Möllemann: Diese Entschuldigung galt den in Deutschland lebenden jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Dem Journalisten Michel Friedmann galt sie überhaupt nicht. Ihn halte ich unverändert für einen aggressiven, arroganten Typ, der wirklich jetzt mal was wegräumen muss.
Meurer: Die Konsequenz: Der Zentralrat ist bereit für eine Spitzengespräch mit Parteichef Guido Westerwelle, nicht aber mit Jürgen Möllemann. Der legte nach und setzte sich mit harschen Worten gegen innerparteiliche Kritiker in der FDP zur Wehr.
Möllemann: Ich rede von diesen Querulanten, ich sage es mal so, die sich immer nur melden, wenn es schwer wird. Das meine ich mit Herrn Baum, das meine ich mit Frau Hamm-Brücher, die drohen, sie wollen austreten. Dann sollen sie gehen. Gute Reise, kann ich nur sagen.
Meurer: Was wird aus Jürgen Möllemann? Wird er entmachtet? Gründet er eine eigene Partei? In Kiel möchte ich mich darüber mit Wolfgang Kubicki unterhalten. Er ist dort FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig Holstein und ein liberaler Politiker, den man zu den Unterstützern Möllemanns zählt. Guten Morgen, Herr Kubicki.
Kubicki: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Redet sich Jürgen Möllemann um Kopf und Kragen?
Kubicki: Das glaube ich nicht. Auch ihre Einleitung war bedauerlicherweise nicht ganz korrekt. Er hat sich ja bei dem jüdischen Mitbürger Michel Friedman entschuldigt. Allerdings hat er ihn als Person Michel Friedman nach wie vor für arrogant erklärt. Eine Einschätzung, die ich teile: Ich halte Michel Friedman auch für arrogant...
Meurer: Also, man kann Friedman ja nicht in der Mitte teilen... Kubicki:...ich würde das nur nie zur einem Gegenstand einer öffentlichen Debatte machen.
Meurer: Man kann ja Michel Friedman sozusagen nicht in der Mitte teilen. Fakt ist, dass Möllemann sich nicht bei Friedman entschuldigt.
Kubicki: Ja, aber sehen Sie: Man kann über die Person Michel Friedman denken was man will, solange man sich auf die Person Michel Friedman konzentriert und nicht auf seinen Glauben abstellt. Ich halte das insgesamt für eine unsägliche Debatte und ich wäre froh, man würde zur Besonnenheit zurückfinden. Ich bin froh, dass es zu einem Gespräch zwischen dem Zentralrat der Juden und der Spitze der FDP kommt, und der Rest, denke ich, wird sich, wenn die Rauchschwaden verzogen sind, auch klären.
Meurer: Akzeptieren Sie, dass der Zentralrat sagt: mit Möllemann reden wir nicht?
Kubicki: Das akzeptiere ich selbstverständlich. Ich muss es akzeptieren und ich kann es auch nachvollziehen. Noch einmal: Wenn etwas mehr Beruhigung und Besinnung eingetreten ist, kann ich mir vorstellen, dass es auch zwischen der Person Michel Friedmann und der Person Jürgen Möllemann zu einem fairen Ausgleich kommen kann und die beiden auch wieder miteinander reden können.
Meurer: Was sagen Sie denn, Herr Kubicki, zu dem anderen Zitat, das wir gerade gehört haben von Jürgen Möllemann, dass mit den Querulanten Hildegard Hamm-Brücher und Gerhard Rudolf Baum?
Kubicki: Ich halte das in der jetzigen Situation für unglücklich, in der Sache aber zutreffend. Ich habe von Herrn Baum und Frau Hamm-Brücher in den letzten zwei, drei Jahren Produktives in der FDP nicht mehr gehört. Sie haben sich in der jetzigen Debatte auch mit scharfen, persönlichen Angriffen in Richtung Jürgen Möllemann geäußert. Noch einmal: Ich hätte diese Äußerungen gegenwärtig auch vermieden, aber es wäre der Partei mit Sicherheit damit gedient gewesen, wenn sich Herr Baum und Frau Hamm-Brücher auch in der öffentlichen Wirkung etwas zurückgehalten hätten.
Meurer: Stemmen sich die Altliberalen der neuen FDP sozusagen entgegen?
Kubicki: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt nach wie vor ein sehr herzliches Verhältnis zu Hans-Dietrich Genscher, zu Otto Graf Lambsdorff. Auch wenn man in bestimmten Sachfragen durchaus, und zwar auch manifest, unterschiedlicher Auffassung sein kann, gehören die sogenannten Altliberalen genauso und vielleicht sogar noch intensiver zum Erscheinungsbild der FDP, wie die so genannten Neuen Liberalen, wie Guido Westerwelle. Jürgen Möllemann ist ja auch eine Altliberaler. Zu meiner Person: Auch ich bin ein Altliberaler, seit 32 Jahren in der FDP und dort politisch tätig.
Meurer: Wie wichtig ist Jürgen Möllemann noch für seine Partei?
Kubicki: Ich denke, er ist unverzichtbar. Das hat Guido Westerwelle gestern auch ziemlich deutlich gemacht. Das Projekt 18 funktioniert definitiv nur auf den Schultern von Guido Westerwelle und Jürgen Möllemann. Das Vertrauensverhältnis zwischen beiden ist auch nicht zerstört, im Gegenteil, beide sind sich in dem Ziel einig, die FDP am 22. September mit mindestens 18 Prozent zum Wahlerfolg zu führen. Das wird auch der Wahlerfolg des Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle sein.
Meurer: Wie soll denn der Parteichef Guido Westerwelle diesen Spagat aushalten? Die gesamte Führungsetage ist aufgebracht gegen Jürgen Möllemann und er soll Möllemann die Stange halten?
Kubicki: Zunächst einmal ist nicht die gesamte Führungsetage gegen Jürgen Möllemann aufgebracht. Ich saß in der Mitte des Bundesvorstandes und habe die legendäre Sitzung mit verfolgt, in der die Berliner Erklärung, übrigens einstimmig von allen Beteiligten, verabschiedet wurde. Dort ist klar geworden, dass es in einzelnen persönlichen, aber auch in Sachfragen, durchaus Unterschiede gibt, dass die Partei aber insgesamt den Willen hat, sich mit dem politischen Gegner auseinander zu setzen und den Wahlkampf erfolgreich zu bestreiten. Die Unterstützer der Position Möllemann - nicht was den konkreten Konflikt mit dem Zentralrat der Juden angeht -, seines Einbringens in den Wahlkampf, die war ziemlich greifbar.
Meurer: Welche Rolle kann Möllemann denn überhaupt noch in seiner Partei nach diesem ganzen Hin und Her spielen?
Kubicki: Er spielt die Rolle wie bisher. Ich hoffe, mit etwas leiseren Tönen, weil die Auseinandersetzung der vergangenen Wochen die Partei doch ziemlich in Anspruch genommen hat. Aber Guido Westerwelle hat zurecht gesagt: Er ist der Stellvertreter von Guido Westerwelle. Er wird der Stellvertreter von Guido Westerwelle bleiben. Er ist der Vorsitzende des größten Landesverbandes und er ist mit Sicherheit einer unserer stärksten Wahlkampfmatadore. Das wird auch so bis zum 22. September bleiben.
Meurer: Man sagt Ihrem Parteivorsitzenden Westerwelle nach, er habe nur zögernd Führungsstärke und Autorität gezeigt. Bleibt Westerwelle nichts anderes übrig als sich von Möllemann zu trennen?
Kubicki: Ich halte das für völlig unsinnig. Im Gegenteil: Guido Westerwelle hat sich in einer der schwersten Bewährungskrisen der Partei als wirklich starker FDP-Vorsitzender bewährt. Seine Aufgabe war es, bei einem so massiven Druck, auch dafür Sorge zu tragen, dass niemand bei dem Prozess verloren geht, dass die Partei zu einer inneren Geschlossenheit zurückfindet. Wer kann denn sonst noch Beschlüsse vorweisen, die einstimmig im Präsidium und im Bundesvorstand gefasst worden sind. Wer kann jetzt vorweisen, dass er es geschafft hat, diesen von außen und sehr massiv aufgedrückten Konflikt so zu beenden wie er beendet worden ist. Nein, Guido Westerwelle ist einer der stärksten Vorsitzenden, die wir in den letzten 15 Jahren hatten.
Meurer: Der Druck kam aber nicht nur von außen, sondern Druck wurde auch innerparteilich auf Westerwelle ausgeübt.
Kubicki: Ich sage ja: Wenn der Druck von außen recht stark wird, dann gibt es selbstverständlich auch Kräfte im Inneren, die diesem Druck nicht standhalten können. Deshalb ist es eine große Leistung von Guido Westerwelle, dass er es geschafft hat, dafür Sorge zu tragen, dass die Partei nicht auseinandergefallen ist, sondern im Gegenteil, dass sie jetzt auf den Kurs, sich mit dem Gegner auseinander zu setzten zurückgefunden hat und zurückfindet, denn wir kämpfen mit der SPD, mit den Grünen, mit der CDU um die Wählerstimmen, nicht untereinander.
Meurer: Unterhalten wir uns, Herr Kubicki, kurz über die inhaltliche Neuausrichtung der FDP: Sie will Volkspartei werden, und auch Protestpartei, wie Guido Westerwelle sagt?
Kubicki: Sie will nicht Protestpartei werden im denunziatorischen Sinne, sondern sie will diejenigen Stimmen in das demokratische Spektrum zurückführen, die sich abgewandt haben und weiter abwenden. Es kann uns doch nicht befriedigen, wenn 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger erklären, sie wissen gar nicht, ob sie überhaupt zur Wahl gehen sollen, ob sie überhaupt mit den gegenwärtig agierenden Parteien in der Form, wie sie agieren etwas anfangen können. Die FDP hat ihre Inhalte weder verändert noch hat sie die Absicht, diese zu verändern. Sie ist nach wie vor die liberale Rechtsstaatspartei, nach wie vor die Partei, die auf die Freiheit des Einzelnen setzt, nach wie vor die Partei, die gegen jede Form von Diskriminierung, antritt. Aber sie hat ihre Kommunikationsformen geändert. Sie muss zunächst die Menschen erreichen, damit sie mit ihnen reden und sie überzeugen kann. Das ist der Kern des Projekts 18. Wir verändern unsere Kommunikationsformen, nicht unsere Inhalte.
Meurer: Und soll die Aufschrift, die Protestpartei der Mitte, auf die neue FDP aufgeschrieben werden?
Kubicki: Nein, es ist keine Aufschrift, die Protestpartei der Mitte, sondern, wir fordern alle auf, die Protest artikulieren wollen, sich in der Partei der Mitte zu organisieren, sie zu unterstützen, damit es kanalisiert werden kann und dass es nicht zu einem Zustand kommt, wie woanders in Europa, dass undemokratische, antidemokratische Kräfte Platz greifen und damit unser System gefährden.
Meurer: Stimmen Sie zu, dass viele Parteifreunde darüber ziemlich skeptisch sind?
Kubicki: Ich stimme zu, dass viele Parteifreunde skeptisch sind. Mir fallen dazu eine ganze Reihe an Parteifreunden ein, auch aus dem Präsidium meiner Partei, die sehr skeptisch waren was das Projekt 18 angeht, das ja nun fast einstimmig beschlossen worden ist, die sehr zögerlich und skeptisch waren, was die Kanzlerkandidatur von Guido Westerwelle angeht. Ich denke, wenn wir noch etwas mehr zur Besinnung kommen und diese Parteifreunde noch davon überzeugen können, sich hinter dem gemeinsamen Konzept zu versammeln, dann werden wir nach außen auch definitiv erfolgreich sein und Westerwelle wird den Anspruch, Kanzlerkandidat zu sein, auch nach außen erfüllen können.
Meurer: Das war Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig Holstein. Herr Kubicki, besten Dank und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Meurer: Die Konsequenz: Der Zentralrat ist bereit für eine Spitzengespräch mit Parteichef Guido Westerwelle, nicht aber mit Jürgen Möllemann. Der legte nach und setzte sich mit harschen Worten gegen innerparteiliche Kritiker in der FDP zur Wehr.
Möllemann: Ich rede von diesen Querulanten, ich sage es mal so, die sich immer nur melden, wenn es schwer wird. Das meine ich mit Herrn Baum, das meine ich mit Frau Hamm-Brücher, die drohen, sie wollen austreten. Dann sollen sie gehen. Gute Reise, kann ich nur sagen.
Meurer: Was wird aus Jürgen Möllemann? Wird er entmachtet? Gründet er eine eigene Partei? In Kiel möchte ich mich darüber mit Wolfgang Kubicki unterhalten. Er ist dort FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig Holstein und ein liberaler Politiker, den man zu den Unterstützern Möllemanns zählt. Guten Morgen, Herr Kubicki.
Kubicki: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Redet sich Jürgen Möllemann um Kopf und Kragen?
Kubicki: Das glaube ich nicht. Auch ihre Einleitung war bedauerlicherweise nicht ganz korrekt. Er hat sich ja bei dem jüdischen Mitbürger Michel Friedman entschuldigt. Allerdings hat er ihn als Person Michel Friedman nach wie vor für arrogant erklärt. Eine Einschätzung, die ich teile: Ich halte Michel Friedman auch für arrogant...
Meurer: Also, man kann Friedman ja nicht in der Mitte teilen... Kubicki:...ich würde das nur nie zur einem Gegenstand einer öffentlichen Debatte machen.
Meurer: Man kann ja Michel Friedman sozusagen nicht in der Mitte teilen. Fakt ist, dass Möllemann sich nicht bei Friedman entschuldigt.
Kubicki: Ja, aber sehen Sie: Man kann über die Person Michel Friedman denken was man will, solange man sich auf die Person Michel Friedman konzentriert und nicht auf seinen Glauben abstellt. Ich halte das insgesamt für eine unsägliche Debatte und ich wäre froh, man würde zur Besonnenheit zurückfinden. Ich bin froh, dass es zu einem Gespräch zwischen dem Zentralrat der Juden und der Spitze der FDP kommt, und der Rest, denke ich, wird sich, wenn die Rauchschwaden verzogen sind, auch klären.
Meurer: Akzeptieren Sie, dass der Zentralrat sagt: mit Möllemann reden wir nicht?
Kubicki: Das akzeptiere ich selbstverständlich. Ich muss es akzeptieren und ich kann es auch nachvollziehen. Noch einmal: Wenn etwas mehr Beruhigung und Besinnung eingetreten ist, kann ich mir vorstellen, dass es auch zwischen der Person Michel Friedmann und der Person Jürgen Möllemann zu einem fairen Ausgleich kommen kann und die beiden auch wieder miteinander reden können.
Meurer: Was sagen Sie denn, Herr Kubicki, zu dem anderen Zitat, das wir gerade gehört haben von Jürgen Möllemann, dass mit den Querulanten Hildegard Hamm-Brücher und Gerhard Rudolf Baum?
Kubicki: Ich halte das in der jetzigen Situation für unglücklich, in der Sache aber zutreffend. Ich habe von Herrn Baum und Frau Hamm-Brücher in den letzten zwei, drei Jahren Produktives in der FDP nicht mehr gehört. Sie haben sich in der jetzigen Debatte auch mit scharfen, persönlichen Angriffen in Richtung Jürgen Möllemann geäußert. Noch einmal: Ich hätte diese Äußerungen gegenwärtig auch vermieden, aber es wäre der Partei mit Sicherheit damit gedient gewesen, wenn sich Herr Baum und Frau Hamm-Brücher auch in der öffentlichen Wirkung etwas zurückgehalten hätten.
Meurer: Stemmen sich die Altliberalen der neuen FDP sozusagen entgegen?
Kubicki: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt nach wie vor ein sehr herzliches Verhältnis zu Hans-Dietrich Genscher, zu Otto Graf Lambsdorff. Auch wenn man in bestimmten Sachfragen durchaus, und zwar auch manifest, unterschiedlicher Auffassung sein kann, gehören die sogenannten Altliberalen genauso und vielleicht sogar noch intensiver zum Erscheinungsbild der FDP, wie die so genannten Neuen Liberalen, wie Guido Westerwelle. Jürgen Möllemann ist ja auch eine Altliberaler. Zu meiner Person: Auch ich bin ein Altliberaler, seit 32 Jahren in der FDP und dort politisch tätig.
Meurer: Wie wichtig ist Jürgen Möllemann noch für seine Partei?
Kubicki: Ich denke, er ist unverzichtbar. Das hat Guido Westerwelle gestern auch ziemlich deutlich gemacht. Das Projekt 18 funktioniert definitiv nur auf den Schultern von Guido Westerwelle und Jürgen Möllemann. Das Vertrauensverhältnis zwischen beiden ist auch nicht zerstört, im Gegenteil, beide sind sich in dem Ziel einig, die FDP am 22. September mit mindestens 18 Prozent zum Wahlerfolg zu führen. Das wird auch der Wahlerfolg des Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle sein.
Meurer: Wie soll denn der Parteichef Guido Westerwelle diesen Spagat aushalten? Die gesamte Führungsetage ist aufgebracht gegen Jürgen Möllemann und er soll Möllemann die Stange halten?
Kubicki: Zunächst einmal ist nicht die gesamte Führungsetage gegen Jürgen Möllemann aufgebracht. Ich saß in der Mitte des Bundesvorstandes und habe die legendäre Sitzung mit verfolgt, in der die Berliner Erklärung, übrigens einstimmig von allen Beteiligten, verabschiedet wurde. Dort ist klar geworden, dass es in einzelnen persönlichen, aber auch in Sachfragen, durchaus Unterschiede gibt, dass die Partei aber insgesamt den Willen hat, sich mit dem politischen Gegner auseinander zu setzen und den Wahlkampf erfolgreich zu bestreiten. Die Unterstützer der Position Möllemann - nicht was den konkreten Konflikt mit dem Zentralrat der Juden angeht -, seines Einbringens in den Wahlkampf, die war ziemlich greifbar.
Meurer: Welche Rolle kann Möllemann denn überhaupt noch in seiner Partei nach diesem ganzen Hin und Her spielen?
Kubicki: Er spielt die Rolle wie bisher. Ich hoffe, mit etwas leiseren Tönen, weil die Auseinandersetzung der vergangenen Wochen die Partei doch ziemlich in Anspruch genommen hat. Aber Guido Westerwelle hat zurecht gesagt: Er ist der Stellvertreter von Guido Westerwelle. Er wird der Stellvertreter von Guido Westerwelle bleiben. Er ist der Vorsitzende des größten Landesverbandes und er ist mit Sicherheit einer unserer stärksten Wahlkampfmatadore. Das wird auch so bis zum 22. September bleiben.
Meurer: Man sagt Ihrem Parteivorsitzenden Westerwelle nach, er habe nur zögernd Führungsstärke und Autorität gezeigt. Bleibt Westerwelle nichts anderes übrig als sich von Möllemann zu trennen?
Kubicki: Ich halte das für völlig unsinnig. Im Gegenteil: Guido Westerwelle hat sich in einer der schwersten Bewährungskrisen der Partei als wirklich starker FDP-Vorsitzender bewährt. Seine Aufgabe war es, bei einem so massiven Druck, auch dafür Sorge zu tragen, dass niemand bei dem Prozess verloren geht, dass die Partei zu einer inneren Geschlossenheit zurückfindet. Wer kann denn sonst noch Beschlüsse vorweisen, die einstimmig im Präsidium und im Bundesvorstand gefasst worden sind. Wer kann jetzt vorweisen, dass er es geschafft hat, diesen von außen und sehr massiv aufgedrückten Konflikt so zu beenden wie er beendet worden ist. Nein, Guido Westerwelle ist einer der stärksten Vorsitzenden, die wir in den letzten 15 Jahren hatten.
Meurer: Der Druck kam aber nicht nur von außen, sondern Druck wurde auch innerparteilich auf Westerwelle ausgeübt.
Kubicki: Ich sage ja: Wenn der Druck von außen recht stark wird, dann gibt es selbstverständlich auch Kräfte im Inneren, die diesem Druck nicht standhalten können. Deshalb ist es eine große Leistung von Guido Westerwelle, dass er es geschafft hat, dafür Sorge zu tragen, dass die Partei nicht auseinandergefallen ist, sondern im Gegenteil, dass sie jetzt auf den Kurs, sich mit dem Gegner auseinander zu setzten zurückgefunden hat und zurückfindet, denn wir kämpfen mit der SPD, mit den Grünen, mit der CDU um die Wählerstimmen, nicht untereinander.
Meurer: Unterhalten wir uns, Herr Kubicki, kurz über die inhaltliche Neuausrichtung der FDP: Sie will Volkspartei werden, und auch Protestpartei, wie Guido Westerwelle sagt?
Kubicki: Sie will nicht Protestpartei werden im denunziatorischen Sinne, sondern sie will diejenigen Stimmen in das demokratische Spektrum zurückführen, die sich abgewandt haben und weiter abwenden. Es kann uns doch nicht befriedigen, wenn 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger erklären, sie wissen gar nicht, ob sie überhaupt zur Wahl gehen sollen, ob sie überhaupt mit den gegenwärtig agierenden Parteien in der Form, wie sie agieren etwas anfangen können. Die FDP hat ihre Inhalte weder verändert noch hat sie die Absicht, diese zu verändern. Sie ist nach wie vor die liberale Rechtsstaatspartei, nach wie vor die Partei, die auf die Freiheit des Einzelnen setzt, nach wie vor die Partei, die gegen jede Form von Diskriminierung, antritt. Aber sie hat ihre Kommunikationsformen geändert. Sie muss zunächst die Menschen erreichen, damit sie mit ihnen reden und sie überzeugen kann. Das ist der Kern des Projekts 18. Wir verändern unsere Kommunikationsformen, nicht unsere Inhalte.
Meurer: Und soll die Aufschrift, die Protestpartei der Mitte, auf die neue FDP aufgeschrieben werden?
Kubicki: Nein, es ist keine Aufschrift, die Protestpartei der Mitte, sondern, wir fordern alle auf, die Protest artikulieren wollen, sich in der Partei der Mitte zu organisieren, sie zu unterstützen, damit es kanalisiert werden kann und dass es nicht zu einem Zustand kommt, wie woanders in Europa, dass undemokratische, antidemokratische Kräfte Platz greifen und damit unser System gefährden.
Meurer: Stimmen Sie zu, dass viele Parteifreunde darüber ziemlich skeptisch sind?
Kubicki: Ich stimme zu, dass viele Parteifreunde skeptisch sind. Mir fallen dazu eine ganze Reihe an Parteifreunden ein, auch aus dem Präsidium meiner Partei, die sehr skeptisch waren was das Projekt 18 angeht, das ja nun fast einstimmig beschlossen worden ist, die sehr zögerlich und skeptisch waren, was die Kanzlerkandidatur von Guido Westerwelle angeht. Ich denke, wenn wir noch etwas mehr zur Besinnung kommen und diese Parteifreunde noch davon überzeugen können, sich hinter dem gemeinsamen Konzept zu versammeln, dann werden wir nach außen auch definitiv erfolgreich sein und Westerwelle wird den Anspruch, Kanzlerkandidat zu sein, auch nach außen erfüllen können.
Meurer: Das war Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig Holstein. Herr Kubicki, besten Dank und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
