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Wasserkraft in der Schweiz

Westliche Schweiz, inmitten des Kantons Wallis. Hier wurde vor knapp zwei Jahren die Erweiterung des Wasserkraftwerks fertig gestellt. Der Name: Grand Dixence. 12 Jahre hat es insgesamt gedauert, bis es soweit war: Sechs Jahre für die Planung, weitere sechs für die Umsetzung - 800 Menschen arbeiteten daran. Durch das dritte, neue Produktionswerk in Bieudron hat man das Potential des Wasserkraft-Komplexes um das 2,5-fache hochgeschraubt.

von: Anna Florenske |
    In Europa ist das einmalig: Grand Dixence hat nun insgesamt eine maximale Leistung von 2000 Mega Watt. Damit produziert die Anlage genauso viel, wie zwei große Atomkraftwerke vom Typ Biblis. Das sind gut vier Prozent des in dem Alpenstaat produzierten Energie.

    Auf 2400 Meter Höhe über dem Meeresspiegel liegt die Quelle für den grünen Strom, und zwar hinter der Staumauer von Cleuson. Hier wird das Schmelzwasser der umliegenden 35 Gletscher gesammelt, erklärt Pierre Loth, der französische Chefingenieur des Projektes.

    Pierre Loth: "Das Wasser von den Gletschern fließt in kleine Tälchen. Dieses Wasser geht durch Gitter, durch diese Gitter in Rohre, in kleine Becken. Und von diesen kleinen Becken gehen Pumpstationen aus, die das Wasser hoch bringen in einen Stollen, in die es in per Gravität fließt. Wir haben 100 Km von Stollen, die das Wasser aufnehmen und zum See führen."

    Die Gletscherschmelze beginnt etwa im Mai/Juni. Jetzt, gegen Ende September, ist der Stausee bis zum Rand gefüllt. Ungefähr 400 Millionen Kubikmeter Wasser warten darauf, ins Tal zu donnern und umweltfreundlichen Strom zu bringen. Der Ingenieur nennt das die "Arbeit des Wassers". Wegen der fast zweitausend Meter Höhenunterschied (das ist übrigens das größte Gefälle der Welt bei einem Wasserkraftwerk) ist die hier besonders effektiv. Dadurch bringt jeder Kubikmeter Wasser mehr als 4 Kilowattstunden. Bei herkömmlichen Flusskraftwerken hingegen ist die Ausbeute wesentlich geringer, denn sie haben höchstens ein Gefälle von circa 100 Metern. So schaut Pierre Loth stolz auf den Gebirgssee und fügt hinzu: "Das ist unser Schatz".

    Pierre Loth: "Am Fuß von der Mauer ist ein Loch, hinter diesem Loch ist ein Stollen, 16 Kilometer lang. Er bringt das Wasser zum Schacht, gepanzerter Stahlschacht unterirdisch. Der bringt das Wasser zu den drei Turbinen. Am Ende hat das Wasser eine große Geschwindigkeit, proportional zur Höhendifferenz. Dieser Wasserstrahl stößt auf die drei Turbinen und die drei Turbinen drehen sich und produzieren Energie."

    Umweltfreundlich erzeugte, versteht sich. Und die wird ausschließlich im Winter eingesetzt, zu Spitzenzeiten, als sogenannter Spitzenstrom. Denn wenn es kalt ist und der Energiebedarf hoch, dann lassen sich die besten Preise erzielen. Das ist wichtig, damit sich die kostspielige Anlage rentiert – allein der Ausbau der letzten Produktionsstufe in Bieudron hat gut 1 Milliarde Euro gekostet. Ansonsten hätte die modern erzeugte Energie aus Wasserkraft hier keine Chance, gegen den preisgünstigen Strom der abgeschriebenen Atomkraftwerke anzukommen. Sie decken zum größten Teil den Grundbedarf an Strom in der Schweiz.

    Pierre Loth: "Wir sagen Spitzenenergie. Das ist schnell zur Verfügung. Das ist die Qualität, die die anderen Typen von Elektrizität nicht haben. Um ein Thermokraftwerk zu starten, braucht man viele Tage. Hier: drei Minuten. 662 Das ist am schnellsten. In drei Minuten können wir 2000 Megawatt ins Netz werfen. Es muss nur ein Schieber geöffnet werden – und fertig. Das Wasser kommt."

    Nach getaner Arbeit wird das Wasser dann in die Rhone entlassen. Es sei durch die Stromgewinnung nur äußerst geringfügig erwärmt, versichern die Betreiber von Grand Dixence: Weniger als ein Zehntel Grad – für die Fische und Co. bestehe da keine Gefahr.