Archiv


Wegbereiter für Bologna

Bei der Umstellung der Studiengänge auf die Bachelor- und Masterabschlüsse ist mittlerweile fast die Hälfte des Weges zurückgelegt: 45 Prozent aller Studiengänge sind seit diesem Wintersemester umgestellt, das macht insgesamt gut 5200 Angebote. Doch wie funktioniert die Umstellung auf die neuen Abschlüsse eigentlich? Drei Bologna-Reformern der Uni Bonn wissen mehr.

Von Britta Mersch |
    "Wir haben anderthalb Jahre fast durchgehend getagt, wöchentlich. Das erfordert sehr viel Koordination und so ist das gelaufen, doch ein recht großer Aufwand für alle Beteiligten."

    Günther Distelrath ist Privatdozent für Asien- und Orientwissenschaften an der Universität Bonn. Zusammen mit seinen Kollegen hat er den neuen Bachelor-Studiengang Asienwissenschaften eingeführt, dazu sechs weitere Masterstudiengänge. Die Asienwissenschaftler der Uni Bonn hatten ein Problem: Sie mussten neun unterschiedliche Institute wie Indologie, Islamwissenschaft oder Mongolistik zu einem Studiengang zusammen bringen.

    "Wir haben bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses sehr bald gemerkt, dass wir entweder den Laden dicht jeweils machen können in diesen Fächern, weil die Kapazitäten nicht vorhanden sind und sind dann schnell zu der Überlegung gekommen, wir werfen entweder alle Ressourcen zusammen und machen einen gemeinsamen Bachelor-Studiengang, was dann passiert ist. Es gibt den Bachelor-Studiengang Asienwissenschaften hier oder wir sind nicht überlebensfähig."

    Reduktion, Vereinfachung, Neuaufbau. Eine schmerzhafte Erfahrung für viele Asienwissenschaftler. Doch mit der Einführung der neuen Bachelor- und Masterabschlüsse müssen alle Fachbereiche der Philosophischen Fakultät über eine Neustrukturierung nachdenken: An der Uni Bonn wurden aus vierunddreißig Instituten zehn. Georg Rudinger, bis September Dekan der Philosophischen Fakultät in Bonn, hat den Prozess sechseinhalb Jahre lang voran gebracht.

    "Bei den Inhalten haben wir angefangen. Und wenn man bei den Inhalten beginnt, bezüglich der neuen Studiengänge, dann bedeutet das auch, dass man die alten kritisch unter die Lupe nimmt und das bedeutet natürlich, dass einiges, was in den alten Magisterstudiengängen war, wirklich rausgeschmissen wird. Strukturell ist das vorgezeichnet, denn bei den Magisterstudiengängen war es so, dass wir ein Hauptfach und zwei Nebenfächer hatten. Jetzt haben wir eine andere Struktur, die heißt Major- und Minor-Struktur. Das heißt, Major steht für das Hauptfach, in Anführungsstrichen, den Kernbereich und Minor sind begleitende Module."

    Statt Hauptfach und zwei Nebenfächern gibt es in Bonn jetzt also nur noch einen Bachelor-Studiengang. Erst mit dem Master können sich die Studierenden auf weitere Teilbereiche spezialisieren. Die inhaltliche Neukonzeption ist aber nicht das einzige Kriterium, das die Hochschulen bei der Umstrukturierung ihrer Studiengänge beachten müssen, sagt Georg Rudinger:

    "Wenn man in die Akkreditierung will, muss man jede Menge Dokumente vorbereiten. Diese Dokumente beinhalten einen Rahmenplan, wo die Philosophie der Studiengänge deutlich gemacht wird (...). Und wo dann die Institute, die Träger dieser Studiengänge besonders gefordert sind, ist die konsistente und stringente Ausarbeitung des Angebotes mit dem Nachweis der Sicherstellung der Kapazitäten. Das heißt die Akkreditierungsagentur, die Kommission will sehen, dass der Studiengang mit den Personen, die da sind, auch gefahren werden kann."

    In Deutschland gibt es sechs Akkreditierungsagenturen, die die Umstellung der Studiengänge begleiten. Die Kriterien für die neuen Studiengänge sind streng: Das Gesamtkonzept muss plausibel sein, Lernziele müssen klar formuliert werden. Und die neuen Abschlüsse sollen gezielt auf den späteren Beruf vorbereiten, erklärt Edna Habel, Geschäftsführerin der Akkreditierungsagentur AQAS in Bonn.

    "Wir haben zur Zeit (...) einen Paradigmenwechsel für deutsche Hochschulen, dass die Studiengänge nicht länger danach konzipiert werden, dass man sagt, wir haben hier Professoren, die haben die und die Spezialitäten (...) und wir stricken jetzt einen Studiengang, der sich im wesentlichen daran orientiert (...). Leitfrage heute ist, welche Kompetenzen sollen die Absolventen haben, die den Studiengang verlassen, sowohl die Bachelor-Absolventen als auch die Master-Absolventen und diese Kompetenzen müssen mit dem kompatibel sein, was die Arbeitsmärkte von Absolventen erwarten."

    Bis 2010 haben die Hochschulen noch Zeit, ihre Studiengänge auf die Abschlüsse Bachelor und Master umzustellen. Bei diesem Prozess gilt es, sich von vertrauten Studieninhalten zu verabschieden und ein gestrafftes Konzept auf die Beine zu stellen. Gut 45 Prozent der Studiengänge haben die Reform schon geschafft, die Umstellung ist nicht mehr rückgängig zu machen. Trotzdem hadern viele Bologna-Reformer mit den Rahmenbedingungen, so wie Asienwissenschaftler Günther Distelrath:

    "Da geht es sehr vielen, die es gerade machen, ähnlich wie es uns gegangen ist. Die Universitäten sind dramatisch unterfinanziert. Die Kapazitäten sind so knapp, dass Sie ganz genau rechnen müssen und ganz genau zuordnen müssen, um so eine Akkreditierung überhaupt zu schaffen."