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Waschstraße für Menschen

Technik. - Seit 64 Jahren wird Nürnberg alljährlich zum Erfindermekka. Dann läuft die iENA, auf der neben viel Skurrilem auch viel Nützliches und später Erfolgreiches vorgestellt wurde. Etwa der Rollkoffer, die Katzenklappe oder der Tapetenschneider. Skurril bis nützlich war es auch in diesem Jahr.

Von Jochen Steiner | 02.11.2012
    "Ich bin durch die Autowaschstraße gefahren, es war wahnsinnig heiß an dem Tag und ich dachte mir, wow wäre das super jetzt auszusteigen und da selber durchzulaufen."

    Eine lustige Idee, die die Designerin Seira Fischer da hatte. In ihrer Masterarbeit hat die Münchnerin sie umgesetzt, aus Spaß wurde Ernst. Jetzt steht sie vor einem 1:10-Modell ihrer Erfindung:

    "Es ist eine automatisierte Reinigungs- und Dekontaminationsanlage für Menschen. Das Ganze ist in einen 20-Fuß-Luftfrachtcontainer integriert, um sehr schnell in Krisen- und Katastrophen-Gebieten sein zu können."

    Wo es meist an sanitären Anlagen mangelt. Der Aluminium-Container ist 6 Meter lang und je 2,50 Meter hoch und breit.

    "Es ist wirklich wie eine Autowaschstraße, der Mensch wird passiv bewaschen, steht auf einem Förderband und pro Tor erfolgt ein Waschgang."

    Sechs Tore sind in Seira Fischers Container, den sie "x-wash" genannt hat, untergebracht: Tor 1 scannt den menschlichen Körper, wie groß, wie breit, um die Reinigungsdüsen jeweils anzupassen. Tor 2 verteilt Sprühnebel, also feine Wassertropfen, bei Tor 3 gibt es Schaum, der bei Tor 4 wieder abgewaschen wird. An Tor 5 erfolgt die Desinfektion, falls nötig, und an Tor 6 schließlich wird man trocken gepustet. Und das alles in Windeseile:

    "Beim Reinigungsprozess sind es nur 90 Sekunden, also sehr schnell, eineinhalb Minuten, ratz-fatz, schneller als jede Dusche!"

    So will Fischer pro Stunde knapp 200 Flüchtlinge, verstrahlte Menschen oder Arbeiter einer Chemiefabrik reinigen. Dabei soll ihre Erfindung 75 Prozent Wasser einsparen gegenüber manuellen Reinigungsanlagen, die es bereits gibt. Wo Wasser und Strom knapp sind, etwa in einem Flüchtlingslager, können separate Tanks und Generatoren angeschlossen werden, eine Wiederaufbereitungsanlage säubert das Wasser vor Ort. Im Moment ist ein Sonderanlagenbauer dabei, den Prototyp zu bauen.

    "Ich kann es kaum erwarten, das rote Band durchzuschneiden!"

    Schon in zwei Jahren soll das soweit sein. Auffällig viele junge Tüftler und Erfinder stellen in Nürnberg ihre Ideen vor: Markus Moser und sein Team kommen aus Österreich, haben ihr Abitur in der Tasche und bei ihrer Erfindung an die eigenen Großeltern gedacht:

    "Vor mir steht eine handelsübliche Gehhilfe…"
    :
    …auch Rollator genannt…

    "…die mit einer Sensorik und Motoren ausgestattet ist, um älteren Menschen, die das Problem haben, Feldwege zu begehen oder Hindernisse zu überwinden, dieses ermöglichen soll."

    Stößt der Rollator an ein Hindernis an, verringert sich in der Regel der Abstand zwischen ihm und Oma oder Opa. Das melden die Sensoren an die Motoren, die die Räder über eine Türschwelle manövrieren. Schüler aus Deutschland hatten die gleiche Idee, setzten sie aber etwas anders um:

    "Jetzt haben wir hier einen Rollator genommen und vorne an den Rollator eine ausfahrbare Zahnstange angebaut, hier unten ein Rad befestigt, die einfach die Vorderräder vom Rollator so weit anheben kann, dass sie sich ein bisschen über der Stufe befinden."

    Dank David Sieber und seinem Team aus der 12. Klasse der Fachoberschule in Fürth sind in Zukunft kleine Stufen für Rentner kein Hindernis mehr. Erste Fans der Erfindung sind schon vor Ort, wie der 75-jährige Messebesucher Egon Hübel:

    "Wenn mir irgend etwas schwer fällt überlege ich, wie kann man das erleichtern. Und insofern würde ich auf jeden Fall auf so eine Lösung zurückgreifen."

    Doch die Gehhilfe kann noch mehr: sie ist nützlich beim Einkaufen!

    "Wir haben noch zusätzlich in die Sitzfläche des Rollators eine Siebensegment-Anzeige eingebaut, die ermöglicht über das Scannen eines Barcodes den Preis dieses Artikels auf diese Siebensegment-Anzeige schön groß auszugeben","

    erklärt Franziska Ziegeler. Ihre Schulkameradin Sabrina Wolf nimmt den Scanner vom Rollator und hält ihn an den Barcode einer Himbeermarmelade. 2,00 erscheint in riesigen, rot leuchtenden Zahlen auf der Anzeige. Eine Erfindung, die bei Egon Hübel gut ankommt:

    ""Meine Frau, die hat Schwierigkeiten mit den Augen und sie regt sich immer auf, dass die Schriften immer kleiner werden und man kann einfach nicht mehr erkennen, was das kostet und so weiter. Sie würde das sehr begrüße, so eine Hilfe."

    Für David Sieber könnte der nächste Schritt jetzt kommen:

    "Ich denke es wäre echt cool, wenn wir irgendeinen Investor finden würden, der vielleicht nicht nur Geld uns zur Verfügung stellen würde sondern auch die technischen Möglichkeiten hätte, das herzustellen."

    Ein paar Stände weiter: Edwin Jäger aus dem schwäbischen Rot:

    "Also ich war Tänzer von Beruf, klassischer Bühnentänzer, habe dann 2005 einen Bühnenunfall gehabt, bin auf der Bühne auf ein Eisengitter runtergestürzt und zwar so schwer, dass ich am Rücken operiert werden musste. Physiotherapeuten haben mir zu der Zeit dann gesagt, mach im Prinzip alles was wackelt, was das so die kleinen Muskeln direkt an der Wirbelsäule, die ich wieder auftrainieren musste, kräftigt."

    Herausgekommen ist schließlich ein nicht ganz normaler Bürostuhl,…

    "…weil die Sitzfläche ganz beweglich gelagert ist und zwar auf einer Kugel mittels zweier Lagerschalen. Der wesentliche Vorteil ist jetzt ich kann die Sitzfläche kippen, ich kann aber auch die Sitzfläche nach allen Seiten verschieben."

    Der Stuhl wird bereits seit ein paar Jahren in der Physiotherapie eingesetzt. Doch nun kann er noch mehr: Ein Sensor in der Sitzfläche übermittelt die Bewegungen an einen Computer. So könnte Jägers Erfindung eines Tages zum Beispiel Menschen ohne Arme dabei helfen, einen Computer zu bedienen.