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Waschsalon für digitale Währungen?

"Liberty Reserve" hieß eine in Costa Rica ansässige Internetbank, über die internationale Geldtransfers anonym abgewickelt werden konnten. Nun klickten in mehreren Ländern die Handschellen; die Website wurde ebenso beschlagnahmt wie die Guthaben. Der Vorwurf: Geldwäsche in ganz großem Stil.

Von Michael Gessat | 01.06.2013
    Alle legitimen Nutzer könnten sich an seine Behörde wenden, dann würden ihre Guthaben nach einer Überprüfung zurückgezahlt, so der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara; er hatte die internationale Aktion gegen "Liberty Reserve" koordiniert. Allzu viele Kundenreklamationen erwartet die Staatsanwaltschaft aber nicht. John Sullivan vom US-Finanzministerium:

    "Die weit überwiegende Mehrzahl der Transaktionen bei Liberty Reserve wurde für kriminelle Aktivitäten genutzt, zum Beispiel um Computerviren oder Malware zu kaufen, mit der man dann Finanzinstitutionen oder auch Privatpersonen angreifen konnte. Es ging fast zu 100 Prozent um kriminelle Aktionen, und deswegen haben wir nun eingegriffen."

    Die Zahlungsplattform eignete sich auch dafür, durch zweifelhafte Machenschaften erworbenes Geld wieder diskret in den offiziellen, legitimen Kreislauf einzuschleusen. Laut Anklageschrift reichte eine E-Mail-Adresse, um einen "Liberty Reserve"-Account zu eröffnen – der angegebene Name und das Geburtsdatum wurden nicht überprüft. Einzahlungen und Auszahlungen liefen über zwischengeschaltete Dienstleister, sogenannte "Exchanger" – die saßen in Ländern ohne funktionierende Bankaufsicht, wie zum Beispiel Nigeria, Vietnam, Malaysia oder Russland. Eine bewährte Methode, um Geldtransaktionen vor Ermittlungsbehörden zu verschleiern, so der Wirtschaftsstrafrechtler Professor Christian Schröder von der Universität Halle-Wittenberg:

    "Denn sie bekommen ja als Absender dieses Betrages immer nur den Exchanger, und wenn der zum Beispiel den Identifizierungspflichten, wie wir sie hier nach dem Geldwäschegesetz haben, nicht nachgekommen ist, dann ist die Verbindung zu demjenigen, der die Vortat begangen hat und das Interesse daran hat, das Geld zu waschen, eben doch erfolgreich gekappt."

    In Deutschland sind die Vorschriften und Kontrollen gegen Geldwäsche in den letzten Jahren recht engmaschig geworden – dahinter stecken nicht zuletzt Befürchtungen, verschleierte Zahlungsströme könnten der Terrorfinanzierung dienen. Trotzdem sollte man bargeldähnliche digitale Zahlungsmöglichkeiten nicht gleich unter Generalverdacht stellen, findet Schröder:

    "Also es kann legitime Interessen geben, eine Geldzahlung auch im Internet anonym vorzunehmen, das muss man nicht nur in den Kontext von irgendwelchen Schmuddelvideos stellen, sondern Sie können auch ein Interesse haben, eine Hotelrechnung anonym zu bezahlen, Sie können auch ein Interesse haben, anonym zu spenden."

    Zum Beispiel mit der virtuellen Währung Bitcoin, die jetzt auch als mögliche Alternative für ehemalige Liberty-Reserve-Kunden genannt wird. Aber bereits im März stellte die beim US-Finanzministerium angesiedelte Ermittlungsbehörde "Financial Crimes Enforcement Network" in einer Richtlinie klar, dass auch Bitcoins dem US-Geldwäschegesetz unterliegen. John Sullivan:

    "Jede Verwendung von virtuellen Währungen für illegale Zwecke wird von uns ganz genauso behandelt wie jede illegale Aktivität mit herkömmlichen Währungen."

    Auch der Wirtschaftsjurist Ingo Fiedler von der Universität Hamburg hält es für möglich, dass Bitcoins für kriminelle Geschäfte oder kleinere Geldwäscheaktionen in Frage kommen würden:

    "Allerdings ist die Menge an Transaktionen, die tatsächlich über das System laufen kann, nicht so groß ausgelegt, als dass da tatsächlich der gesamte Geldwäschemarkt drüber laufen könnte, der ja enorm groß ist."

    Für viel bedeutsamer hält Fiedler da einen anderen Sektor – das "Online Gambling" von Roulette bis hin zum überaus beliebten Poker - auch dort sitzen viele Betreiber in Staaten mit laxer Regulierung. Zudem bieten sie eine Vielzahl von Zahlungswegen von der Prepaid-Card bis zu virtuellem Geld an. Auszahlungen auf normale Bankkonten lassen sich als Spielgewinne plausibel erklären und sind in vielen Ländern praktischerweise steuerfrei. Und für richtig große Summen – da gründet man selbst ein Online-Casino in einer Regulierungs-Oase:

    "Fast niemand wird mit mir spielen. Aber ich behaupte, es hätten ganz viele Leute bei mir gespielt, und hätten 200 Millionen Euro verloren, und das sind dann plötzlich die Business-Profits dieses Online-Casinos. Und ich bin legitimer Eigentümer dieses Casinos und kann es mir als legalen Profit einfach wieder auszahlen lassen. Und damit ist das Geld gewaschen."