Archiv


Was verbirgt sich hinter dem Schlagwort Entbürokratisierung?

Bundeskanzler Gerhard Schröder verspricht, sich der Entbürokratisierung des Staates anzunehmen. Auch Unions- Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zeigt - nicht nur im Wahlkampf - tiefes Verständnis für die Menschen, die an, wie er es ausdrückt, "bürokratischen Monstern" schier verzweifeln. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt beschwört ständig die Politik, das Land zu entbürokratisieren. Andernfalls würde Deutschland die Wirtschaftskraft Europas noch weiter nach unten ziehen.

Sten Martenson |
    Es gehört schon fast zum guten Ton, lästerliche Reden über Bürokratie und Bürokraten zu führen. Wer wüsste aus seinee eigenen Erfahrung mit Ämtern keine absurd scheinende Geschichte beizusteuern, in der zu viele und zu unverständliche Formulare eine Hauptrolle spielen? Wer hat sich noch nicht über zu lange Bearbeitungszeiten oft wichtigtuerischer und unfreundlicher Behörden aufgeregt ?

    Politiker haben häufig doch mehr Gespür für bürgerlichen Unmut als ihnen nachgesagt wird. Deshalb fehlt auch in keiner politischen Absichtserklärung – egal von welcher Partei - , in keinem Wahl- oder Regierungsprogramm die gefällige Forderung nach Entbürokratisierung, nach dem schlanken Staat, nach Deregulierung, nach Modernisierung der Verwaltung. Wirtschaftsführer und Wissenschaftler stimmen in diesen Chor ein.

    Das Publikum nickt beifällig. Auch wenn sich viele Mitbürger nicht so recht ausmalen können, was eigentlich gemeint ist: Nur freundlicherer Service im Rathaus um die Ecke? Weniger Einengung durch Vorschriften und Gesetze, also mehr Freiheit? Oder gar eine willkommene finanzielle Entlastung für die öffentlichen Kassen ?

    Wer ist für den Normendschungel, in dem sich alle bewegen und zurecht finden müssen, wer ist für ihn verantwortlich? Und: Wie lässt sich dieser Urwald lichten? Bundesinnenminister Otto Schily kennt die Verursacher des Wildwuchses:

    "Was die Normenproduktion angeht, haben wir die verschiedensten Ebenen. Zum Beispiel die Europäische Union ist daran beteiligt, aber wohl gemerkt mancher Anstoß für eine europäische Regelung kommt aus dem nationalen Raum. Dann gibt es die Ebene des Bundes, der Länder bis herunter zu den Kommunen. In einem rechtsstaatlich geordneten Gemeinwesen muss man auch beachten, dass es bestimmte verfassungsrechtliche Grundlagen gibt, die auch zur Normenproduktion führen."

    Diese Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist freilich immer als Fortschritt gepriesen worden. Das ist es auch. Aber natürlich gibt es auch Normenwucherung. Otto Schily nennt ein besonders augenfälliges Beispiel:

    "Als ich hier ins Amt kam als Bundesinnenminister da wurde mir ein großes Konvolut vorgelegt, 800 Seiten, und ich habe gefragt, was ist das denn. Das sind die Ausführungsvorschriften zum Ausländerrecht. Muss das denn sein? Ja hieß es dann: da haben jetzt acht Jahre die entsprechenden Experten daran gearbeitet. Man kann diese Arbeit doch nicht einfach in den Papierkorb werfen. Und damit eine einheitliche Rechtsanwendung gewährleistet ist, muss es diese Verwaltungsvorschriften geben."

    Einheitliche Rechtsanwendung ist zweifellos ein Schlüsselbegriff. Kein Bürger will darauf verzichten. Und doch irritiert offenbar, wenn der Nachbar ebenso denkt. Jeder will sich innerhalb seines Lebensbereiches gut und sicher aufgehoben fühlen. Nichts oder nur wenig will er dem Zufall überlassen. Und schon gar nicht will er der Improvisation oder der Willkür des Öffentlichen Dienstes ausgeliefert sein.

    Das Fernsehmagazin "Panorama" prangerte vor einiger Zeit als aberwitzige Fehlentwicklung an, dass die Stadt Hannover tagtäglich einige Bedienstete auf den Rundgang durch die Stadt schickt. Ihre Aufgabe: Kontrolle, ob die Gehsteige keine Stolperfallen aufweisen. Man sah die deutsche Fernsehgemeinde förmlich den Kopf über so viel kostspieligen Unsinn schütteln. Aber fast jeder Zuschauer, der tags darauf über einen vorwitzig herausragenden, städtischen Pflasterstein gestolpert wäre, hätte keine Hemmungen, gegen die fahrlässige Kommune vor Gericht zu ziehen. - An der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer beschäftigt man sich mit dem Sinn und Unsinn von Bürokratie schon lange. Professor Hermann Hill:

    " Sicherlich ist die Welt komplexer geworden und die Zeiten der zehn Gebote kommen so nicht wieder. Von daher brauchen wir notwendigerweise auch kompliziertere Vorschriften."

    An dieser grundsätzlichen Erkenntnis gibt es nichts zu rütteln: Eine komplexer gewordene Welt braucht in der Regel auch kompliziertere Vorschriften. Drei Beispiele, die dies verdeutlichen sollen:

    Erstes Beispiel: Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Umweltgesetze unbekannt.

    Zweites Beispiel: Hinter dem neuen Phänomen der Globalisierung verbirgt sich auch die Notwendigkeit, das Ausländerrecht den veränderten internationalen Beziehungen anzupassen.

    Und drittes Beispiel: Wissenschaftlicher Fortschritt in der Gentechnik kollidiert mit überlieferten gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Das verlangt einfach nach gesetzlichen Regelungen.

    Misslich wird es erst , wenn diese Vorschriften das Ziel verfolgen, um jeden Preis eine Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Erst dann entsteht der beklagte Dschungel aus Paragrafen, Vorschriften, Regelungen, durch den Bürokraten die Bürger zu führen versuchen - oft zeitraubend und in der Sache nicht immer nachvollziehbar.

    Mit dem bloßen Ruf nach Entbürokratisierung ist es nicht getan. Ganz davon abgesehen, dass die konkret Betroffenen ihn häufig mit einer gehörigen Portion Misstrauen vernehmen. Christian Zahn von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die sich als Interessenvertreter des Öffentlichen Dienstes versteht, glaubt denn auch, dass durch manche dieser Schlagworte nur unlautere Absichten verschleiert werden sollen:

    " Bei dem schlanken Staat ist sehr häufig eben nicht ein effizienter, bürgernaher Staat gemeint, sondern eigentlich ein ganz anderer Staat. Nämlich ein Staat, der faktisch nur noch im Bereich Sicherheit und Justiz vorhanden ist, sich also weitgehend zurückzieht. Hinter diesen Begriffen stehen häufig auch andere Verständnisse vom Staat".

    Um solche Missverständnisse zu vermeiden, sollte nicht so sehr von Entbürokratisierung, sondern besser von Modernisierung der Verwaltung gesprochen werden. Sie ist bitter nötig. Und alle – Politiker genauso wie die Interessenvertretern des Öffentlichen Dienstes – beschäftigen sich seit langem mit dem Thema Modernisierung. Und es wäre unredlich, erfolgversprechende Reformansätze geflissentlich zu übersehen, nur um das Vorurteil von der ausufernden Bürokratie nicht zu beschädigen.

    Dagegen sprechen die Zahlen. Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, zieht Bilanz:

    " Ich will in Erinnerung rufen, dass wir in den letzten zehn Jahren fast 1,1 Millionen Beschäftigte im Staat abgebaut haben. Wir hatten 5,2 Millionen Beschäftigte vor zehn Jahren und wir sind jetzt bei fast 4,1 Millionen. Das heißt, der Staat hat in diesen zehn Jahren ganz offensichtlich jede Menge Personal abgebaut. Wir sagen manchmal: Er hat mehr Personal als Aufgaben abgebaut."

    An dem Urteil der Bürger hat das wenig verändert. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, wenn Aufgaben wegfallen und damit auch Personal - zumindest mittelfristig, also sozialverträglich - abgebaut wird. Zum Beispiel beim Zoll. Der hat sich überlebt, weil die Europäische Union seine Art von Grenzkontrollen überflüssig gemacht hat.

    Das wird allenfalls beiläufig von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Aber jedes neue Gremium, jede neue Behörde wird von den Medien als Beleg für den Ausbau der ohnehin schon überbordenden Bürokratie gewertet. Der Öffentliche Dienst leidet also auch unter der selektiven Wahrnehmung der Bürger, nicht zuletzt dank der Medien.

    Niemand kann auch die Augen davor verschließen, dass der Öffentliche Dienst sich verstärkt um ein neues Selbstverständnis bemüht. Bürgerorientierung und Kundenservice sind keine Fremdworte mehr – nicht zuletzt weil auch der finanzielle Druck eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Aber Geldmangel als Denk- und Handlungsanstoß ist nicht verwerflich.

    Die Verwaltungshochschule in Speyer hat Anfang Dezember nun schon zum achten Mal ihren Verwaltungs-"Oskar" verliehen, ein Qualitätswettbewerb in den verschiedenen Sparten - von Bürgerorientierung bis hin zum Strategischen Management. Anders als etwa noch vor zehn Jahren muss heute nicht mehr mit der Lupe gesucht werden, um Preiswürdiges zu entdecken - etwa in der Duisburger Stadtverwaltung oder in der Kreisverwaltung Osnabrück.

    Gemessen an anderen Therapien ist es eine der leichteren Übungen, die Verwaltung auf Ansprüche der modernen Zeit einzustellen. Da gibt es zum Beispiel die Politik. Ohne engagierte Zurückhaltung der Gesetzesmacher, also der Politik, werden alle Reformbemühungen Stückwerk bleiben.

    Bundesinnenminister Otto Schily kennt zwar nicht die genaue Zahl, aber er weiß, dass auch in der zurückliegenden Legislaturperiode vom Bundestag viel zu viele Gesetze verabschiedet wurden. Sie alle ziehen Ausführungsbestimmungen nach sich, der Gesetzestext allein reicht schon lange nicht mehr. Entlastung versprechen sich die Politiker von einem neuen Typ Gesetz – dem "sunset law":

    " Wir machen verstärkt davon Gebrauch von dem System der sogenannten sunset laws. Was sind das ? Das sind zeitlich befristete Gesetze. Das hat einen bestimmten Endtermin . Und wenn es dann zu dem Termin kommt, muss der Gesetzgeber sich hinsetzen und nachschauen: hat es denn etwas gebracht das Gesetz ? Da kommt ein gewisser Zwang zur Überprüfung. Das finde ich gut."

    Auch in einem anderen Bereich könnte konsequenter mit einem Verfallsdatum operiert werden. Verantwortlich ist die Politik nämlich auch für zahllose Gremien , die - wie der Bundesinnenminister beobachtet - ein Wachstum an den Tag legen, wie Pilze im Herbst nach einem feuchten Sommer. Schily bereitet das Sorgen. In seinem Hause hat er mal durchzählen lassen,...

    "... an wie viel internationalen Gremien wir beteiligt sind, die sich mit Fragen der Kooperation auf polizeilich-sicherheitspolitischem Gebiet beschäftigen. Und ich bin auf eine wirklich eindrucksvolle Zahl gekommen, die liegt bei 160."

    Der Bundesinnenminister sieht aber nicht nur die Notwendigkeit, den Gesetzes- und Gremien-Aktionismus einzuschränken. Er ist auch davon überzeugt, dass die Folgen eines Gesetzes aufmerksamer beachtet werden müssen: Ob sie nicht vielleicht das Gegenteil dessen erreichen, was sie beabsichtigen? Ob sie nicht ins Leere laufen?

    Ein beliebtes Beispiel ist das Aufgebot zur Ehe. Der Aushang im Schaukasten des Standesamtes war schon lange zum Ritual erstarrt, bevor das Ehe-Aufgbot abgeschafft wurde. Aber es gibt auch Überlegungen grundsätzlicherer Natur. Otto Schily glaubt zum Beispiel, dass eine Modernisierung der Verwaltung ohne einen grundlegenden Mentalitätswandel nicht funktionieren wird:

    "Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, zu glauben, dass die Menschen nur nach dem Gesetz und nach Rechtsverordnungen handeln. In der Mehrzahl der Fälle tun das die Menschen nicht."

    Schily nennt die Flutkatastrophe des vergangenen Sommers:

    " Da hat es etwas Erstaunliches gegeben, dass nämlich viele Menschen sich vor Ort begeben haben, freiwillig und mit großem Engagement geholfen haben und auch etwas damit bewirkt haben. Die brauchten kein Gesetz, die brauchten keinen gesetzlichen Zwang. Die sind selber gekommen. Das ist ein Beispiel dafür, dass etwas sehr gut funktionieren kann aus eigenem Antrieb, aus eigener Erkenntnis, aus eigener Einsicht und dann auch funktioniert."

    Allerdings warnt der Innenminister vor dem Trugschluss, man brauche keinerlei Vorschriften. Schily weiß genau, dass der Helfereinsatz bei der Flutkatastrophe vor nunmehr drei Monaten nur glücken konnte, weil auch funktionierende Institutionen im Hintergrund wirkten. Beides muss vorhanden sein: ein verlässlicher institutioneller Rahmen und flexible Eigeninitiativen, die auch mal Vorschriften ignorieren. Sonst finde man sich, wie Schily sagt, in einer "gelähmten Gesellschaft" wieder.

    Diese Einsicht des Bundesinnenministers geht vielleicht auf Erfahrungen an seinem italienischen Urlaubsort zurück. Das gilt auch für Peter Heesen. Der stellvertretende Beamtenbund-Vorsitzende ist gerade aus Rom gekommen. In seiner Erzählung schwingt ein wenig Bewunderung für die italienische Lebensart mit:

    " Da gibt es zum Beispiel im Auto auch die Anschnallpflicht. Aber jeder lacht Sie aus, wenn Sie sich anschnallen. Jeder Taxifahrer schaut Sie entsetzt an. Jeder weiß, die Regelung gilt, und jeder weiß auch: Wir verstoßen munter dagegen. Es würde auch kein Polizist auf die Idee kommen, Sie anzuhalten."

    Natürlich betont Heesen, wie sinnvoll sie doch sei, diese Anschnallpflicht. Und selbstverständlich habe das Verhalten der Italiener keinen Vorbildcharakter. Aber dennoch: Ein wenig mehr Italien wäre gar nicht so schlecht.

    Noch aber sehen die deutschen Modernisierungsmodelle anders aus. Die große Politik setzt auf mehr Enthaltsamkeit und Verfallsdaten bei der Gesetzgebung. Die Kommunen setzen zum Teil auf andere Rezepte. Vielfach sehen sie den optimalen Ausweg aus ihrer Finanz- und Verwaltungsmisere in der Privatisierung bestimmter kommunaler Aufgaben. Den finanziellen Druck im Nacken und den mit den eigenen Leistungen unzufriedenen Bürger vor Augen, suchen viele Landkreise, Städte und Gemeinden nun ihr Heil in der Auslagerung. Neudeutsch heißt das Outsorcing. Für den Verwaltungswissenschaftler Hermann Hill stellt sich dieser Weg aber keineswegs als Königsweg dar:

    " Die Privatisierung ist kein Allheilmittel. Und es kann auch nicht so sein, dass ein öffentliches Monopol durch ein privates Monopol ersetzt wird. Es muss auf jeden Fall ein Wettbewerb bestehen. Es gibt auch in großen Unternehmen genau so gute oder schlechte Bürokratien wie in Verwaltungen. Man muss jeweils eine Privatisierungsbilanz erstellen und die Vor- und Nachteile der öffentlichen und privaten Aufgabenerfüllung gegenüberstellen. Das betrifft zum einen die Sicherheit der Leistungserbringung zum anderen auch den Preis und die Qualität und die langfristige nachhaltige Sicherstellung dieser Leistung."

    Ver.di-Gewerkschafter Christian Zahn kommentiert den Ruf nach mehr Privatisierung sehr viel drastischer:

    " Die Privatisierung löst heute zunächst mal sehr wenig. Im Gegenteil. Häufig ist Privatisierung im öffentlichen Dienst Ausdruck von großer Not aber auch teilweise von Panik. Eine der großen Schwächen im Privatisierungsprozess des öffentlichen Dienstes ist es, dass in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes wir keine betriebswirtschaftlichen Kennziffern haben."

    Das bedeutet schlicht: Bislang kann nur unzureichend nachgeprüft werden, ob sich eine Privatisierung für den Staat überhaupt rechnet. Ganz abgesehen davon, dass auch alle anderen Folgen für den Bürger kaum abschätzbar sind. Christian Zahn fürchtet auf Dauer eine Entmachtung der kommunalen Parlamente und - so ganz nebenbei - auch ein Anwachsen der Korruption. Mehr als von der Privatisierung versprechen sich die Modernisierer von einem Ausbau der Freiräume in den Verwaltungen. Professor Hill:

    " Man könnte versuchen den entscheidenden Verwaltungen vor Ort im Rahmen gesetzlicher Ziele mehr Freiraum zu verschaffen, den sie situativ ausfüllen können. Trotzdem muss natürlich auch eine Kontrolle bestehen wie dieser Freiraum ausgeübt wird. Das sind teilweise gerichtliche Kontrollen, Rechnungshofkontrollen. Hier könnte aber stärker auch das Prinzip der Öffentlichkeit und Transparenz hinzu kommen , was verhindern kann, das in irgendeiner Weise Missbrauch oder Willkür passiert bei der Inanspruchnahme dieses Freiraums."

    Diese Freiräume zu nutzen, setzt freilich die Bereitschaft der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes voraus, Entscheidungen auf die eigene Kappe zu nehmen, sie auch zu verantworten. Daran hapert es vielfach noch:

    Beamtenfunktionär Heesen räumt ein: Obrigkeitsstaatliches Denken ist in Deutschland keineswegs spurlos verschwunden.

    Da gibt es zum Beispiel das Projekt "Selbstständige Schule" in Nordrhein-Westfalen. Bei diesem Modellversuch soll Schulen mehr Eigenständigkeit bei pädagogischen, aber vor allem auch bei finanziellen Entscheidungen in ihrem engeren Umfeld zugestanden werden. Dieses Vorhaben ist an den Schulen keineswegs auf überschäumende Begeisterung gestoßen. Kein Wunder, denn das Schulbudget verantwortlich zu verwalten, das hat kein Schulleiter wirklich gelernt. Peter Heesen äußert Verständnis:

    "Natürlich muss man die Menschen, die das machen, auf diese Aufgabe vorbereiten. Ich kann nicht einem Beschäftigten in der Verwaltung sagen, du warst jetzt zwanzig Jahre Rädchen in einer Maschinerie und ab morgen kriegst du ein Knöpfchen an dein Rädchen und du selber bestimmst, wann das Rädchen läuft, wann es stehen bleibt, wie schnell es läuft und in welche Richtung es läuft."

    Fortbildung sollte in Zukunft nicht nur als Angebot verstanden, sondern als Pflicht auferlegt werden. Professor Hill von der Hochschule in Speyer sieht noch ein weiteres Element zur Modernisierung der Behörden – die so genannte Selbstbewertung der Verwaltung. Hill fordert ...,

    "... dass Verwaltungen ihr eigenes Handeln regelmäßig auf den Prüfstand stellen, Stärken und Schwächen analysieren, sich zuvor aber sachkundig machen durch einen Vergleich mit anderen Verwaltungen, durch eine Anleitung mit einem Fragebogen auch moderne Erkenntnisse in ihr Verwaltungshandeln einzubeziehen. Wenn man das regelmäßig tut, erkennt man, wo man gut ist und wo man noch Schwächen hat und wo auch Verbesserungsmöglichkeiten eingeleitet werden können. Das ganze ist ein kontinuierlicher, immerwährender Verbesserungsprozess. Es gibt keine Musterlösung, keinen Masterplan , die einmal aufgestellt werden und für alle Zeiten gültig wären."

    Die Interessenvertreter der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, ob nun in der ver.di-Gewerkschaft oder im Deutschen Beamtenbund, verschließen sich solchen Veränderungen nicht. Sie sehen sich als Verbündete, wenn es um die Modernisierung der Verwaltung geht. Selbst dann noch, wenn es Arbeitsplätze kosten sollte.