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Wassernot auf der Insel

Hitze und Trockenheit sind in südeuropäischen Ländern wie Spanien und Portugal keine Seltenheit. Dass aber ausgerechnet in Großbritannien die Menschen in diesem Jahr unter Trockenheit leiden, ist außergewöhnlich. Besonders im Südosten des als Regeninsel verschrienen Eilands herrscht akuter Wassermangel. Der Grundwasserspiegel ist drastisch gesunken, genauso wie die Wasserpreise gestiegen sind. Meteorologen sprechen von einer der schlimmsten Trockenheiten seit 100 Jahren. Martin Zagatta berichtet.

    "Severn Trent Water", der örtliche Wasserversorger, nennt es eine Vorsichtsmaßnahme. Doch die hellblauen Tanks, die das Unternehmen jetzt in den Straßen von Mansfield aufgestellt hat, in der Grafschaft Nottinghamshire in Mittelengland, sie sorgen für Aufregung in der Kleinstadt.

    Das habe Alarmstimmung ausgelöst, sagt die Hausfrau Dee Hassal. Viele ihrer Nachbarn würden klagen, dass die Tanks einfach so abgestellt wurden, ohne Ankündigung. Das verursache regelrecht Panik, und in dem Supermarkt des Stadtviertels sei Wasser schon so gut wie ausverkauft.

    Hamsterkäufe nicht ohne Grund. Schließlich hat "Severn Trent Water" die 1000-Liter-Tanks aufstellen lassen, mehr als 100 an der Zahl, weil Versorgungsengpässe drohen, nach der Hitze der vergangenen Tage. Das Reservoir, aus dem die Stadt versorgt wird, verfüge nur noch über ein Sechstel seines normalen Pegels, hat das Unternehmen wissen lassen. Sollte es nicht bald regnen, könne man sich gezwungen sehen, das Wasser zumindest zeitweise abzustellen. Eine Ankündigung, die viele überrascht hat. Schließlich gilt die Region als regenreich, auch wenn England, vor allem der Südosten, schon seit Monaten mit einer regelrechten Dürre zu kämpfen hat.

    Die Situation sei ernst, meint David King von der britischen Umweltbehörde. Nach 18 Monaten mit Niederschlägen jeweils unter dem Durchschnitt, könne es im Verlauf des Sommers sogar zu Wasserunterbrechungen kommen. Experten wie er, befürchten mittlerweile die schlimmste Trockenheit seit 100 Jahren. Betroffen ist bisher vor allem der Südosten der Insel, die Hauptstadt London und die an die Millionenmetropole angrenzenden Grafschaften. Für mehr als 15 Millionen Menschen gilt hier bereits ein Verbot, Wasserschläuche oder Sprinkleranlagen zu benutzen.

    Einige der Wasserversorger haben sogar schon so genannte Dürrenotverordnungen genehmigt bekommen - eine weitergehende Rationierung, die auch das Füllen von Swimmingpools oder das Waschen von Autos verbietet. Für Unmut sorgen solche Sparmaßnahmen bisher vor allem im Großraum London, wo der Versorger "Thames Water", wegen Wasserverschwendung in seinem maroden Leitungssystem, schon heftig in der Kritik steht.

    In London versickert so viel Wasser, dass das nicht hinzunehmen ist. Das Problem ist aber, dass ein Drittel der Leitungen mehr als 150 Jahre alt ist und ersetzt werden muss. So verteidigt Richard Aylard von "Thames Water", dass das Unternehmen jeden Tag die unvorstellbare Menge von fast 900 Millionen Litern verliert. Die Tochterfirma des deutschen RWE-Konzerns sorgt für Unmut, weil sie ihre Preise zuletzt um über 20 Prozent erhöht hat, bei der Reparatur der Rohre allerdings die vorgegebenen Ziele bei weitem nicht erreicht.

    Genauso wie auch die Nummer Zwei auf der Negativliste: "Severn Trent Water", zuständig für sieben Millionen Kunden in Mittelengland und Wales. 540 Millionen Liter am Tag lässt das Unternehmen versickern, das gerade die hellblauen Tanks in Mansfield aufgestellt hat.

    Eine "Schweinerei" nennt Dee Hassal die Aussicht, sich demnächst mit Wassereimern aus Tanks versorgen zu müssen. Richtig heiße Länder würden das doch auch meistern - während es nach einigen Tagen Sonnenschein in England schon kein Wasser mehr gebe. Da frage sie sich schon, was falsch läuft, bei dem vielen Geld, das sie bezahlten.

    Und das fragt sich nun auch die Regierung. Schließlich hat "Thames Water" seinen Gewinn um mehr als 30 Prozent gesteigert im zurückliegenden Jahr, "Severn Trent Water" sogar um nahezu 40 Prozent. Beiden Unternehmen hat die britische Regulierungsbehörde nun hohe Strafzahlungen angedroht, die allerdings an einem nichts mehr ändern können: ausgerechnet England muss nun auf ausgiebigen und lang anhaltenden Regen hoffen.