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Was nicht passt, wird passend gemacht

Medizin. – An der Universitätsklinik Freiburg ist zum ersten Mal in Deutschland eine Niere verpflanzt worden, ohne dass Spender und Empfänger dieselbe Blutgruppe hatten. Der 62-jährige Empfänger ist bereits seit zehn Tagen wieder zu Hause und leidet nicht unter ungewöhnlichen Abstoßungsreaktionen. Das Verfahren wird bereits seit einiger Zeit in Japan und den USA praktiziert. Der Deutschlandfunk sprach mit dem leitenden Mediziner, Professor Günter Kirste vom Transplantationszentrum Freiburg. Die Fragen stellte Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Professor Kirste, wie geht es dem Patienten?

    Kirste: Der Patient ist am 1. April transplantiert worden. Es geht ihm hervorragend, er ist schon seit zehn Tagen Zuhause und in bester Funktion.

    Krauter: Inwieweit können Sie den jetzt schon mit Sicherheit sagen, dass diese neue Form der Verpflanzung ein Erfolg war?

    Kirste: Ich glaube, das können wir schon sagen, weil das Risiko dieser neuen Form der Transplantation in den ersten 14 Tagen besteht. Dann kann es zu Reaktionen gegen das körperfremde Organ kommen. Wenn diese Zeit vorbei ist, dürfte das Problem gelöst sein. Zumindest sagt das die Erfahrung der Amerikaner und Japaner, die das schon seit geraumer Zeit anwenden.

    Krauter: Braucht denn der Patient jetzt mehr Immunsuppressiva als andere Transplantationspatienten?

    Kirste: Nein, überhaupt nicht. Er braucht genau die gleichen Immunsuppressiva wie jeder andere Transplantationspatienten auch. Der einzige Unterschied ist die Vorbehandlung: wir müssen bei dem Empfänger die vorhandenen Antikörper gegen die fremde Blutgruppe auswaschen. Und das erfolgt mit einer speziellen Dialyse, das nennt man wissenschaftlich Immunadsorption, das ist eine besondere Form der Dialyse, bei der diese Eiweiß-Bestandteile des Blutes herausgewaschen werden.

    Krauter: Wie läuft das konkret ab?

    Kirste: Das läuft konkret so ab, dass im Rahmen der Dialyse, die der Patient ja ohnehin braucht, ein zusätzlicher Filter in dieses Dialyse-Gerät eingebaut wird, der dann die Eiweißbausteine adsorbiert.

    Krauter: Das Immunsystem des Empfängers wird also auf diesem Auge blind gemacht?

    Kirste: Das ist nicht ganz korrekt. Es werden durch dieses Verfahren lediglich die zirkulierenden Antikörper herausgewaschen. Das heißt aber nicht, dass das System blind ist, sondern nur dass die im Moment vorhandenen Antikörper herausgewaschen werden. Um das System dann ganz blind zumachen, erhält der Patient drei oder vier Tage vor der Transplantation einen Antikörper, ein Medikament, das die B-Zellen blockiert, die für die Immunantwort zuständig sind. Dieser spezielle Antikörper ist aus der Therapie von bestimmten Bluterkrankungen seit etwa zwei oder drei Jahren bekannt.

    Krauter: Für welchen Fall der Nierentransplantation kommt denn dieses Verfahren in Betracht?

    Kirste: Das Verfahren ist anwendbar bei allen Fällen, bei denen bei Spender und Empfänger die Blutgruppe nicht stimmt. Nach wie vor bleibt die Basis der Transplantation jedoch die postmortale Transplantation. Aber, Sie wissen, dass in Deutschland die Wartezeit für das Organ von einem Verstorbenen derzeit bei sechs Jahren liegt. Das ist eine schrecklich lange Zeit für viele Wartelisten-Patienten, und deshalb sucht man nach Auswegen zu einer Lebendspende. Die Bereitschaft zu einer Lebendspende steigt. Für viele ist aber dann die Hürde, dass die Blutgruppe nicht passt, und dieses Problem glauben wir mit dem neuen Verfahren gelöst zu haben.

    Krauter: Wie unterschiedlich dürfen die Blutgruppe denn sein?

    Kirste: Komplett. Man kann mit diesem Verfahren - zumindest in das die Erfahrungen, die wir auch bei unseren Besuch in Amerika gewonnen haben. Man kann von A auf B, von B auf A, von A auf 0.

    Krauter: Lassen sich denn dadurch die langen Wartelisten verkürzen?

    Kirste: Das glaube ich nicht. Der entscheidende Punkt ist die Förderung der postmortalen Organspende. Das bleibt das wesentliche Ziel, das wir haben. Aber es gibt eben Menschen, die einen bereitwilligen Lebendspender haben, und für die ist das eine Möglichkeit.

    Krauter: Wer war das im Fall dieses Patienten?

    Kirste: Das war die Ehefrau.