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"Water between Three Hands" von Rabih Mroué in Hamburg
Vorzeigeprojekt für die Zukunft?

Von Elisabeth Nehring |
    "Bei Ausgrabungen in meinem Körper stieß ich auf menschliche Knochen, die nicht zur mir gehörten. Es schien, als wäre ein Massengrab im Inneren meines Körpers. Und ich hatte keine Ahnung, wer die Toten waren. Es war schwierig, zu erkennen, welche Teile zu den fremden Körpern gehörten und welche zu meinem."
    Der Tänzer Christopher Roman steht in weißem Hemd und heller Hose am Mikrofon und erzählt von der Entfremdung des eigenen Körpers in einem fast heiteren Ton. Später wird seine Kollegin Amy Shulman bekennen, dass sie eines Morgens ohne Gesicht aufgewacht sei. Und die Tänzerin Brit Rodemund gibt Preis, dass sie beim mehrfachen Durchzählen ihrer Knochen stets einen weniger vorgefunden hat – und irgendwann Angst bekam, sie würde alle Knochen verlieren, wenn sie immer weiter zählte.
    Der Köper, der keine Heimat für das Individuum mehr ist, weil er sich als fremd, angreifbar, dysfunktional oder vergänglich erweist – darum kreist das erste Tanzstück des libanesischen Theatermachers und Performers Rabih Mroué.
    Bei aller Konkretheit des gesprochenen Wortes bleiben die tänzerischen Sequenzen von "Water between Three Hands" ganz abstrakt: Wir sehen Variationen gestischen Materials; verschiedene Improvisationen auf ein Bewegungsthema wie das Ausbrechen der Arme; das Aufgreifen und Fortführen von Bewegungsideen, wie den Körper aus der Achse und wieder zurückbringen. Impulse werden innerhalb der Gruppe aufgenommen und fortgeführt, immer wieder wird neu angesetzt und zwischendurch lange verharrt. Einmal erklärt jeder der Tänzer, welches Körperteil eines Freundes er jetzt tanzen wird: Der linke Arm, das rechte Bein, der Torso oder das Nervensystem von xy oder yz dienen da als Inspirationsquelle. Fragmentarisierungen des Körpers auch hier.
    In allen Szenen sitzt der Musiker Philipp Danzeisen am Schlagzeug und setzt dynamische Akzente, die den Rhythmus der Bewegungen anstoßen und bestimmen. Und dennoch will sich die Performance, die sich ganz auf den Zusammenhang von Text, Tanz und Musik konzentriert, nicht recht zu einem ästhetisch und konzeptionell überzeugenden Ganzen fügen. Die eleganten Körperslapstickeinlagen, die ständigen Referenzen auf den Produktions- und Probenprozess, die zwar witzige, aber inzwischen auch recht geläufige Thematisierung der Beziehung zwischen Darsteller und Zuschauer – Regisseur Rabih Mroué scheint auf fast jeden Theaterdiskurs anzuspielen, der in den letzten zehn Jahren auf den Performancebühnen der Welt durchexerziert wurde. Doch damit wird die Inszenierung nicht etwa reicher, sondern verliert etwas von jener existenziellen Schärfe, die die Erzählungen über den Körper evozieren. Bewegung – das zeigt sich deutlich – ist nicht unbedingt das Mittel, mit dem Rabih Mroué gewohnt ist, umzugehen.
    "Water between Three Hands" ist die zweite Uraufführung der im letzten Jahr gegründeten Tanzcompanie Dance On, deren Markenzeichen ihre sechs wundervollen, weil charakterstarken Tänzer über 40 sind.
    Den Anfang machte der Musiker und Komponist Mattheo Fargion mit seiner Produktion "7 Dialogs", als Nächstes folgt die junge Choreografin Kat Valastur, die für das Ensemble eine Uraufführung kreieren wird. In zwei ambitioniert durchgeplanten Jahren soll also ein neues, breites und sehr variantenreiches Repertoire geschaffen werden, das im Idealfall das Altersthema vergessen lassen wird.
    Die Premiere von Mroués "Water between Three Hands" lässt das Potenzial, das in Dance On schlummert, zwar bereits erahnen, jede Menge Platz für Entwicklungen sind aber noch offen.