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Wasserski
Seilbahnen fürs Wasser

Mit dem Motorboot Wasserski fahren, das sei so, als wenn man Skilaufen geht und dann mit dem Hubschrauber wieder nach oben fliegt, findet Bruno Rixen. In den 1960er-Jahren erfand der Oberbayer die Seilbahn fürs Wasserski-Fahren - und hat sich mit seinem Unternehmen zum Weltmarktführer gemausert.

Von Klaus Lockschen | 02.06.2017
    Ein Wasserskisportler ist am 25.07.2016 auf einem See nahe Zossen in Brandenburg bei sommerlichen Temperaturen unterwegs.
    Ein Wasserski-Sportler auf einem See in Brandenburg. Die Begeisterung für den Sport war der Ausgangspunkt für Bruno Rixen, sein Unternehmen Rixen Cableways zu gründen. (dpa / Ralf Hirschberger)
    "Die Historie, hier der kleine Bogen und dann hier ein bisschen größer. Das waren eben die Anfänge hier. Das sind Luftpumpen, ja, das sind Luftpumpenrohre…"
    Wie sich der Wasserskisport wohl entwickelt hätte - ohne Luftpumpen und die im Volksmund als Knutschkugel bezeichnete BMW-Isetta - darüber mag man spekulieren. Für Bruno Rixen jedenfalls waren die Teile zeitweilig wichtige Elemente auf dem Weg, sein Lebenswerk zu realisieren.
    Anfänge im Hühnerstall
    Als Pionier in Sachen Wasserski-Seilbahn hat der noch sportliche 85-Jährige zwar die Sturm- und Drangzeit des Improvisierens längst hinter sich gelassen und sich mit seinem Unternehmen Rixen Cableways im oberbayrischen Bergkirchen zum Weltmarktführer gemausert, aber er erzählt doch immer gerne und mit Feuer in seinen blauen Augen von den Anfängen. Und deutet auf Bilderrahmen, in denen zahlreiche Fotos aus den End-Fünfzigern und frühen Sechzigern stecken.
    "Meine erste Werkstatt im Hühnerstall, hier bauen wir gerade die Bahn auf, hierüber läuft das Umlaufseil, den Antrieb hier: meine Isetta. Da wurde ein Rad abgeschraubt, die hatte kein Differenzial, und die Isetta hat das Ganze angetrieben".
    "Mit dem Motorboot ist Wasserski fahren unrentabel"
    Am Anfang steht die Begeisterung, erzählt Rixen: "Ich bin nach meinem Studium das erste Mal in den Niederlanden Wasserski gefahren. Das hat mich so begeistert, dass ich sagte: Mit dem Motorboot, das ist unrentabel. Das ist so, als wenn Sie Skilaufen gehen und fahren mit dem Hubschrauber nach oben".
    Der 27-jährige Ingenieur sucht eine andere Lösung und kommt auf die Idee mit der Seilbahn. Statt Boot solle ein fingerdickes Seil den Vortrieb leisten: Wasserski, Mensch drauf, Seil in die Hand und los! So etwas gibt es bis dato weltweit noch nicht. Anleihe bei den Skiliften macht er nicht. Gemeinsamkeiten sind, wie er später feststellt, auch gering.
    "Ich hab nie einen Skilift gesehen, Gott sei Dank nicht. Ich war frei in der Entscheidung, völlig frei, unbedarft. So: was will ich, was sind die Probleme, wie löse ich die Probleme?"
    Erster Test mit die abenteuerlicher Konstruktion
    Erst analytisch, dann praktisch: Er schraubt dem Bruder die Rollen vom Mähdrescher und besorgt ein langes Drahtseil, um damit in seiner Heimatgemeinde nahe Kiel mit Freunden zum Bordesholmer See zu gehen. Schnell noch das Genehmigungsverfahren.
    "Den Förster hab ich gefragt. Ja, dürfen Sie, aber kostet drei D-Mark".
    Seil und Räder werden zwischen Ufer und Insel an Bäumen befestigt, so dass sich ein Dreieckskurs ergibt. Angetrieben wird die abenteuerliche Konstruktion mit der Isetta. Mit selbst gebauten Skiern auf die Startrampe, die Schleppleine fest im Griff und ab in die Hocke. Motor an – mit einem mächtigen und schmerzhaften Ruck geht es auf Tempo, bis zu dem Punkt, an dem die Umlenkrolle das Seil ablenkt. Die Halteleine schlafft ab, der Tüftler versinkt fast, um dann wieder unsanft in die neue Richtung gebracht zu werden. So nicht!
    "Ich es nicht glauben, dass die Lösung so einfach war."
    Erneute Problemanalyse und Lösungsansatz: Nicht unter dem Seil anfahren, sondern mit der Schleppleine in einem gebührlichen Abstand zur Seite gehen. Dann sorgt die spezielle Kurvenfahrt für ein sanftes, kontinuierliches Beschleunigen. Rixen wundert sich noch immer:
    "Dass die Lösung so einfach war, ich konnte es nicht glauben. Da habe ich es ausprobiert, erst mal auf dem Land und dann auf dem Wasser. Siehe da, es war richtig!"
    Die Lösung für die Richtungsänderung fehlt noch. Auch die kommt bald: Frühzeitig einen weiten Außenbogen fahren, damit das Tempo bleibt. Aber neue Probleme offenbaren sich: Ein schnell rotierendes Seil wie beim Wasserski hat einen Propellereffekt, gibt Rixen zu bedenken.
    "Ein Seil allein dreht sich um sich selbst. Würde gar nicht gehen. Dann war die Idee, zwei Seile zu nehmen".
    Die werden parallel untereinander geführt und durch Abstandshalter verbunden, und der Drall ist unterbunden. 37 Patente kommen letztlich zusammen.
    Zwischen 14 und 18 Seilbahnen im Jahr
    1961 gründet Bruno Rixen sein Unternehmen und startet mit einer Pilotanlage in der Ostsee. Die erste verkaufte Seilbahn geht 1966 ins spanische Benidorm. Seither sind weltweit und auf allen Kontinenten 440 Bahnen verkauft worden, 72 in Deutschland.
    Für Unternehmenszahlen ist Melissa Züfle, die rechte Hand des Tüftlers, zuständig:
    "Wir bewegen uns zwischen 14 und 18 Seilbahnen. Im Durchschnitt haben wir zwischen sechs und 6,5 Millionen Umsatz. Aber die Skala geht definitiv nach oben".
    Denn dieser Sport ist als Olympiadisziplin im Gespräch, was auch die Sportministerien rund um den Globus aktiv werden lässt. Steigt die Nachfrage, könnte die Belegschaft von 20 Beschäftigten noch expandieren, bemerkt Bruno Rixen, der auch jetzt noch gerne Slalom fährt. Die Hälfte der Wertschöpfung liegt außerhalb des Hauses, erklärt Melissa Züfle.
    Jedes Seilbahn-Teil wurde vom Unternehmer selbst entwickelt
    "Wir sind ein Ingenieurunternehmen, wo jedes Teil eigentlich noch von Herrn Rixen fast selbst entwickelt wurde, und da er auch schon selber so angefangen hat, die Produktion selber nicht zu gestalten, nur zu 'assemblen', hat er das immer anfertigen lassen".
    Die riesige Halle, 70 mal 30 Meter groß, wirkt für die Teilemontage überdimensioniert, sie birgt aber auch ein großes Ersatzteillager mit Millionenwert, um 'overnight' liefern zu können.
    "Es gibt ein paar markante Teile wie diese Pylone", beschreibt Züfle, "und besonders diese Umlenkräder, ein Hauptteil sozusagen. Wir beziehen die von Ferrari".
    Es scheint: Wo Ferrari und Isetta sich befruchten, da laufen die Geschäfte wie am Schnürchen oder, um im Bild zu bleiben, am Doppelseil.