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Wassernot in Andalusien
Erdbeeren für den Norden Europas

3,7 Millionen Hektar Agrarfläche werden in Spanien bewässert, und es werden trotz der Wasserknappheit immer mehr. "Wovon sollen wir leben?", fragt der Vorsitzende eines Kleinbauernverbands. Die Bauern sind in der Defensive. Dabei betonen sie, sie würden schon lange nur tröpfchenweise bewässern.

Von Hans-Günter Kellner | 27.06.2019
Erdbeerbauer Manuel Piedra in einem seiner Gewächshäuser
"Man kann den Landwirten nicht an allem die Schuld geben", sagt Erdbeerbauer Manuel Piedra (Hans-Günter Kellner / Deutschlandradio)
So wie die Bauern auf dem Feld skeptisch sind, sind es auch die Funktionäre. Dennoch sitzt nun der Vorsitzende des Kleinbauernverbands, Manuel Piedra, gut gelaunt am Steuer und fährt aus Palos de la Frontera hinaus.
In der Ferne zeichnen sich die Türme der chemischen Industrie ab, neben der Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig in der Provinz Huelva. Einer ansonsten gebeutelten Gegend Andalusiens mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit.
Die Fahrt dauert nicht lange, die Erdbeerfelder liegen direkt vor der Stadt.
"Diktator Franco hatte dieses Gebiet in den 1970er-Jahren noch für Fabriken vorgesehen", erklärt Manolo, wie er lieber genannt werden möchte. "1982 erlaubte die sozialistische Regierung aber, dass die Leute dieses Land für die Landwirtschaft nutzen. Die Leute konnten sich so viel nehmen, wie sie wollten. Es gab regelrechte Kämpfe um das Land."
"Wir bewässern hier mit dem Tropfensystem"
Und so kamen die Erdbeeren nach Palos de la Frontera. Manolo biegt in eine der vielen Straßen inmitten der Plantagen ein. Rechts und links Erdbeerfelder. Über Rundbögen aus Metall sind Plastikfolien gespannt, darunter die Früchte. Manolo parkt den Kleinwagen zwischen anderen Autos. Noch bevor er seinen kräftigen Körper aus dem Fahrersitz wuchtet, versichert er:
"Wir bewässern hier seit mehr als 30 Jahren mit dem Tropfensystem. Das Wasser kommt aus einem Stausee, wir haben hier keine Brunnen. Es stimmt, weiter östlich, im Condado, haben sie Probleme mit den Brunnen, aber das liegt auch daran, dass die Wasserversorgung aus dem Stausee nur bis hierher reicht."
Beim Rundgang durch die Felder erklärt der Vorsitzende des Kleinbauernverbands das in seinen Augen besonders moderne Bewässerungssystem. Sensoren messen die Feuchtigkeit am Boden, nach diesen Werten steuert ein Computer die Verteilung des Wassers.
"Der Computer misst ganz genau, wann er wie viel Wasser ins System schickt. Überflüssiges Wasser fließt zurück ins Becken. So weiß das Programm zum Beispiel, dass von 10.000 Litern für die Bewässerung 6.000 Liter wieder zurückgekommen sind. Ich spare mit diesem System 50 Prozent Wasser."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Andalusien - Ausbeutung der Wasserreserven".
Die Saison steht hier vor dem Ende. Etwa 15 Erntehelfer pflücken auf dem Feld die letzten Erdbeeren. Die Hälfte sind Afrikaner, ein paar Osteuropäer, der Rest Spanier. Afrikanische Rockmusik tönt aus einem Handy. Die Arbeiter stapeln das Obst aus den Beeten auf Kisten und füllen die Paletten. Bevor ein Traktor sie wegfährt, greift Manolo hinein: rote, saftige Früchte, süß wie Zucker. Für den Markt, die Nachbarn im Norden, allerdings zu reif.
"Das kann man nicht mehr nach Europa schicken. Das mag Dir gefallen, aber bis das in Deutschland ist, ist es Matsch. Damit die Frucht auf den Markt kann, muss sie so aussehen."
Grüne Erdbeeren für Deutschland
Der Landwirt zeigt auf ein grünes Exemplar. Die reifen Früchte würden nur noch Marmeladenhersteller oder die Kosmetikindustrie abnehmen, für 30 Cent pro Kilo. In der Hochsaison von Januar bis März, wenn die Erdbeeren aus der Region die einzigen auf dem europäischen Markt sind, liege der Preis bei 80 Cent pro Kilo.
Sehen perfekt aus, überstehen bei diesem Reifegrad aber keinen Transport mehr in den Supermarkt: Erdbeeren
Sehen perfekt aus, überstehen bei diesem Reifegrad aber keinen Transport mehr in den Supermarkt: Erdbeeren (Hans-Günter Kellner / Deutschlandradio)
Manolo bemüht sich um Transparenz, er weiß, die Bauern stehen unter verschärfter Beobachtung. Die Berichte über illegale Bewässerung, Pestizideinsätze oder die Situation der Erntehelfer machen der Branche zu schaffen. "Schlecht recherchierte Räuberpistolen", schimpft er. Wie auch immer, die Verbraucher werden zunehmend kritischer. Schweizer Supermärkte kontrollieren darum nun die Nachhaltigkeit in den Plantagen, bei denen sie einkaufen.
"Wir sind die ersten, die sich beschweren, wenn ein Landwirt den Tarifvertrag nicht einhält. Aber man muss auch Ross und Reiter nennen, statt zu verallgemeinern. Dann können auch die Gewerkschaften was unternehmen. Das muss man doch verstehen."
"Wir brauchen Landwirtschaft, Hotels und die Umwelt"
Der Weg zurück zum Wagen führt an drei Wohncontainern vorbei. Hier leben die Erntehelfer. Der Tarifvertrag schreibt nicht nur einen Tageslohn von knapp 40 Euro, sondern auch eine Unterkunft vor. Rund 30.000 Saisonarbeiter benötige die Region, viele werden in Marokko unter Vertrag genommen und kehren später wieder nach Hause zurück.
Schon aus Mangel an Erntehelfern könne die Bewässerungslandwirtschaft nicht weiter wachsen, versichert der Bauer. Doch selbst 2017, einem der trockensten Jahre, sind neue Obst- und Gemüseplantagen entstanden.
"Was sollen wir denn hier essen, wovon sollen wir leben? Es muss ein Gleichgewicht herrschen. Wir brauchen Landwirtschaft, Hotels und auch die Umwelt. Alles muss nachhaltig sein. Wenn ein Landwirt zu viel Wasser verbraucht, braucht er Hilfen, damit er in moderne Bewässerungsmethoden investieren kann. Aber man kann den Landwirten nicht an allem die Schuld geben."
3,7 Millionen Hektar Agrarfläche werden in Spanien inzwischen bewässert. Durch die immer neuen Flächen wächst auch der Wasserverbrauch weiter – trotz modernster Technik.