vernachlässigt. Das ist aber keine Erlaubnis in den Berufungszusagen ohne Verteilungsgerechtigkeit herumzufuhrwerken.
Maleike Volker Müller von der Fachschaft Architektur an der RWTH Aachen klagt über einen häufig sehr rüden Ton von Seiten der Professoren und Assistenten an die Adresse der Studierenden. Er fragt, ob es eine energische Rechtsbelehrung gebe, mit der man auf Bemerkungen wie "Wo hast du denn Abitur gemacht?" kontern könnte?
Löwer: Was kann ich zu schlechtem Benehmen und der rechtlichem Bewältigung von schlechtem Benehmen sagen. Schlechtes Benehmen heißt so, weil es schlecht ist. Beschweren kann man sich darüber beim Dekan. Dir wirklich greifende Instanz ist die Öffentlichkeit. Wenn solche Verhaltensweisen tatsächlich zu beobachten sind, dann meine ich, sei eine Fachschaft doch durchaus in der Lage, das in einer Weise vorzutragen, dass es beim Kritisierten auch so ankommt, dass er nachdenkt, ob er sein Verhalten nicht vielleicht ändern sollte.
Campus & Karriere sammelt auch weiterhin Fragen und Anregungen von Hörerinnen und Hörern. Jeden letzten Freitag im Monat widmet sich die Sendung dem "Uni-Recht".
Kontakt
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