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Was von der EU bei den Bürgern ankommt

Mit dem Friedensnobelpreis für die EU werden die Bürger der Mitgliedsstaaten stellvertretend ausgezeichnet. Doch ist die Auszeichnung bei den Bürgern überhaupt bekannt? Wie sieht der europäische Geist vor Ort aus? Ein Rundgang durch Aachen, einem Geburtsort Europas.

Von Stephanie Rohde | 10.12.2012
    Obwohl es noch Vormittag ist, und der Glühwein erst aufgewärmt wurde, verkauft er sich sehr gut. Auf dem Weihnachtsmarkt am Aachener Dom kämpft ein feiner Duft von frischen Tannenzweigen gegen eine Bratfettwolke an. Viele Touristen schlendern umher, unterhalten sich. Auf Niederländisch, Französisch, Englisch. Von hier aus sind es nur ein paar Kilometer bis zur niederländischen und belgischen Grenze.


    Der europäische Gedanke scheint hier greifbarer, als in anderen Städten Deutschlands. Doch dass die EU den Friedensnobelpreis bekommt, lässt viele auf dem Weihnachtsmarkt kalt.

    "Hab ich noch gar nichts von gehört, wie ist das denn gemeint?"
    " ... aber ist schön, wenn's in Europa ist."

    Schräg gegenüber vom Weihnachtsmarkt ist ein verglaster Konferenzraum zu erkennen. Hier hält Winfried Brömmel gerade ein Seminar über Europa in Aachen. Mit neun Schülern der Couven Europaschule diskutiert er über den Friedensnobelpreis.

    Winfried Brömmel ist mittelgroß, Brille, Typ Lehrer. Zu seiner Linken steht ein mit einer großen Europaflagge dekorierter Tisch, auf dem Prospekte liegen. "10 gute Gründe für die EU" steht da zum Beispiel. Auf die Prospekte wurde ein kleines Logo von "Europedirect" gedruckt. 58 dieser Informationsstellen gibt es allein in Deutschland. Sie sollen den Bürgern Europa näherbringen. Finanziert werden sie von der EU und der Stadt. Brömmel leitet das Aachener Büro von Europedirect. Mit ganz einfachen Beispielen will er den Zwölftklässlern heute vermitteln, wie die Europäische Gemeinschaft auch ihren Alltag beeinflusst.

    "Wie kann man grenzenlos leben, wie kann man grenzenlos arbeiten, ja das sind so Fragen, die ihr euch so überhaupt noch nicht gestellt habt, aber wie fahrt ihr zum Beispiel von Aachen nach Maastricht?"

    Antwort Schülerin:
    "Mit dem Bus, da gibt's eine extra Linie."

    Brömmel:
    "Richtig, denn es gibt keine Zugverbindung. Und damit der Bus hier ankommt und getaktet fährt, gibt es eben Arbeitskreise, die daran grenzübergreifend arbeiten."

    Schulklassen über Europa im Kleinen aufzuklären ist nur eine Aufgabe von Brömmel. Aber er will die Bürger auch begeistern, will sie mitnehmen nach Europa:

    "Sehr gut angenommen werden auch Vorträge, Planspiele und Exkursionen, wir unternehmen regelmäßig Studienfahrten und Exkursionen zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg und wir fahren auch zum EU-Parlament nach Brüssel. Wir waren zum Beispiel vor einigen Wochen beim EuGH und haben dort eine Führung und Gespräche bekommen. Ich hatte die Möglichkeit einen Bus mit bürgern mitzunehmen und da ist ganz viel Interesse, da müssen wir immer Leute abweisen."

    Doch man müsse ja nicht gleich auf die ganz große Tour mitkommen, sagt Brömmel. Viele kämen auf ihn zu, um sich beraten zu lassen, beispielsweise wenn sie im Ausland studieren oder arbeiten möchten. Andere informieren sich auf der Website von Europedirect über neueste Entwicklungen in der EU. Ein Schüler fragt Brömmel, ob er auch kritisch über Europa spreche.

    "Klar, wir sind auch ein Werbebotschafter, aber ich freu mich immer und ermuntere auch die Referenten, ganz offen auf die Fragen einzugehen, das heißt, da ermuntern wir andere auch, sich europakritisch zu äußern."

    Dass beides möglich ist, zeigen die Schüler selbst. Obwohl sie in dieser Stunde auch Kritik an der EU üben, sind die meisten begeisterte Europäer. Nicht verwunderlich, denn schließlich haben sie in diesem Halbjahr den Projektkurs "Heart of Europe" gewählt. Was denn nun das Herz Europas sei, fragt Brömmel nach der Diskussion. Schüler Rojan Ali:

    "Also für mich ist Aachen das Herz Europas, weil ich hier aufgewachsen bin, hier ist Europa entstanden, Karl der Große! Und ich sehe öfters Leute aus Frankreich, Belgien, Holland auch, das zeigt, dass hier was ist, was die interessiert und deshalb würde ich sagen, hier ist das Herz Europas."

    Trotzdem zeigt sich selbst im Herzen Europas, dass die Arbeit von Brömmel und seinen Kollegen an Grenzen stößt. Schon draußen auf dem Weihnachtsmarkt wird das deutlich.