Gerald Livingston: Ich glaube die Situation würde natürlich für die USA allmählich sehr gefährlich. Das heißt: Bush ist von einer konfusen Politik abgerückt und hat Sharon wenn auch nicht die Leviten gelesen, dann ihn zumindest stark gewarnt. Das ist auch eine Neuigkeit: Er hat zum ersten Mal von der Besetzung gesprochen. Im Grunde genommen glaube ich: Die Gefahr einer Ausbreitung des Krieges war schon da.
Karnath: Warum denn diese Wende zu diesem Zeitpunkt?
Livingston: Der Druck aus den arabischen Ländern und auch der Druck aus Europa, wenn Sie so wollen, ist einfach zu groß geworden. Die Kritik an der Außenpolitik von Bush im Nahen Osten ist auch hier im Lande angeschwollen.
Karnath: Aber diese dramatische Situation im Nahen Osten dauert ja nun schon eine Woche.
Livingston: Ja, Bush hatte natürlich in den ersten Tagen dieser Woche die alte Politik des Desinteresses. Sie müssen verstehen, die Bush-Regierung ist an die Macht gekommen mit einem Gedanken: Sie wollte sich was den Nahen Osten angeht von der Clinton-Regierung und den häufigen Interventionen der Clinton-Regierung unterscheiden. Von diese Politik ist er nun endlich abgerückt.
Karnath: Jetzt wird Powell ins Krisengebiet geschickt, morgen soll er dort ankommen. Ist das ein Hinweis, dass die liberaleren Köpfe rund um Bush wieder mehr Einfluss bekommen?
Livingston: Das ist nicht klar. Also in diesem Moment gibt es einen Kampf in der Regierung zwischen dem State Department, dem Außenministerium, und Powell und dem Pentagon. Etwas dürfen Sie aber nicht vergessen: Dass in den Reihen der republikanischen Partei die Unterstützung für Israel sehr stark ist.
Karnath: Warum trifft Powell Arafat nicht?
Livingston: Das ist noch nicht klar. Als ich ihn heute Nachmittag hörte, sagte er, seine Reisepläne stünden noch nicht fest. Er schloss eine Zusammenkunft mit Arafat nicht aus. Ich glaube nicht, dass mit einem Erfolg seiner Mission zu rechnen ist, wenn er Arafat nicht trifft.
Karnath: Das ist die Nachrichtenlage im Moment bei uns, dass er Arafat nicht treffen wird.
Livingston: Das kann ich nicht glauben, das wird sich an Ort und Stelle herausstellen müssen.
Karnath: Was denken Sie, was soll Powell ausrichten? Was kann er anders machen als Zinni, der ja nun schon sehr lange verhandelt vor Ort?
Livingston: Es liegt natürlich ein Plan vor. Ziele sind natürlich da, die sind im Mitchell-Plan enthalten und auch in dem Plan von dem amerikanischen Nachrichtenchef. Bush will Scharon, der sich bisher geweigert hat, diese zwei Pläne durchzuführen, jetzt glaube ich festnageln.
Karnath: Aber wie kann er das hinkriegen? Womit kann er Scharon drohen, um ihn festzunageln, wenn Zinni das bis jetzt nicht geschafft hat?
Livingston: Ich glaube natürlich, die Unterstützung der USA für Israel ist wirtschaftlich und politisch unerlässlich. Der braucht gar nicht zu drohen. Er braucht nur auf die Situation hinzuweisen. Ein Entzug der Wirtschaftshilfe, daran ist hier natürlich nicht zu denken, aber die Machtmittel in den Händen von Colin Powell sind hier schon gegeben.
Karnath: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe: An ernsthafte Sanktionen, die Israel wirklich treffen würden, wirtschaftlich und finanziell, ist aber weiterhin nicht zu denken.
Livingston: Nein, das ist innenpolitisch natürlich unmöglich. Aber auf der anderen Seite weiß Scharon, dass er ohne die Unterstützung der USA in diesem Teil der Welt umzingelt von feindlichen arabischen Staaten seine Politik nicht verfolgen kann. Und eine enge Zusammenarbeit zwischen Israel und den USA ist natürlich eine zweiseitige Zusammenarbeit.
Karnath: Was denken Sie, Herr Livingston, wird die Mission von Powell Erfolg haben? Wird er Scharon an die Kandare kriegen?
Livingston: Es ist natürlich zu früh, daran zu denken und das zu wissen, weil er noch gar nicht abgefahren ist. Aber ich glaube auch Scharon mit seiner persönlichen Feindschaft gegen Arafat und mit seiner Bulldozer-Taktik kann nur so viel erreichen bis die Israelis ihre Hauptziele erreicht haben. Das heißt, wenn sie einige der mutmaßlichen Terroristenführer entdeckt und meinetwegen umgelegt haben, dass Scharon sich dann denkt: Ja jetzt können wir uns eventuell ja zurückziehen.
Karnath: Eine Schlussfrage noch, Herr Livingston. Sie sagen eben schon: Die Linie von Bushs Nahostpolitik ist hauptsächlich die Linie gewesen, sich von Clintons Linie abzusetzen. Ist das die einzige? Gibt es so was wie eigene Absichten Bushs, was den Nahen Osten angeht?
Livingston: Natürlich. Das Ziel bleibt nach wie vor Irak und der Terrorismus. Die Priorität Nr. 1 in der Außenpolitik Bushs seit dem 11. September des vergangenen Jahres ist, den Terrorismus zu bekämpfen. Und um die notwendige Unterstützung für diese Terrorbekämpfung seitens der moderaten arabischen Staaten zu erhalten, muss er unbedingt in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern intervenieren. Das ist die Haupterklärung, warum er das jetzt tut.
Karnath: Das heißt also, es gibt keine Politik, die speziell auf Israel ausgerichtet ist, sondern nur sozusagen als Funktion für die Antiterror-Politik.
Livingston: Das ist natürlich Priorität, das Anti-Terror-Vorgehen. Natürlich weiß er, dass innenpolitisch und auch außenpolitisch das Bündnis mit Israel nach wie vor sehr sehr wichtig bleibt. Im Rahmen dieses Bündnisses gibt es schon Einflussmöglichkeiten, die Powell ausüben kann.
Karnath: Gerald Livingston war das, Politologe am Deutschen Historischen Institut in Washington. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
Karnath: Warum denn diese Wende zu diesem Zeitpunkt?
Livingston: Der Druck aus den arabischen Ländern und auch der Druck aus Europa, wenn Sie so wollen, ist einfach zu groß geworden. Die Kritik an der Außenpolitik von Bush im Nahen Osten ist auch hier im Lande angeschwollen.
Karnath: Aber diese dramatische Situation im Nahen Osten dauert ja nun schon eine Woche.
Livingston: Ja, Bush hatte natürlich in den ersten Tagen dieser Woche die alte Politik des Desinteresses. Sie müssen verstehen, die Bush-Regierung ist an die Macht gekommen mit einem Gedanken: Sie wollte sich was den Nahen Osten angeht von der Clinton-Regierung und den häufigen Interventionen der Clinton-Regierung unterscheiden. Von diese Politik ist er nun endlich abgerückt.
Karnath: Jetzt wird Powell ins Krisengebiet geschickt, morgen soll er dort ankommen. Ist das ein Hinweis, dass die liberaleren Köpfe rund um Bush wieder mehr Einfluss bekommen?
Livingston: Das ist nicht klar. Also in diesem Moment gibt es einen Kampf in der Regierung zwischen dem State Department, dem Außenministerium, und Powell und dem Pentagon. Etwas dürfen Sie aber nicht vergessen: Dass in den Reihen der republikanischen Partei die Unterstützung für Israel sehr stark ist.
Karnath: Warum trifft Powell Arafat nicht?
Livingston: Das ist noch nicht klar. Als ich ihn heute Nachmittag hörte, sagte er, seine Reisepläne stünden noch nicht fest. Er schloss eine Zusammenkunft mit Arafat nicht aus. Ich glaube nicht, dass mit einem Erfolg seiner Mission zu rechnen ist, wenn er Arafat nicht trifft.
Karnath: Das ist die Nachrichtenlage im Moment bei uns, dass er Arafat nicht treffen wird.
Livingston: Das kann ich nicht glauben, das wird sich an Ort und Stelle herausstellen müssen.
Karnath: Was denken Sie, was soll Powell ausrichten? Was kann er anders machen als Zinni, der ja nun schon sehr lange verhandelt vor Ort?
Livingston: Es liegt natürlich ein Plan vor. Ziele sind natürlich da, die sind im Mitchell-Plan enthalten und auch in dem Plan von dem amerikanischen Nachrichtenchef. Bush will Scharon, der sich bisher geweigert hat, diese zwei Pläne durchzuführen, jetzt glaube ich festnageln.
Karnath: Aber wie kann er das hinkriegen? Womit kann er Scharon drohen, um ihn festzunageln, wenn Zinni das bis jetzt nicht geschafft hat?
Livingston: Ich glaube natürlich, die Unterstützung der USA für Israel ist wirtschaftlich und politisch unerlässlich. Der braucht gar nicht zu drohen. Er braucht nur auf die Situation hinzuweisen. Ein Entzug der Wirtschaftshilfe, daran ist hier natürlich nicht zu denken, aber die Machtmittel in den Händen von Colin Powell sind hier schon gegeben.
Karnath: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe: An ernsthafte Sanktionen, die Israel wirklich treffen würden, wirtschaftlich und finanziell, ist aber weiterhin nicht zu denken.
Livingston: Nein, das ist innenpolitisch natürlich unmöglich. Aber auf der anderen Seite weiß Scharon, dass er ohne die Unterstützung der USA in diesem Teil der Welt umzingelt von feindlichen arabischen Staaten seine Politik nicht verfolgen kann. Und eine enge Zusammenarbeit zwischen Israel und den USA ist natürlich eine zweiseitige Zusammenarbeit.
Karnath: Was denken Sie, Herr Livingston, wird die Mission von Powell Erfolg haben? Wird er Scharon an die Kandare kriegen?
Livingston: Es ist natürlich zu früh, daran zu denken und das zu wissen, weil er noch gar nicht abgefahren ist. Aber ich glaube auch Scharon mit seiner persönlichen Feindschaft gegen Arafat und mit seiner Bulldozer-Taktik kann nur so viel erreichen bis die Israelis ihre Hauptziele erreicht haben. Das heißt, wenn sie einige der mutmaßlichen Terroristenführer entdeckt und meinetwegen umgelegt haben, dass Scharon sich dann denkt: Ja jetzt können wir uns eventuell ja zurückziehen.
Karnath: Eine Schlussfrage noch, Herr Livingston. Sie sagen eben schon: Die Linie von Bushs Nahostpolitik ist hauptsächlich die Linie gewesen, sich von Clintons Linie abzusetzen. Ist das die einzige? Gibt es so was wie eigene Absichten Bushs, was den Nahen Osten angeht?
Livingston: Natürlich. Das Ziel bleibt nach wie vor Irak und der Terrorismus. Die Priorität Nr. 1 in der Außenpolitik Bushs seit dem 11. September des vergangenen Jahres ist, den Terrorismus zu bekämpfen. Und um die notwendige Unterstützung für diese Terrorbekämpfung seitens der moderaten arabischen Staaten zu erhalten, muss er unbedingt in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern intervenieren. Das ist die Haupterklärung, warum er das jetzt tut.
Karnath: Das heißt also, es gibt keine Politik, die speziell auf Israel ausgerichtet ist, sondern nur sozusagen als Funktion für die Antiterror-Politik.
Livingston: Das ist natürlich Priorität, das Anti-Terror-Vorgehen. Natürlich weiß er, dass innenpolitisch und auch außenpolitisch das Bündnis mit Israel nach wie vor sehr sehr wichtig bleibt. Im Rahmen dieses Bündnisses gibt es schon Einflussmöglichkeiten, die Powell ausüben kann.
Karnath: Gerald Livingston war das, Politologe am Deutschen Historischen Institut in Washington. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
