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Was von der Fernsehkritik übrig blieb

Der Bert-Donnepp-Preis, gestiftet vom Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises, geht 2013 an das Weblog "Das Altpapier" und an Tittelbach.tv, eine Internetseite, die sich mit dem Thema Fernsehfilmkritik beschäftigt. Und die steckt, wie Preisträger Rainer Tittelbach meint, in der Krise.

Von Bettina Schmieding | 09.02.2013
    "Ich fand den letzten Tatort, 'Die schöne Mona ist tot', ziemlich gut. Der war vielschichtig, hat mit klassischen Momenten gearbeitet – einerseits. Aber dann doch immer wieder gebrochen. Ich finde normalerweise die Bodensee-Tatorte nicht so schön, aber das war ein starkes Stück, auch sehr gut besetzt."

    Viereinhalb von sechs Sternen vergab Rainer Tittelbach für diesen Tatort. Tittelbach ist ein Fernsehkritiker aus Leidenschaft und einer der letzten seiner Zunft. Er konsumiert nicht nur, er macht sich auch Gedanken. Wenn der Journalist nicht fernsieht, dann sitzt er vor dem Rechner und schreibt darüber, was er gerade gesehen hat. Zu lesen ist seine Fernsehkritik auf seiner eigenen Plattform Tittelbach.tv im Internet. 200 Kommentare finden sich jeden Monat neu auf der Seite. Unterstützt wird Tittelbach von drei freien Kollegen. Das Preisgeld kann der Journalist gut gebrauchen, denn von Fernsehkritik allein kann man nicht leben – nicht mehr, wie er sagt:

    "Ich habe für viele Tageszeitungen gearbeitet und die waren dann irgendwann nicht mehr existent oder die Texte wurden von Agenturen gemacht. Dann hat jede mittelgroße Tageszeitung in Deutschland die gleichen Texte gehabt zu bestimmten Filmen oder zu bestimmten Medienthemen."

    Die Krise der Tageszeitungen ist gleichzeitig die Krise der Fernsehkritik in Deutschland, sagt Tittelbach. Aber auch die Sender selber bekleckern sich nicht mit Ruhm. Das Internet böte gute Möglichkeiten für die Sender, die eigenen Seiten mit Tittelbach.tv zu verlinken. Aber das klappe überhaupt nicht:

    "Die finden das alle ganz toll, aber es wirbt keiner. Die Sender selber machen nicht einmal für die Mediathek, was ja ein guter Crossover wäre zwischen meinem Publikum und dem Fernsehzuschauer, dass man da auf meiner Seite für die Mediathek werben würde, ist bisher nicht gekommen, und das wundert mich auch etwas."

    Auch Christian Buß ist diese Woche zur Verleihung des Bert-Donnepp-Preises ins Grimme Institut nach Marl gereist. Er hat früher als Fernsehkritiker für Printmedien gearbeitet und ist jetzt bei "Spiegel online". Dass der Kollege Tittelbach die Auszeichnung erhalten hat, freut Christian Buß. Ein gutes Zeichen ist das, sagt er, und ein Beleg dafür, dass die Fernsehkritik noch längst nicht am Ende ist. Christian Buß widmet sich bei "Spiegel online" der sonntäglichen nationalen Ikone Tatort und die geht immer, sagt er:

    "Ich glaube es geht auch bei anderen Fernsehfilmen. Ich glaube, es kommt darauf an, wie man diese Filme aufbereitet. Was viele Leute falsch machen, ist das Kritik zu sauertöpfisch kommt. Man sollte auf jeden Fall Lust haben beim Schreiben und Lust haben beim Lesen. Dann kriegt man die Leute auch zum Fernsehen, weil Fernsehen nun mal ihr Alltag ist."

    Den nötigen Resonanzraum für die Fernsehkritik, also für den Diskurs mit den Fernsehzuschauern, den sieht Christian Buß vor allem im Internet. Dieses Medium scheint es zu sein, was im Moment das Genre Fernsehkritik vor dem endgültigen Aus bewahrt, meint auch Rainer Tittelbach. Seine Seite wurde im Januar schon 125.000 mal besucht. In diesem Jahr will er die eine Million Marke schaffen:

    "Das ist das Auffallende an meiner Seite, dass die Tage nach der Ausstrahlung die Click-Zahlen viel höher sind als am Tag der Ausstrahlung oder vor der Ausstrahlung. Das ist ein Beweis dafür, dass diese Fernsehkritik eine Zukunft haben könnte. Das Problem liegt höher. Das ist die Krise der Zeitungen und das spiegelt sich da wider."

    Um die Qualität der deutschen Fiction, zumindest die der Öffentlich-Rechtlichen, ist Tittelbach nicht bange. Nicht verstehen kann er allerdings, warum die guten Stücke zu nachtschlafender Zeit laufen. "Finden, was die Sender verstecken" heißt eine Rubrik bei Tittelbach.tv. Für mehr Sichtbarkeit und Hingabe plädiert auch Christian Buß, Fernsehkritiker bei "Spiegel online":

    "Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir den Fernsehfilm ernst nehmen, dass wir nicht wie viele meiner Generation, die sagen, ich gucke ja eh nur amerikanische Serien, sagen: Buß, was guckst du dir den ganzen Tag für einen Dreck an? Das kann doch keiner aushalten."