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Wassernot auf den Ostfriesischen Inseln

Seit einigen Jahren verschlechtert sich die Versorgungslage mit Trinkwasser auf den Ostfriesischen Inseln Norderney, Langeoog und Borkum beträchtlich. Wasserwerker, Ingenieure und Forscher aus Braunschweig, Hannover und Oldenburg haben daher die Trinkwasservorräte im Untergrund des Wattenmeeres und der Inseln untersucht. Was getan werden muss, verrieten sie auf einer Tagung, die am vergangenen Wochenende in Braunschweig an der Technischen Universität zu Ende ging.

von Holger Wüstefeld | 26.02.2001
    So könnte es bald auf den ostfriesischen Inseln Norderney, Borkum und Langeoog klingen: Kaum ein Tropfen Wasser kommt mehr aus der Leitung. Denn Süßwasser ist keine Selbstverständlichkeit - rund um die Inseln versickert nämlich nur Salzwasser im Meeresboden. Und wer möchte sich damit schon gerne tagein, tagaus waschen oder seine Zähne putzen - mal ganz zu schweigen davon, den Ostfriesentee mit Salzwasser zuzubereiten. Warum beim Aufdrehen des Wasserhahns auf den Inseln trotzdem Süßwasser fließt, erklärt Professor Joachim Wolff von der Technischen Universität Braunschweig:

    Die Inseln haben ja alle hohe Dünenareale. Der Niederschlag versickert in den Dünenarealen und bildet eine Linse. Die Linse kann sehr mächtig sein und dellt das darunter liegende Salzwasser ein.

    Wenn die Leitung, an der ein Wasserhahn hängt, genau in dieser Linse endet, dann läuft beim Aufdrehen Süßwasser in den Teekessel. Rund um die Inseln versickert dagegen Salzwasser. Aus diesem Grund ist das Süßwasser unter den Inseln sehr kostbar und muss entsprechend vorsichtig bewirtschaftet werden:

    Joachim Wolff: Diese Linse ist natürlich sehr sensibel: Wenn ich zu viel Wasser abziehe, schaffe ich ein Vakuum und Salzwasser fließt nach. Das kriege ich dann kaum wieder raus.

    Ein weiteres Problem:

    Joachim Wolff: Wenn ich mehr oder weniger häufig Sturmfluten habe, die meine Dünen wegreißen, habe ich eine kleinere Linse. Das Problem ist zum Beispiel auf Borkum nicht unerheblich.

    Daher hat Joachim Wolff in den vergangenen zwei Jahren mit Wissenschaftlern aus Oldenburg, Hannover und Braunschweig den Untergrund der Inseln auf den Vorrat an Süßwasser untersucht. Die Forscher haben dazu das Grundwasser der Inseln angebohrt und Wasserproben genommen.

    Das Ergebnis für Norderney stimmt die Forscher zufrieden:

    Joachim Wolff: Wir haben dort eine relativ große Grundwasserlinse, die es ermöglicht, den Ansprüchen der Trinkwasserversorgung zu genügen.

    Auf Norderney kommt jedoch erschwerend hinzu, dass die Trinkwasserversorgung sichergestellt sein muss ohne ökologischen Schaden anzurichten - und das alles, ohne Salzwasser aus dem Meer zu ziehen. Dieser Spagat gelang in der Vergangenheit nicht immer:

    Joachim Wolff: Es gab eine gewisse Nutzungskonkurrenz mit dem Naturschutz im Nationalpark, weil wir dort Feuchtbiotope haben. Man vermutete von seiten des Naturschutzes, dass diese Feuchtbiotope durch die Wasserentnahme geschädigt werden.

    Tatsächlich bestätigte sich dieser Verdacht durch die Untersuchungen der Geologen. Die Stadtwerke Norderney reagierten prompt. Sie haben in den vergangenen Monaten dafür gesorgt,

    Joachim Wolff: ...dass wir statt einer kleinen Anzahl Brunnen mit hoher Wasserförderleistung, wie das in vielen Gebieten der Fall ist, für diese speziellen ökologisch sensiblen Gebiete mehrere Brunnen haben, die nicht so tief sind, also nicht so weit in die Linse reingehen und dort weniger Wasser an mehr Brunnen fördern. Und wir haben erreicht, dass diese Brunnen, die nahe dieses Feuchtbiotops liegen, in Trockenzeiten nicht genutzt werden. Dadurch ist das Problem dort mehr oder weniger entschärft worden.

    Ganz anders ist die Situation auf Langeoog:

    Joachim Wolff: Dort ist der Wasserhaushalt angespannter. Die Süßwasserlinse ist bedeutend geringer. Das liegt daran, dass das Dünenareal geringer ist. Die Salzwasserintrusion vom Meer ist näher an der Süßwasserlinse dran.

    Ein Eindringen von Salzwasser in das Grundwasser - von den Experten Salzwasserintrusion genannt - ist der Alptraum der Wasserversorger. Doch was ist zu tun? Klar ist bislang, dass das Grundwasser auf allen untersuchten Ostfriesischen Inseln an mehr Stellen als bisher, dafür aber in geringerer Tiefe angezapft werden muss.

    Joachim Wolff: Wir müssen auch klar sagen - und das ist auch die Meinung der Wasserversorger - dass ein weiterer Anstieg des Tourismus dort aus diesen Gründen nicht mehr möglich wäre.

    Die Umstellung der Wasserversorgung auf den Ostfriesischen Inseln ist beispielhaft für ganz Deutschland, denn die seit Dezember 2000 geltende EU-Wasserrahmenrichtlinie erlaubt nur noch eine lokale Bewirtschaftung. Das schont die Wasserressourcen, damit aus den Wasserhähnen auch in Zukunft noch so viel gutes Wasser zu Tage fließt wie heute.