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Wasserverschmutzung schneller erkennen

Die Überwachung von Flüssen und Seen auf Verschmutzung ist bisher sehr aufwändig: Eine Probe muss ins Labor gebracht werden, dort wird sie aufkonzentriert und dann auf jeden Schadstoff einzeln untersucht. Eine umständliche und teure Methode. Ein neuer Sensor soll diese Aufgabe bald schneller erledigen.

Von Hellmuth Nordwig |
    Der Sensor steckt in einem blauen Kästchen, das aussieht wie ein PC. Wer es aufschraubt, der sieht erst einmal ein Gewirr von Plastikschläuchen, dazwischen kleine Töpfchen mit Flüssigkeiten und eine rote Laserlampe. Das Ganze ist nichts anderes als ein Analyselabor im Miniaturformat. Sein Herzstück ist erst auf den zweiten Blick zu sehen: ein briefmarkengroßes Glasplättchen, verkapselt unter Plexiglas. In dieser so genannten Flusszelle können 30 Schadstoffe auf einmal nachgewiesen werden, berichtet Günter Gauglitz, Analytik-Professor an der Universität Tübingen.

    " Diese Flusszelle ist zum Beispiel mit einem Fluss verbunden, oder man pumpt aus dem Grundwasser in diese Flusszelle eine Probe hinein, in der diese Schadstoffe sind. "

    Wie etwa Atrazin, ein verbotenes Unkrautvernichtungsmittel. Wenn diese Substanz in der Probe enthalten ist, wird sie in der Flusszelle von Fängermolekülen erkannt und abgefangen. Anderenfalls bleiben die Fängermoleküle leer und lassen sich nur dann auf einem für sie reservierten Platz auf dem Glasplättchen nieder. Dieses Platznehmen bedeutet also, dass kein Schadstoff im Gewässer ist, und es wird als Leuchtsignal sichtbar gemacht.

    " Es ist sozusagen ein umgekehrter Test. Jetzt kann ich also an bestimmten Punkten sehen: Da leuchtet es, aha, wenn es da leuchtet, das ist nicht drin. Und wo es nicht leuchtet, da weiß ich, da ist was drin. Dabei kann ich nicht nur eine Ja-Nein-Entscheidung treffen, sondern ich kann die Messung auch quantifizieren. Denn in einem Vorversuch gebe ich in die Lösung einen Schadstoff nach dem anderen in verschiedenen Konzentrationen hinein, und ich sehe mir an, wie stark sich das Leuchten in Abhängigkeit von der Schadstoffmenge ändert. "

    Deshalb weiß Günter Gauglitz auch genau, was der Sensor leistet.

    " Die Nachweisgrenze der EU und auch der Trinkwasserverordnung sind 100 Nanogramm pro Liter. Mit unserem System können wir weniger als ein Nanogramm pro Liter nachweisen. "

    Neben Atrazin erfasst der Sensor auch andere Herbizide und Pestizide, außerdem Antibiotika, die in der Tierzucht verwendet werden. Wichtig ist auch der Nachweis hormonähnlicher Substanzen. Östrogene, Testosteron und Progesteron dürfen nicht ins Trinkwasser gelangen, weil sie im Verdacht stehen, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Einige dieser Stoffe sind in Medikamenten enthalten, zum Beispiel in der Antibabypille. Und Hormon-ähnliche Verbindungen stecken als Weichmacher in PVC und anderen Kunststoffen. Bisher musste jeder dieser unerwünschten Stoffe in einer aufwändigen Analyse einzeln nachgewiesen werden. Der neue Sensor sucht nun gleichzeitig nach einer ganzen Palette davon. Die ersten Praxistests hat das Gerät aus Tübingen auch schon bestanden, sagt Günter Gauglitz.

    " An drei verschiedenen Stellen in Europa haben wir das Gerät Tage lang unüberwacht stehen gelassen, und es hat gemessen. Wir haben diese Werte in einem sehr aufwändigen Verfahren mit konventioneller Analytik verglichen. "

    Mit dem Ergebnis, dass der Sensor genau so gut abschneidet wie die Laboranalyse. Er macht aber eine kontinuierliche Überwachung möglich, denn eine Messung dauert nur zwölf Minuten. Nur alle sechs Wochen muss die Flusszelle ausgetauscht werden. Günter Gauglitz schätzt ihren Preis auf etwa fünfzig Euro, große Stückzahlen vorausgesetzt. Auch die Reagenzien sind relativ preiswert. Nur eines verhindert bisher den Einsatz des Sensors: Die derzeitigen Bestimmungen sehen keine kontinuierliche Überwachung von Gewässern vor, und Messinstrumente an Stelle akkreditierter Labors schon gar nicht. Das wird sich spätestens 2007 ändern. Denn bis dahin muss eine entsprechende EU-Richtlinie auch in Deutschland umgesetzt sein.