"Sie legen bereits seit Jahren die Karten und haben viel Erfahrung in ihrer Deutung? Sie möchten anderen mit Ihrer Fähigkeit helfen und das nicht nur in Ihrem näheren Umfeld?" Dann nichts wie ran an den Speck. Man muss heutzutage nicht in ungeheizten Jahrmarktzelten sitzen und für 20 Euro kichernden Zufallspassanten das Blaue vom Himmel erzählen. Für ernsthafte Kartenexperten gibt es jetzt saubere Fernsehstudios, ein Telefon und massenhaft Leute, die nicht nur anrufen, weil sie sich einen Jux machen wollen, sondern gläubig in der teuren Leitung hängen. Bei einer so genannten Mehrwertnummer wird schon in der Warteschleife gezahlt.
Das einzige Mittel gegen Aberglauben ist die Wissenschaft, hat ein englischer Historiker des 19. Jahrhunderts, Henry Thomas Buckle gesagt. Ein zeittypischer Irrtum. Der Sinn fürs Übersinnliche in seiner leichtest fasslichen Form hat sich gerade unter dem mainstream der neuzeitlichen Rationalität mächtig entfaltet und in jeder Epoche modische Blüten hervorgebracht. Geistheilung, Channeling, Reiki, Tarot, indische Gurus, Magie für den Hausgebrauch – was heute in esoterischen Buchhandlungen, Kursen und Foren an so genanntem Geheimwissen paradoxerweise breitgetratscht wird, ist alles schon mal dagewesen.
Was noch nicht da war, bevor es Privatfernsehen gab, ist Wahrsagen im Privatfernsehen. Also Astrologie, Kartenlegen oder Geisterbeschwörung vor laufender Kamera. An Unterhaltungswert ist damit das andere televisionäre Orakel, der tägliche Börsenbericht vor den Abendnachrichten, weit übertroffen, auch wenn das Aufgebot der Spökenkieker mit Sex Appeal nicht unbedingt trumpfen kann. Aber dafür kennt Barbara, alle Namen sind geändert, seit 20 Jahren Lisa, ein Wesen aus der anderen Welt, und ist bereit, Kontakt mit ihr herzustellen – Anruf genügt. Oder vertrauen Sie sich Helene an, Spezialistin für Zigeunerkarten. Sonja, telemediale Beraterin, ist hellsichtig und hellfühlig und kann Ihnen helfen, Ihre Probleme zu lösen. Die Probleme sind zu geschätzt 98 Prozent die gleichen: "die Partnerschaft" "die Finanzen" "der Beruf".
Hat Helene eine sagen wir: Kerstin in der Leitung, stehen die Chancen gut, dass Kerstin nach dem Partner fragt. Zügig werden die Karten ausgelegt, jede Sekunde zählt, "Kerstin, Du bischt in ner Partnerschaft?" Nein, sagt Kerstin. "Eben" frohlockt Helene, denn genau das sieht sie in den Karten, und sie sieht auch einen Partner für Kerstin kommen: Ich hab hier den Glücksbuben liegen, Kerstin, und Kerstin will noch schnell wissen, wann der kommt, denn dies ist eine Blitzrunde, Kurze Frage, kurze Antwort, in spätestens drei Monaten, Kerstin, und ich schick Dir ganz viel Energie von hier aus, Tschöhö!
Kartenlegen ist eine Kunst, deren perfekte Beherrschung auch dem Skeptiker Bewunderung abnötigt. Bernd ruft an, auch er wegen der Liebe. Der Blick in die Karten zeigt: "Du bist sehr eifersüchtig, Bernd?" Nein, sagt Bernd, eher umgekehrt. Die Freundin ist eifersüchtig. In so einem Fall zögert die Kartenlegerin keine Sekunde mit der Antwort: "Ja. Ich hab die Eifersuchtskarte hier." Irene ruft an, sie möchte wissen, wie es mit dem Job steht. Die Karten werden gelegt. "Du arbeitest, Irene?" "Nein". "Genau! Das hab ich hier auch liegen" Man sieht: Irrtümer beim Kartenlegen sind praktisch ausgeschlossen.
Folglich hatte die Anruferin, die kürzlich ein Kartenleger-Duo hereinlegte, keine Chance. Auf ihre Frage nach ihrem Ehemann und ihrer Gesundheit hatte das Duo gewissenhaft geantwortet: Ihre Gesundheit sei prima, und bei dem Ehemann sehe man zwar eine andere Frau, aber damit habe es nichts auf sich. Die Anruferin erklärte daraufhin, dass sie krebskrank und ihr Mann seit zehn Jahren tot sei. Das erschütterte die Gemeinde in den Wahrsage-Chatrooms nur ganz kurz. Schließlich ließ sich zumindest die Sache mit dem Ehemann leicht erklären: Weiß man denn, was im Jenseits los ist? Man sieht: wo so bedingungslos geglaubt wird, prallen plumpe Entlarvungsversuche kläglich ab.
Zum Jahreswechsel ist Hoch-Zeit bei Astro TV oder primetime. Normale Sender zeigen Rückblicke auf das vergangene Jahr – Astrologen und Kartenleger sagen, wie das kommende wird, für Kerstin, Bernd oder Irene. Es wird gut. Es wird überhaupt immer alles gut. Wer einen Fernseh-Wahrsager anruft, zahlt zwar ein paar Euro mehr fürs "Einwählen" – aber für diese Investition kriegt er auch was geboten. Am Ende jeder Beratung steht der gute Ausgang, "Ich hab hier den guten Ausgang liegen", ein Partner ist in Sicht und der Job wartet auch schon – ja, Daniela, es dauert allerhöchstens ein paar Monate, also spätestens im März.
Anders als die Personal Service Agentur kann die Kartenlegerin Daniela richtig Mut machen. Wenigstens bis März. Danach kann sie ja wieder anrufen.
Das einzige Mittel gegen Aberglauben ist die Wissenschaft, hat ein englischer Historiker des 19. Jahrhunderts, Henry Thomas Buckle gesagt. Ein zeittypischer Irrtum. Der Sinn fürs Übersinnliche in seiner leichtest fasslichen Form hat sich gerade unter dem mainstream der neuzeitlichen Rationalität mächtig entfaltet und in jeder Epoche modische Blüten hervorgebracht. Geistheilung, Channeling, Reiki, Tarot, indische Gurus, Magie für den Hausgebrauch – was heute in esoterischen Buchhandlungen, Kursen und Foren an so genanntem Geheimwissen paradoxerweise breitgetratscht wird, ist alles schon mal dagewesen.
Was noch nicht da war, bevor es Privatfernsehen gab, ist Wahrsagen im Privatfernsehen. Also Astrologie, Kartenlegen oder Geisterbeschwörung vor laufender Kamera. An Unterhaltungswert ist damit das andere televisionäre Orakel, der tägliche Börsenbericht vor den Abendnachrichten, weit übertroffen, auch wenn das Aufgebot der Spökenkieker mit Sex Appeal nicht unbedingt trumpfen kann. Aber dafür kennt Barbara, alle Namen sind geändert, seit 20 Jahren Lisa, ein Wesen aus der anderen Welt, und ist bereit, Kontakt mit ihr herzustellen – Anruf genügt. Oder vertrauen Sie sich Helene an, Spezialistin für Zigeunerkarten. Sonja, telemediale Beraterin, ist hellsichtig und hellfühlig und kann Ihnen helfen, Ihre Probleme zu lösen. Die Probleme sind zu geschätzt 98 Prozent die gleichen: "die Partnerschaft" "die Finanzen" "der Beruf".
Hat Helene eine sagen wir: Kerstin in der Leitung, stehen die Chancen gut, dass Kerstin nach dem Partner fragt. Zügig werden die Karten ausgelegt, jede Sekunde zählt, "Kerstin, Du bischt in ner Partnerschaft?" Nein, sagt Kerstin. "Eben" frohlockt Helene, denn genau das sieht sie in den Karten, und sie sieht auch einen Partner für Kerstin kommen: Ich hab hier den Glücksbuben liegen, Kerstin, und Kerstin will noch schnell wissen, wann der kommt, denn dies ist eine Blitzrunde, Kurze Frage, kurze Antwort, in spätestens drei Monaten, Kerstin, und ich schick Dir ganz viel Energie von hier aus, Tschöhö!
Kartenlegen ist eine Kunst, deren perfekte Beherrschung auch dem Skeptiker Bewunderung abnötigt. Bernd ruft an, auch er wegen der Liebe. Der Blick in die Karten zeigt: "Du bist sehr eifersüchtig, Bernd?" Nein, sagt Bernd, eher umgekehrt. Die Freundin ist eifersüchtig. In so einem Fall zögert die Kartenlegerin keine Sekunde mit der Antwort: "Ja. Ich hab die Eifersuchtskarte hier." Irene ruft an, sie möchte wissen, wie es mit dem Job steht. Die Karten werden gelegt. "Du arbeitest, Irene?" "Nein". "Genau! Das hab ich hier auch liegen" Man sieht: Irrtümer beim Kartenlegen sind praktisch ausgeschlossen.
Folglich hatte die Anruferin, die kürzlich ein Kartenleger-Duo hereinlegte, keine Chance. Auf ihre Frage nach ihrem Ehemann und ihrer Gesundheit hatte das Duo gewissenhaft geantwortet: Ihre Gesundheit sei prima, und bei dem Ehemann sehe man zwar eine andere Frau, aber damit habe es nichts auf sich. Die Anruferin erklärte daraufhin, dass sie krebskrank und ihr Mann seit zehn Jahren tot sei. Das erschütterte die Gemeinde in den Wahrsage-Chatrooms nur ganz kurz. Schließlich ließ sich zumindest die Sache mit dem Ehemann leicht erklären: Weiß man denn, was im Jenseits los ist? Man sieht: wo so bedingungslos geglaubt wird, prallen plumpe Entlarvungsversuche kläglich ab.
Zum Jahreswechsel ist Hoch-Zeit bei Astro TV oder primetime. Normale Sender zeigen Rückblicke auf das vergangene Jahr – Astrologen und Kartenleger sagen, wie das kommende wird, für Kerstin, Bernd oder Irene. Es wird gut. Es wird überhaupt immer alles gut. Wer einen Fernseh-Wahrsager anruft, zahlt zwar ein paar Euro mehr fürs "Einwählen" – aber für diese Investition kriegt er auch was geboten. Am Ende jeder Beratung steht der gute Ausgang, "Ich hab hier den guten Ausgang liegen", ein Partner ist in Sicht und der Job wartet auch schon – ja, Daniela, es dauert allerhöchstens ein paar Monate, also spätestens im März.
Anders als die Personal Service Agentur kann die Kartenlegerin Daniela richtig Mut machen. Wenigstens bis März. Danach kann sie ja wieder anrufen.