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Wegen Corona-Krise
JVA in Bremen verschiebt Strafvollzug für kleinere Delikte

Langzeitausgang für den offenen Vollzug, frühere Entlassung von Risikopatienten und Wohnungssuche für Insassen: Die JVA Oslebshausen in Bremen sucht Lösungen für die Zeit, wenn auch das Gefängnis keinen Schutzraum mehr vor dem Coronavirus bietet. Notfalls gibt es aber auch dort gesundheitliche Versorgung.

Von Felicitas Boeselager | 23.03.2020
Ein Wachturm in einer Justizvollzugsanstalt hinter einem Zaun mit Stacheldraht.
Es soll verhindert werden, dass Neuaufnahmen das Virus in die JVA bringen. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
Auf einmal ist das Gefängnis ein sicherer Ort, jedenfalls nehmen das viele Insassen der JVA Oslebshausen in Bremen so wahr, erzählt Gefängnisarzt Ulrich Peiffer. Denn während in der Welt draußen nichts mehr so ist, wie noch vor einer Woche, ist die Gefahr, sich in der Anstalt mit dem Corona-Virus anzustecken, noch ziemlich gering. Und damit das so bleibt, habe man gemeinsam mit dem Justizvollzug in Niedersachsen und den zuständigen Behörden den ohnehin bestehenden Pandemie-Plan angepasst.
"Das Wesentliche dabei ist, dass dann in der Phase 1, dass das, was normal wäre, dass Hygiene-Regeln nochmal extrem betont werden. Und als nächstes, was passiert, wenn so und so viele Personen in der Bevölkerung infiziert sind, dann sich auch entsprechend mehr dann, die ins Gefängnis kommen, dass wir uns dann überlegt haben, wie wir die Leute isolieren, oder behandeln können."
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Langzeitausgang für den offenen Vollzug
Zunächst gelte es aber zu verhindern, dass Neuaufnahmen den Virus in die JVA bringen. Auch deshalb hat das Land Bremen die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ausgesetzt. Das heißt, Menschen, die zum Beispiel wegen notorischen Schwarzfahrens für einige Wochen ins Gefängnis müssen, dürfen vorerst draußen bleiben. Das ist nur eine von drei Maßnahmen, die das Gefängnis schützen sollen, erklärt Björn Tschöpe, Staatsrat in der Justizbehörde.
"Genauso haben wir die Vollstreckung unterbrochen, für die Ersatzfreiheitsstrafler, die jetzt schon drin gesessen haben. Das heißt nicht, dass sie damit durch sind, sondern die Vollstreckung ist nur unterbrochen. Dann werden wir für die Menschen, die wir im offenen Vollzug haben und die einer geregelten Tätigkeit nachgehen, die kommen nachts eigentlich nur noch zum Schlafen in die Anstalt. Denen haben wir jetzt einen Langzeitausgang gewährt. So dass sie nicht zum Schlafen in die Anstalt kommen müssen."
Angebot für Risikopatienten in der JVA
Außerdem habe die Behörde solchen Inhaftierten, die als Risikopatienten gelten angeboten, sie früher zu entlassen. Aber nur unter der Voraussetzung, dass sie keine Gewalt- und Sexualstraftaten verübt haben und ohnehin bis Anfang Mai entlassen werden würden. Insgesamt könnten so 35-50 Inhaftierte die Anstalt verlassen.
"Das bedeutet, dass man flexibler reagieren kann, man hat mehr Räume zur Verfügung und man hat aber natürlich auch weniger Leute auf die aufgepasst werden muss, falls die Personalsituation beeinträchtigt wird, falls mehrere erkranken. Würde sich damit eine Situation besser steuern lassen."
Für Gefängnisarzt Peiffer bedeuten diese Maßnahmen zusätzliche Arbeit, zwar muss er weniger Neu-Aufnahmen untersuchen, aber das frühzeitige Entlassen anderer stellt eine große Herausforderung dar. Es sei ein bisschen durcheinander, sagt er, er könne seine regulären Sprechstunden nicht mehr einhalten:
"Aus medizinischer Sicht versuche ich darauf zu achten, dass diejenigen, die mit dem Opiat-Ersatzstoff Polyamiden substituiert sind, dass die geregelt nach draußen kommen und sich wieder geregelt bei der Krankenkasse anmelden, Pi-Pa-Po, das dauert ein paar Tage, und da bieten wir sozusagen als Service an, dass die Patienten bei uns an der Pforte weiter substituiert werden."
Zellen für Infizierte auch im Gefängnis
Außerdem gelte es, einigen Insassen eine Wohnung zu finden, damit die Freiheit nicht Obdachlosigkeit bedeutet.
Trotz aller Maßnahmen: Je mehr Menschen sich in Deutschland mit dem Corona-Virus infizieren, desto wahrscheinlicher sei es auch, dass ein neuer Insasse ihn eines Tages in die Anstalt trägt, sagt Peiffer. Wenn ein Insasse positiv getestet wird, soll er zunächst im medizinischen Bereich des Gefängnisses untergebracht werden.
"Wir haben da zwei infektiologische Zellen, die eigentlich für Tuberkulose-Kranke gedacht sind. Wenn die voll sind, hätten wir noch ein paar weitere Räume, die wir im medizinischen Bereich mit Patienten belegen können und wenn es dann noch mehr Kranke gibt, dann ist im Moment hier die Überlegung, im Gefängnis eine gesonderte Abteilung einzurichten."
Es soll möglichst verhindert werden, dass Gefangene in die Krankenhäuser kommen. So soll sowohl das Gesundheitssystem aber auch die JVA selbst entlastet werden. Schließlich müssten diese Gefangenen extra von Beamten bewacht werden, die dann ihrerseits in der JVA fehlten.
Es gilt also, das Virus so lange wie möglich aufzuhalten, weshalb auch bis auf weiteres alle Besuche verboten sind, die nicht unbedingt notwendig sind.