Donnerstag, 28. März 2024

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Was wir gegen Islamismus tun können
"Es ist eine Jahrhundertaufgabe"

Woher kommen die jungen gewaltbereiten Dschihadisten? Nicht erst seit den Anschlägen von Paris wird auch in Deutschland diskutiert. "Wir können es uns nicht mehr leisten, mehr Jugendliche an Salfisten zu verlieren", mahnt im Deutschlandfunk ein Lehrer. Doch nicht nur die Schulen sind hier gefragt.

Moderation: Manfred Götzke | 21.11.2015
    Die Broschüre "Extremistischer Salafismus als Jugendkultur" wird am 03.08.2015 auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf vorgestellt.
    Broschüren sollen für Aufklärung sorgen. (dpa/picture alliance/Maja Hitij)
    Von Dominic Schmitz zu Musa Al Almani und wieder zurück. Diese Geschichte hat Dominic Schmitz schon oft erzählt. Seine Geschichte: Die seines 17-Jährigen Ichs auf der Suche, das 2005 beim Salafismus fündig wurde. Der Islam habe ihm damals ein Bild von Gott gegeben, das seiner Vorstellung entsprochen habe, sagt er nun auch im Deutschlandfunk bei einer Diskussion in der Sendung Campus & Karriere über die Radikalisierung von Jugendlichen in Deutschland eine Woche nach den Anschlägen von Paris.
    Mit Religion habe er bis dahin nicht viel anfangen können, so Schmitz, mit dem Grundprinzip des Islam dann allerdings schon. Eines seiner Vorbilder zu der Zeit: Deutschlands wohl bekanntester Salafist, Pierre Vogel. "Er galt als der Ex-Profi-Boxer, der seine bevorstehende Karriere für Allah aufgegeben hat", sagt Schmitz. Vogels Missionsarbeit habe ihn fasziniert.
    "Die Salafisten bieten Sicherheit, Orientierung und Halt"
    "Eine typische Geschichte", sagt Ahmad Mansour, Autor des Buchs "Generation Allah". Mansour beschäftigt sich seit Jahren mit Projekten und Initiativen gegen Radikalisierung. Es konnte dabei beobachten, dass vor allem Jugendliche, "die eine Last tragen und auf der Suche sind", für die Botschaften der Salafisten empfänglich sind. Die Islamisten gäben ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden und zu einer Elite zu gehören. Inhalte, die zur Zeit nur die Salafisten anböten. Hingegen würde "Sozialarbeit an der Schule Jugendliche nicht erreichen", stellt Mansour fest.
    Auch der Islam versage hier: "Die Einzigen, die heute den Islam auf eine jugendgerechte Weise präsentieren, sind die Islamisten, deshalb sind sie so erfolgreich", so Mansour. Die Salafisten böten "Sicherheit, Orientierung und Halt in einem Alltag, der sehr komplex geworden ist". Der Salafismus stelle eine "wunderbare Möglichkeit dar, sich von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen und zu rebellieren".
    "Ein Islamverständnis, das auf Angst basiert"
    Bei seiner Arbeit als Lehrer für Islamkunde an einer Bonner Realschule setzt Aziz Fooladvand auf Aufklärung: Er wolle erreichen, dass die Jugendlichen kritisch mit ihrer Religion umgehen, sagt er in der Diskussionsrunde. Sein Weg: "banale" Fragen stellen wie "Warum isst Du kein Schweifenfleisch?" Damit wolle er erreichen, dass sich die jungen Menschen ihre Religiosität selbst aufbauen und nicht nur textorientiert verfolgen. Bei seiner Arbeit begegne er muslimischen Jugendlichen, so Fooladvand, die niemals gelernt hätten, über Religion zu diskutieren, sondern Anweisungen und Grundsätzen zu folgen.
    "Es geht um ein Islamverständnis, das auf Angst basiert: Entweder bis Du da oder Du wirst in der Hölle schmoren", so Ahmad Mansour. In der Islamdebatte zu sagen, man habe es "nur mit Terroristen zu tun", sei zu oberflächlich. Die Basis für dieses Islamverständnis sei nicht nicht von den Salafisten gekommen, sondern "weit verbreitet in Moscheen in Deutschland". Damit umzugehen sei eine "Jahrhundertaufgabe". Es müsse nun darum gehen, "ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass solche Probleme existieren und dann nach Lösungen suchen".
    "Wir können es uns nicht mehr leisten, mehr Jugendliche an Salfisten zu verlieren", meint auch Realschullehrer Fooladvand. Dies zu schaffen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Eltern, Lehrer, Politiker - alle seien hierbei gefragt.
    "Ich war ein Roboter"
    Wie Musa Al Almani wieder zu Dominic Schmitz wurde? "Step by step", sagt er im Deutschlandfunk. Der Salafismus schreibe nicht nur vor, wie man zu handeln habe, sondern auch wie zu fühlen und zu denken, wen zu lieben und zu hassen. "Ich war ein Roboter, der nur noch nach Buchstaben gelebt hat."
    Auf dem Weg, dies zu begreifen, habe es für ihn mehrere Schlüsselmomente gegeben. Erst dann habe er den Mut gefunden, sein Äußeres zu ändern und mit seinen Gefühlen "rauszukommen".
    Gesprächspartner bei Campus & Karriere waren:
    • Ahmad Mansour, Autor des Buches "Generation Islam"
    • Aziz Fooladvand, Islamkunde-Lehrer an einer Bonner Realschule
    • Dominic Schmitz, ehemaliger Salafist, der nun auf YouTube vor Extremismus warnt
    (bor/cp)