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Was tun bei einer Änderungskündigung?

"Sie können weiter bei mir arbeiten, aber für weniger Geld." Diesen Satz bekommen Arbeitnehmer im Moment häufig zu hören. Arbeitgeber kündigen und bieten gleichzeitig einen neuen Vertrag an – unter Konditionen, die für sie günstiger sind. Wann hat es Sinn, sich gegen eine sogenannte Änderungskündigung zu wehren und wie wehrt man sich?

Von Gerald Beyrodt |
    Seit zehn Jahren arbeitet Thomas Müller bei einem großen Pflegedienstleister in Berlin. Der studierte Architekt ist Assistent und hilft behinderten Menschen bei Dingen, die sie selbst nicht können. Er überwindet mit ihnen Treppenstufen, kauft ein, liest vor, bringt Klienten zur Toilette oder zieht sie an – je nach Behinderung.

    Vor drei Wochen bekam Thomas Müller einen Brief ins Haus, eine Änderungskündigung. Weniger Geld und einen Tag weniger Urlaub soll es geben. Wenn Thomas Müller den geänderten Bedingungen nicht zustimmt, will der Pflegedienstleister ihn nicht mehr beschäftigen.

    "Da kriegt man einen Schreck, weil es ist eine ordnungsgemäße Kündigung, der Arbeitsplatz wird in Frage gestellt und man steht unter Zugzwang, man muss reagieren, es gibt in dieser Konstellation keinen anderen Weg als den Rechtsstreit, das ist auch vom Gesetzgeber so vorgesehen."
    Gemeinsam mit fast 500 Kollegen hat Müller die Änderungskündigung bekommen. Auf die neuen Bedingungen will er sich der 38-Jährige nicht einlassen, sieht nicht ein, warum die Mitarbeiter weniger Geld bekommen sollten. Sein Arbeitgeber hätte besser mit den Einnahmen umgehen müssen, findet Müller.

    "Nur muss man sehen, dass die ökonomischen Belastungen, die im Hintergrund stehen, in keinem Verhältnis stehen zu den Belastungen etwa von einem mittelständischen Betrieb, der in einer veränderten Konkurrenzsituation versucht zu überleben, sondern man hat ein sehr sicheres ökonomisches Fundament. Auf dieser sehr sicheren Grundlage erwartet man auch ein vorausschauendes Handeln."
    Wichtig ist, dass Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen auf die Änderungskündigung reagieren, dass sie erklären, ob sie unter den neuen Bedingungen weiterarbeiten wollen. Rechtsanwältin Dr. Bettina Theben ist auf Arbeitsrecht spezialisiert und rät Arbeitnehmern wie Thomas Müller, der Änderungskündigung erst einmal unter Vorbehalt zuzustimmen. Das ermöglicht einen Gang vor Gericht.

    "Der Arbeitnehmer kann sich zurücklehnen und zunächst nur vortragen, dass er der Auffassung ist, dass diese Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist. Und dann muss der Arbeitgeber beweisen, warum das so sein soll. Also, wenn es jetzt um betriebliche Gründe, insbesondere Entgeltabsenkung geht, müsste er darlegen, warum er diesen Arbeitnehmer nur noch zu diesen Konditionen zwingend beschäftigen kann, und das ist naturgemäß relativ schwierig."

    Aus diesem Grund haben Arbeitnehmer gute Karten, wenn sie sich vor Gericht gegen Gehaltskürzungen wehren. Oft scheuen sich Unternehmen, ihr Budget offenzulegen und ziehen lieber die Änderungskündigung zurück. Dann müssen Arbeitnehmer nicht einmal auf ein Urteil warten. Schwieriger sieht die Lage für Beschäftigte aus, wenn es nicht ums Gehalt geht. Es gibt Fälle, in denen man sich den Wünschen der Chefs kaum verschließen kann, sagt Bettina Theben.

    "Immer dann, wenn es um andere Dinge geht, zum Beispiel, dass der Arbeitgeber erklärt, dass er bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten wird, zum Beispiel kein Mittagessen mehr in seinem Betrieb anbieten wird, weil er die Küche schließt, dann führt um die Änderungskündigung letztlich kein Weg herum und das ist es auch ein nachvollziehbarer Grund, den Arbeitsvertrag fortzusetzen ohne das vereinbarte Mittagessen oder die vereinbarte Fahrt zur Arbeit."

    Am längeren Hebel sitzt der Chef auch häufig, wenn er aus personellen Gründen eine Änderungskündigung ausspricht. Wenn er kündigt, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte Aufgabe nicht erfüllen kann und dies auch beweisbar ist.

    "Also, etwa ein Arbeitnehmer ist Pilot, und ab Fünfzig bekommt jeder Pilot die erforderliche Flugerlaubnis nicht mehr, dann kann der Arbeitgeber selbstverständlich nur ´ne Änderungskündigung aussprechen und kann ihn irgendwo im Bodenbereich einsetzen oder im Managementbereich, da wird für den Arbeitnehmer kein Weg umhin führen, die Änderungskündigung zu akzeptieren, denn wenn er es nicht täte, dann würde die Kündigung gelten und dann wäre das Arbeitsverhältnis beendet."

    Im Einzelfall bleiben die Fragen: Soll ich mich gegen meine Kündigung zur Wehr setzen? Ist meine Kündigung vielleicht ungültig? Hat mein Chef einen Formfehler gemacht? Arbeitnehmer können sich bei den Gewerkschaften beraten lassen, wenn sie Mitglied sind, oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.