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Webcam im Stall

Seit Jahren steht die konventionelle Tierhaltung in der Kritik. Sie sei nur an ökonomischen Interessen orientiert, schlicht Tierquälerei, heißt es. In Schleswig-Holstein will der Präsident des Landesbauernverbandes mit einer Webcam im Schweinestall gegen das negative Image angehen.

Von Dietrich Mohaupt |
    Nur einen Spalt weit öffnet sich die Stalltür – rein darf hier niemand ohne penible Einhaltung strenger Hygieneauflagen. Das gilt auch fürs Fernsehen, erklärt Werner Schwarz einem etwas enttäuschten Kameramann.

    "Das Problem ist Ihre Kamera – weil wir die nicht in die Dusche oder in die Desinfektion stecken können, das ist das Problem – und ich nicht weiß, wann Sie wo im Stall gewesen sind, und insofern – hygienisches Problem."
    Industrielle Massentierhaltung ohne Rücksicht auf das Tierwohl und hinter verschlossenen Türen, abgeschirmt vor den Blicken der Öffentlichkeit – so oder so ähnlich kritisieren Tierschützer immer wieder die konventionelle Tierhaltung in deutschen Betrieben. Und weil sich eben nicht jeder Verbraucher einfach mal so selbst im Schweinestall ein eigenes Bild machen kann, will Werner Schwarz künftig per Webcam Live-Bilder übers Internet anbieten, denn

    "wenn wir spüren, dass der Verbraucher nicht mehr versteht, was wir machen, dann wird es doch höchste Zeit, dass wir zeigen, was wir machen, und es auch erklären. In meinem Stall ist alles nach den neuesten Vorschriften, aber auch nach den Erkenntnissen der Tierhaltung aus- und eingerichtet. Und deswegen habe ich überhaupt keine Bedenken, das zu zeigen."

    24 Stunden rund um die Uhr produziert die Kamera alle 20 Sekunden ein neues Bild von drei sogenannten Abferkelbuchten. Zu sehen sind darauf derzeit die Muttertiere und ihre gut eine Woche alten Ferkel. Die Bilder zeigen aber auch zum Beispiel massive Metallbügel, zwischen denen die Sau steht oder liegt – von Bewegungsfreiheit für die Tiere keine Spur. Was auf den ersten Blick vielleicht wie Tierquälerei wirkt, ist notwendiger Schutz für die Ferkel, betont Stallmanagerin Ulrike Tiefensee. Sie ist auf dem Betrieb von Werner Schwarz für rund 500 Zuchtsauen und deren Nachwuchs verantwortlich.

    "Wenn eine Sau sich hinlegt, dann lässt sie sich normalerweise einfach zur Seite fallen. Und diese kleinen Ferkel, wenn die dort gerade liegen, die haben keine Chance wegzukommen. So eine Sau wiegt über 150 Kilo, so ein Ferkel in diesem Alter drei Kilo – da können Sie sich vorstellen, was dann passiert, wenn die Sau da sich drauflegt."

    Live-Bilder aus der Abferkelbucht – Tierschützer würden da lieber großzügige Boxen mit Stroh oder Jutefasern zum Beispiel als Einstreu sehen. Das würde dem natürlichen Nestbautrieb der trächtigen Sauen gerecht werden – die Folgen wären weniger Stress für die Muttertiere und damit auch geringere Gefahr, dass die Ferkel erdrückt werden. Stattdessen zeigt die Kamera einen Metallkäfig und nackten Betonboden, mit ein paar Gummimatten abgedeckt. Das ist die Realität im Schweinstall – und genau die soll der Verbraucher ja auch zu sehen bekommen, betont Werner Schwarz.

    "Der sieht natürlich ein Stück Technik, die da ist. Aber die ganzen Anlagen, die wir da drin haben, haben einen Sinn. Und vielleicht kommen wir dann auch irgendwann in die Diskussion mit Verbrauchern und sagen: Warum ist das so, warum habt ihr das so gemacht? Und das ist für mich die Möglichkeit, dann wieder Vertrauen fortzuentwickeln und zu erweitern."

    Die Kamera im Schweinestall ist ein Pilotprojekt – das anfänglich nicht gerade auf Begeisterung gestoßen ist, gibt der Pressesprecher des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes, Klaus Dahmke, zu. Es habe anfangs bei vielen Bauern erheblich Bedenken gegeben.

    "Die Diskussion in den eigenen Reihen – können wir überhaupt eine Kamera einbauen in einen Stall, wir würden ja ständig öffentlich sein. Unsere Haltung war dann nachher aber so, dass wir nichts zu verbergen haben, wir wollen die ganz normale Produktion zeigen. Das kann auch durchaus sein, dass mal ein totes Ferkel hier in diesem Sauenhaltungsbetrieb geboren wird, aber das gehört einfach zum Leben dazu."

    Und genau dieses Leben sollen die Verbraucher auch zu sehen bekommen, meint Werner Schwarz. Immerhin erwirtschaften die deutschen Bauernfamilien etwa die Hälfte ihres Umsatzes mit der Tierhaltung und sind deshalb auf eine positivere Wahrnehmung, auf ein besseres Image der konventionellen Tierhaltung angewiesen.


    Die Webcam aus dem Sauenstall von Werner Schwarz finden Sie auf der Website des Bauernverbandes Schleswig-Holstein e.V..