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Livestreaming für jedermann

Wie Youtube, nur live, eins zu eins - das ist das Prinzip von Plattformen wie YouNow, Meerkat und Periscope, die es zum Teil erst seit wenigen Tagen gibt, die aber schon Hunderttausende Nutzer angelockt haben. Das Medium fasziniert, birgt aber auch einige Gefahren und Risiken – gerade für junge User.

Von Christoph Sterz | 11.04.2015
    Das ist sie also, die neue Online-Videowelt; das, was Youtube ziemlich alt aussehen lässt. YouNow ist der zurzeit bekannteste Vertreter der Video-Streamer, seit einem knappen halben Jahr in Deutschland, und gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Das liegt auch an der leicht wegklickbaren Frage nach dem Alter der Nutzer. Aber genau das ist das Problem, mahnt Familienministerin Manuela Schwesig im ZDF: "Kinder und Jugendliche, die diese Plattform nutzen, sind sofort für alle im Internet sichtbar. Meist in ihrer privaten Umgebung. Also im Kinderzimmer. Aber sie sind vor allem auch für alle ansprechbar und damit auch leichte Opfer für sexuelle Belästigung oder Cyber-Mobbing."
    Neben dem Jugendschutz gibt es auch einige juristische Probleme, die durch neue Angebote wie YouNow aufkommen: Persönlichkeitsrechte von anderen Menschen zum Beispiel können verletzt werden, wenn diese ungewollt in Live-Streams auftauchen, meint der Medienrechtsanwalt Christian Solmecke. "Das Problem an diesen Plattformen ist, dass direkt rausgestreamt wird, was gefilmt wird. Es gibt also keine Möglichkeit, nochmal was zu korrigieren. Und wenn dann aus Scherz zum Beispiel während des Schulunterrichts der Lehrer gefilmt wird, dann ist die Persönlichkeitsrechtsverletzung schon passiert. Und dagegen kann dann ein Lehrer im Zweifel auch vorgehen."
    Das trifft theoretisch auf alle Streaming-Dienste zu. Allerdings findet man Live-Videos aus dem Schulunterricht vor allem bei YouNow und eher nicht in den gerade erst gestarteten Konkurrenz-Apps Periscope oder Meerkat. Stattdessen gibt es dort zum Beispiel diese Konferenz einer amerikanischen Online-Redaktion; eine Frau, die Fragen über den Feminismus beantwortet oder eine virtuelle Führung durch eine Kläranlage. Periscope und Meerkat sprechen ein älteres Publikum an, sind außerdem direkt mit Twitter verknüpft und bisher nur für Smartphones und Tablets von Apple erhältlich. Während sich bei YouNow vor allem die Probleme der neuen Angebote erkennen lassen, machen Periscope und Meerkat das Potential von den live gestreamten Videos deutlich. Und zwar von der ersten Sendeminute an, meint der Blogger und Journalist Richard Gutjahr.
    "Ich habe ein Beispiel gleich erlebt, just an dem Tag, an dem Periscope an den Start ging. Da gab es eine große Gasexplosion in New York. Und ich habe da mal auf meine App geguckt und tatsächlich poppten da immer mehr Live-Streams auf aus der Region, also rund um die Absperrungen. Noch lange bevor es bei CNN oder bei Fox News irgendwie die ersten Bewegtbilder gab. Das ändert den Journalismus, das ändert natürlich auch die Nachrichtenverarbeitung. Aber dort bleibt das Ganze ja nicht stehen. Wenn die Bürger anfangen und lernen, mit ihrem Smartphone Nachrichten und in Zukunft eben auch Bilder und Bewegtbilder zu verschicken, dann könnte ich mir vorstellen, werden Diktaturen sehr schnell in Bedrängnis geraten."
    Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist: Im Vergleich zu teuren und nicht sofort einsetzbaren Ü-Wagen sind die Livestream-Apps für Journalisten eine unaufwändige Option und gleichzeitig ein neuer Rechercheweg bei Live-Ereignissen. Andererseits könnten Periscope & Co. gerade der PR- und Werbebranche eine Möglichkeit bieten, Journalisten zu umgehen und sich direkt an potentielle Kunden zu richten.
    Wie auch immer sich die neuen Video-Plattformen entwickeln werden: Sie haben in jedem Fall eine große Zukunft vor sich, meint Richard Gutjahr. "Das wird mit dem nächsten Mobilfunknetz in Fleisch und Blut übergehen. Dann wird jeder Mensch, der heute noch mit seinem Smartphone Fotos macht, der wird dann auch livestreamen. Und dann werden wir wirklich an jeder Straßenecke Leute beobachten, die in ihr Telefon reinsprechen und so einen ausgestreckten Arm von sich halten. Und dann wissen wir alle: Okay, die streamen gerade irgendwohin."