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Weg von der Kabel-Leine

Nicht nur der neue alte Chef von HP-Deutschland, sondern auch Intel Präsident Paul Otellini setzt auf mobile Rechner in allen Formen. Drahtlose Netzwerke, allgegenwärtige Rechenkraft, unabhängig von Steckdosen – so sieht auch Otellini das Zukunftsthema der Branche. Und in möglichst allen Geräte der Zukunft sollen allein Chips des weltgrößten Halbleiterherstellers eingesetzt werden. Doch derzeit leidet die Chipindustrie noch immer unter Preisverfall, Überkapazitäten und schwindenden Margen. Selbst der Branchenführer verfehlte im abgelaufenen Quartal erneut die Erwartungen der Analysten.

Beatrice Uerlings |
    Paul Otellinis Botschaft ist eindeutig: Intel mag mit einem Marktanteil von mehr als 80 Prozent zwar immer noch die weltweite Nummer 1 unter den Chipherstellern sein, doch die Krise ist so nachhaltig, dass jetzt jeder Wettbewerbsvorteil zählt. Intel führt einen erbitterten Preiskrieg, um die verlorenen Marktanteile im alten Kern-Geschäft mit Prozessoren zurück zu erobern. So wurden erst im Juli 4000 Mitarbeiter entlassen. Trotzdem investiert der Konzern weiter kräftig in neue Technologien. Nur so werden wir stärker aus der Rezession hervorkommen, meint Otellini, und schaut dabei wie zum auf Beweis auf die neue, zwei Milliarden Dollar teure Expansion der Intel- Produktionsstätte in Rio Rancho, direkt vor seinem Bürofenster: "Wir werden hier Wafer mit einem Durchmesser von 300 Millimeter produzieren. Dadurch sparen wir 30 Prozent an Kosten, denn anders als bei den bisherigen, kleineren Siliziumscheiben fällt weniger Verschnitt an. Nächstes Jahr gehen wir hier auch zur 90-Nanometer-Technik über, mit der wir billigere Kommunikationschips fertigen können."

    Die Vorbereitungen für den Wiederaufschwung laufen auf Hochtouren. Intel zweigt 3,9 Milliarden Dollar für die Entwicklung neuer Technologien ab, und erst kürzlich überraschte der Konzern mit der Ankündigung, weitere 150 Millionen Dollar in junge Start-Up-Unternehmen zu investieren. Im Bereich der drahtlosen Kommunikationstechnologie wittert Otellini am meisten Wachstumspotential. Noch vor Jahresende sollen Laptop-Chips fertig sein, die drahtloses Internetsurfen auf Breitbandgeschwindigkeit möglich machen. "Das macht Sinn. Es ist billiger ein neues Firmengebäude mit mobilen Internetanschlüssen zu bauen als wie bislang Meilen und Meilen an Kabeln zu verlegen. Außerdem: Angestellte, die mit ihren Laptops permanent am Netz bleiben können, sind viel flexibler. Sie können an ihrem Bürotisch arbeiten, im Konferenzraum oder in der Cafeteria, quasi rund um die Uhr."

    Die große Masse der Konsumenten ist aber offenbar noch nicht so weit. Denn obwohl Intel seine Preise permanent senkt, stoßen die immer schnelleren, immer leistungsfähigeren Computer bislang nur auf bedingtes Interesse. Umfragen zufolge will bloß jeder zehnte amerikanische Haushalt im nächsten halben Jahr einen neuen PC anschaffen. Doch Otellini nimmt das gelassen: "Wir dürfen nicht erwarten, dass jeder jedes Jahr einen neuen Computer kauft. Aber egal wie es um die Wirtschaft bestellt ist: irgendwann wird die Neuerung fällig. Es ist ja jetzt schon schwierig, Windows XP oder gewisse Anwendungen in der Digitalphotographie zu benutzen, wenn man eine vier Jahre alte Kiste hat." Wann die Nachfrage endlich wieder anzieht, kann Otellini allerdings nicht sagen. "Ich weiß es nicht, wann es wieder bergauf gehen wird. Ich kann nur sagen, dass die Voraussetzungen stimmen: In Ländern wie Indien, Russland, China, Lateinamerika und Osteuropa liegen unsere Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Und in den anderen Märkten, da sind die meisten Computer 1998-99 gekauft worden. Sie erreichen jetzt ihr Lebensende, es ist teurer, sie zu warten als neue zu kaufen."