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"Was nützt ein Theater, wenn niemand mehr auf der Bühne steht"

Der Generalintendant des Bonners Schauspiels, Klaus Weise, hält die Ausweitung der Einsparungen bei Oper und Theater für untragbar. Das finanzielle Defizit der Stadt sei nicht durch die Kultur verantwortet. Man sei in der Vergangenheit sparwillig und sparfähig gewesen, die zusätzlichen Kürzungen von 3,5 Millionen Euro seien nicht mehr einzusparen.

Klaus Weise im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Hört man den Namen der rheinischen Kleinstadt Bonn, dann denkt man an Adenauer und dann an Beethoven, den großen Sohn der Stadt, die ihm ein Beethoven-Haus widmet, eine Beethovenhalle, die aber vielleicht abgerissen werden soll, damit ein neues Festspielhaus entstehen kann, um die Welt für Beethoven-Festspiele anzulocken, was aber doch alles zu teuer und darum auf Eis gelegt worden ist. Dem Erbe Ludwig van Beethovens fühlt man sich jedenfalls verpflichtet, so kann man auf www.bonn.de nachlesen, und dass Bonns Tradition als Theaterstadt bis weit in die Zeit der Kurfürsten zurückreicht. Geld dafür will man aber offensichtlich immer weniger ausgeben. Die Stadt steht kurz vor dem Nothaushalt. Der Kulturetat soll gedeckelt werden, was sechs Prozent Kürzung bedeutet; Bibliotheken, Kunstmuseum, Beethoven Orchester wird es treffen. Die Hauptlast sollen Oper und Theater mit 3,5 Millionen Euro weniger im Jahresetat tragen. 70 Schauspieler, Sänger und Maskenbildner müssten abgebaut werden, 40 Prozent weniger Vorstellungen würde es geben. Die Parole des SPD-Bürgermeisters Jürgen Nimptsch: Kräfte bündeln ohne Qualitätsverlust. - Generalintendant Klaus Weise habe ich gefragt: Werden die angekündigten Kürzungen wirklich kommen?

    Klaus Weise: Ich hoffe, dass sie nicht kommen werden, weil man muss wissen, dass wir ab 2010 30 Prozent unseres Etats und 30 Prozent an Personal weniger haben im Vergleich zu heute. Das sind 14 Millionen, 15 Millionen und über 200 Mitarbeiter. Und wenn jetzt 2013 noch mal 3,5 Millionen gespart werden sollen, dann fehlt uns dieses Geld und vor allem das Personal im rein künstlerischen Bereich.

    Schmitz: Aber, Herr Weise, die Tatsache, dass gespart werden muss, ist klar. Sogar der Kulturausschuss der Stadt hat diese Sparvorgabe ja akzeptiert und heute will der Finanzausschuss dies auch tun. Das heißt, im Juli, wenn der Stadtrat entscheidet, wird es wohl so kommen. Dann können Sie große Wünsche haben, aber die Tatsache ist, dass es auf Sie zukommt, oder nicht?

    Weise: Ich hoffe das nicht, weil man muss wissen, dass wir nicht nur sparwillig waren in der Vergangenheit, sondern auch sparfähig, und das finanzielle Defizit der Stadt ist nicht durch die Kultur verantwortet. Hätte ich nie gespart in der Vergangenheit, würde ich das Argument verstehen, und mich überrascht es in der Tat, dass ein Kulturausschuss auch einverstanden ist, mit 3,5 Millionen Euro weiterhin zu sparen ab 2013. Das überrascht mich. Ich hätte mir natürlich erwartet, dass da vehement gekämpft wird für den Erhalt und dass man gesagt hätte, ihr habt gespart und jetzt muss mal Schluss sein, wenn wir eine gewisse Form von Theater und vor allem Qualität erhalten möchten.

    Schmitz: Die Bürger haben in Umfragen, in Meinungsbefragungen schon dafür plädiert, dass der Kulturetat nicht verkleinert wird. Sie haben protestiert, es wurde protestiert. Aber dennoch scheint der Kulturausschuss, scheint die Stadt diese Sparvorgaben durchziehen zu wollen. Was können Sie noch tun jetzt in diesen wenigen Tagen, die noch bleiben?

    Weise: Also der Finanzausschuss hat sich vertagt auf den 30. Juni. Das lässt uns hoffen. Und ich hatte vor zwei Tagen einen Auftritt in der Kulturkommission, gemeinsam mit dem Personalrat des Theaters, und da haben wir nachgewiesen, dass diese 3,5 Millionen nicht einzusparen sind, weil sie sollen nur gespart werden beim kündbaren Personal, und das ist das künstlerische Personal. Und was nützt ein Theater, wenn niemand mehr auf der Bühne steht, oder nur noch die halbe Mannschaftsstärke, wenn nur noch der halbe Chor mit vielleicht 18 Personen singen kann. Das entspricht nicht dem, was an Kultur passieren muss.

    Schmitz: Herr Weise, was läuft in der Bundesstadt Bonn falsch, wenn solche Entscheidungen bis kurz vor Schluss noch aufrecht erhalten werden?

    Weise: Es gibt einen neuen Kulturdezernenten, und der will und ist beauftragt, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Kulturkonzept für die Stadt Bonn zu erstellen. Das ist richtig und gut, aber bevor dieses Konzept nicht da ist, darf man nicht einsparen, weil dann gibt es kein Konzept mehr, sondern die Entscheidungen sind durch undurchdachte Einsparungen vorweggenommen antizipiert, und das macht keinen Sinn. Man muss erst mal sagen, was möchte man, und dann kann man fragen, kann man das finanzieren. Aber man kann nicht sagen, jetzt müssen wir sparen und dann gucken wir mal, was wir mit der Kultur wollen. Das, finde ich, geht nicht.

    Man muss ja nun auch sagen, dass offensichtlich die Stadt Bonn mit dem Finanzdilemma nicht alleine dasteht. Es scheint ja so zu sein, dass immer mehr Lasten im Sozialbereich vom Bund auf die Länder, von Ländern auf die Kommunen umgewälzt werden, und das schaffen die Kommunen nicht mehr. Also da muss man vermutlich an der Gesetzgebung auch was ändern und man darf nicht die Kulturinstitutionen, die über Jahrhunderte gewachsen sind, permanent zur Ader lassen, weil dann gibt es sie nicht mehr und was weg ist, wird es auch nicht mehr geben, das wird dann nicht mehr aufgebaut.

    Schmitz: Wenn Sie nun über Bonn hinausdenken, was Sie gerade ja schon getan haben, glauben Sie, dass die Bonner Etatkürzung, wenn sie denn kommt, auch ein negatives Signal in die von Ihnen gerade skizzierte Richtung sein wird, was kommunale Kulturpolitik angeht?

    Weise: Ja, das befürchte ich. Also wir kennen die Situation in Hagen, in Wuppertal, in Oberhausen, um nur mal in NRW das zu benennen. Wir kennen aber auch die glücklichere Situation in Bayern und Baden-Württemberg, wo drei Spartenhäuser wie Karlsruhe/Mannheim mit einem Etat von 50 Millionen ausgestattet sind. Da teilen sich nämlich das Land und die Kommune die Finanzierung ihrer Häuser, und das ist ein Modell, das wir politisch auch in NRW versuchen müssen durchzusetzen. Das geht nicht über permanente Selbstkasteiung nach innen, sondern da muss man offensiv werden und da muss man mit dem Bund reden und mit dem Land reden, vor allem in NRW, wie da Lasten umzuverteilen sein werden. Das Land steckt selber in einer Finanzmisere und hat sich daraus verabschiedet. Trotzdem muss man diese Forderung, glaube ich, aufrecht erhalten.