Archiv


Wehmut, Dankbarkeit und Freude

Nach sieben Jahren als Bundesministerin für Bildung und Forschung übergibt Edelgard Bulmahn in der kommenden Woche das Zepter an Anette Schawan (CDU). Mit besonderem Stolz blicke sie auf die massive Stärkung der Forschung zurück, betonte Bulmahn. Wichtig seien auch die im Koaltionsvertrag festgelegten Zuweisungsraten für den Forschungsbereich.

    Maleike: Es sind ihre letzten Amtstage, die sie im Moment als Bundesministerin für Bildung und Forschung erlebt. Nach sieben Jahren wird die SPD-Politikerin Edelgard Bulmahn am kommenden Dienstag das Staffelholz, wenn man es so sagen kann, an Anette Schawan, CDU, übergeben. Wir wollen deshalb mit ihr zusammen eine Bilanz ihrer Arbeit ziehen. Frau Bulmahn, das sind jetzt ziemlich schwere Tage für Sie, oder?

    Bulmahn: Ja, ein bisschen Wehmut ist dabei, aber andrerseits einfach auch ein Gefühl der Dankbarkeit, weil ich eben sieben Jahre lang wirklich vieles von dem umsetzen konnte, realisieren konnte, was ich mir als Abgeordnete vorgenommen hatte, und die Chance erhalten nur ganz wenige. Also von daher ein gemischtes Gefühl, und es kommt noch hinzu: Ich freue mich auch, ganz offen gesagt, darauf, jetzt, nach so vielen Jahren Forschungspolitik, Wissenschaftspolitik, Bildungspolitik, auch etwas Neues machen zu können. Das ist ja auch ganz spannend, im Übrigen auch gerade für mich persönlich ganz spannend.

    Maleike: Da wird ja gehandelt, dass Sie Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft werden sollen. Stimmt das?

    Bulmahn: Wenn meine Fraktion mich wählt, würde ich das gerne machen, ja.

    Maleike: Und das heißt auch, dass die Forschung und die Bildung Ihnen nicht fehlen werden. Im Moment erreichen wir Sie gerade im Auto, das heißt, Sie machen noch einen Termin nach dem anderen bis zum kommenden Dienstag?

    Bulmahn: Aber sicher. Die Forschung und die Bildung werden immer einen großen Platz in meinem Herzen haben, aber eins doch völlig klar, dass gerade Wissenschaft, Forschung und Bildung ja eine ganz große Bedeutung haben für eigentlich alle Lebensbereiche, aber natürlich auch zum Beispiel für die Wirtschaft, aber auch für die Fragen, mit denen wir uns in der Umwelt auseinandersetzen müssen. Das ist ja das Spannende, dass ich sicherlich auch von dem profitiere, was ich in den letzten Jahren, man kann ja fast sagen, Jahrzehnte gemacht habe und das jetzt aber auch mit neuen Fragestellungen verknüpfen kann, das ist auch spannend.

    Maleike: Was würden Sie sagen, haben Sie persönlich am meisten auf den Weg gebracht? Was ist Ihre persönliche Bilanz der Amtszeit?

    Bulmahn: Meine persönliche Bilanz ist eine ganz massive deutliche Stärkung der Forschung, nicht nur, weil wir erheblich mehr Geld in die Forschung gesteckt haben, als es jede andere Bundesregierung vor uns getan hat, und ich bin sehr froh, dass es mir in den Koalitionsverhandlungen noch einmal ausdrücklich gelungen ist, dieses auch in der Koalitionsvereinbarung wirklich ganz hart zu verankern, nämlich mit jährlichen Zuweisungsraten, die in den kommenden Jahren zusätzlich für Forschung hier eingesetzt werden müssen.

    Wichtig ist es mir auch, dass wir gerade die Forschungsförderung für die Spitzentechnologien deutlich stärken konnten. Wichtig ist es mir auch, dass wir die Strukturen verändert haben, aber auch die Nachwuchswissenschaftler-Förderung insgesamt hat heute einen viel größeren Stellenwert und vor allen Dingen stellt sie jetzt ganz stark auf die frühe eigenständige Forschung ab, und das Ganztagsschulprogramm, die Bafög-Reform, das sind alles wichtige Weichenstellungen, und last but not least natürlich auch die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung, die Exzellenzinitiative, die ja zu heftigen Kontroversen teilweise mit den Ländern geführt hat, und von der heute alle sagen, dass sie ganz wichtig ist, dass sie einfach einen Meilenstein darstellt auch für die Universitäten, für die Hochschulen. Die große Zahl zum Beispiel von Bewerbungen zeigt das ja. Wir haben teilweise über 250 Bewerbungen, über 300 Bewerbungen, und das macht einfach deutlich, dass die Hochschulen wirklich darauf gewartet haben, dass sie diese Chance endlich erhalten und dass sie sie eben auch nutzen.

    Maleike: Es gab aber auch Urteile vom Bundesverfassungsgericht in der Juniorprofessur, die Sie schon angesprochen haben, und was das Studiengebührverbot angeht, wofür Sie immer eingetreten sind. Waren das Ihre dunkelsten Amtsmomente?

    Bulmahn: Nein, das waren sie noch nicht mal. Was ich selber wirklich manchmal sehr nicht nur enttäuschend fand, sondern wo ich mich manchmal auch gefragt habe, wie kann man das eigentlich klarmachen, war immer dann, wenn ich eigentlich für Dinge sozusagen zur Rechenschaft gezogen werde, die ich überhaupt nicht beeinflussen kann.

    Das ist zum Beispiel die Qualität der schulischen Bildung. Die konnte ich als Bundesministerin überhaupt nicht beeinflussen. Trotzdem war das immer ein Punkt, wo immer dann, wenn es sozusagen um die Schwächen und die Mängel unseres Schulsystems ging, häufig die Bundesministerin sozusagen zur Rechenschaft gezogen wurde, obwohl man als Bundesministerin diese Entscheidung nicht treffen darf, nach unserer Verfassung auch nicht kann.

    Das Ganztagsschulprogramm ist ja etwas völlig Singuläres, und wir haben hier nur finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt für Investitionen. Mehr dürfen wir leider nicht von Bundesseite. In Zukunft wird das auch nicht mehr möglich sein, weil in der Föderalismusdiskussion die Länder gesagt haben, nein, so etwas wollen wir in Zukunft überhaupt nicht mehr. Das waren die dunkelsten Momente. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes waren nicht die dunkelsten Momente, weil man sich mit dem auch intellektuell auseinandersetzen kann.

    Maleike: Die Föderalismusreform haben Sie schon angesprochen. Ihre Amtsnachfolgerin Schawan wird mit völlig anderen Voraussetzungen ins Rennen gehen, um es mal so salopp zu formulieren. Was wünschen Sie Frau Schawan für Ihre Arbeit?

    Bulmahn: Sie wird mit anderen Voraussetzungen ihre Arbeit beginnen, das ist richtig, weil die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik keine Grundlage mehr hat, und das gilt ja im Gegensatz zu dem, was viele glauben, nicht in erster Linie für den Schulbereich, der hat immer keine große Bedeutung gehabt, sondern es gilt in erster Linie für die Zusammenarbeit in der Hochschulpolitik. Das halte ich für sehr bedauerlich, dass hier der Bund in Zukunft keine Möglichkeiten mehr hat, auch gestaltend mitzuwirken, neue Initiativen auf den Weg zu bringen. Das halte ich wirklich für ein Problem, ganz offen gesagt, weil ich tief davon überzeugt bin, dass in Deutschland der Wettbewerb zwischen den Hochschulen stattfindet in erster Linie und nicht zwischen den Ländern.

    Ich denke, diese Debatte brauchen wir in Deutschland. Von daher wünsche ich mir, dass meine Nachfolgerin diese Debatte auch führen wird, und deshalb werden wir auch eine vernünftige und gute Übergabe machen. Es liegt uns ja beiden daran, dass dieses wichtige Politikfeld eine wichtige Rolle behält und dass auch das Ministerium weiterhin arbeitsfähig sein wird und gute Arbeit leistet, denn es ist ein sehr wichtiges und ein sehr gutes Ministerium.

    Maleike: Vielen Dank für das Gespräch.