Archiv


''Weiberwirtschaft''?

Zuerst aber zu dem Thema, das dank der Hitzewallungen einiger maßgeblicher männlicher Redakteure die Feuilletons diesen Sommer beschäftigen wird: Ist Sabine Christiansen, wie ihre Homepage suggeriert und FAZ-Herausgeber und Feuilletonchef Frank Schirrmacher so gerne glauben will, wirklich ''die mächtigste Frau im deutschen Fernsehen''? Übernehmen Frauen tatsächlich als Moderatorin-nen, Verlegerinnen oder Unternehmerinnen die Bewusstseinsindustrie der Bundesrepublik, wie derselbe Autor behauptet? Und wozu führt diese ''neue weibliche Hegemonie'', die in Form von Elke Heidenreich auch harte Männerseelen mit Tränendrüsenlektüre derart weichspült, dass man vor dieser Sorte ''Wellness-Literatur'' schon wieder warnen muss? So ähnlich hat der Autor Hans-Christoph Buch nämlich Frank Schirrmacher damals in der Zeitung DIE WELT geantwortet, worauf dieser heute in seiner Zeitung eine wirre Analyse des Peter-Pan-Syndroms lieferte, die in Kurzfassung lautet: ''die Männer wollen nicht mehr erwachsen werden, aber ausnahmsweise sind nicht die Frauen schuld daran''. Handelt es sich hier also vielleicht eher um das neueste der uralten Sandkastenspiele, die mächtige Männer auch im Feuilleton so gerne miteinander treiben? Das wäre eine spätere Frage an die Publizistin Katharina Rutschky, die ich vor der Sendung zuerst fragte, ob das denn stimmt, was die Herren da konstatieren?

Katharina Rutschky im Gespräch |
    Rutschky: Ich denke, die Debatte zwischen Herrn Schirrmacher und Herrn Buch, um die es ja geht, ist eine ziemlich falsche, weil die Macht der Bewusstseinsindustrie, so redet ja Herr Schirrmacher schon etwas despektierlich, die da beschworen wird, nicht existiert. Frauen treten in Erscheinung als Moderatorinnen, als Vermittler, ich sage mal, als höhergestufte Lehrerinnen in der Grundschule. Diese Erscheinungsweise mit Macht zu verwechseln, finde ich eine sehr eigentümliche Art. Eher geht es wohl darum, dass wir uns noch nicht damit abgefunden haben, dass Frauen überhaupt in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten. Das ist eigentlich der Hintergrund, der Kern dieser ganzen Diskussion, die ja bei Herrn Schirrmacher mit der Beschwörung von Arnold Gehlen, also einen doch der sehr konservativen, man kann sagen, reaktionärsten Soziologen der Bundesrepublik, mit Untergangsvisionen garniert wird. Ich finde das insofern interessant, weil sich diese Männer wahrscheinlich sehr darüber aufregen, wie die Frau in der Öffentlichkeit in anderen Kulturen in Erscheinung beziehungsweise unter der Burka nicht in Erscheinung tritt. Da wundern wir uns darüber, dass Frauen also ans Haus gebunden sind, nur verschleiert auf die Straße gehen dürfen. Wenn bei uns aber drei oder fünf Damen eine gewisse Prominenz im Fernsehen erreichen als Moderatorinnen in irgendeiner Talkshow - es gibt wahrscheinlich sehr viel mehr Männer, die eine Talkshow moderieren -, dann rufen die das Matriarchat aus.

    DLF: Kennzeichen dieser Aufsätze ist ja auch das völlige Fehlen einer systematischen Analyse, als hätte es 68 nicht gegeben, als hätte es die gesellschaftlichen Veränderungen nicht gegeben, wird Frauen wieder das alte Thema der Innerlichkeitsliteratur zum Beispiel zugeschrieben, was meiner Ansicht nach vor 30 Jahren nach 68 und mit diesem Trend zur neuen Innerlichkeit eben auch die Männer gesetzt haben.

    Rutschky: Ich finde Herrn Buchs Ausführungen zu diesem Thema absolut unbefriedigend. Also wir haben immerhin mit einer Elfriede Jelinek eine sowohl avantgardistisch arbeitende und außerdem auch mit Themen von Gewalt und Aggressivität auch gegenüber der Sprache und Inhalten, Bilder, Metaphern, eine so hoch aggressive und gewalttätige Schriftstellerin, dass ich genau das überhaupt nicht verstehe. Wir haben auf der Bühne Theaterstücke von Sarah Kane beispielsweise, die erfolgreich gespielt werden, in denen das Blut nur so spritzt, hätte man vorher vielleicht gesagt. Also das stimmt auch jetzt rein sachlich nicht. Und diese anderen Ausführungen, ob wenn die Frauen die Macht übernehmen, die zweitklassige Literatur jetzt etwas zu sagen hat, das ist doch sehr subjektiv, ob man Marcel Proust so viel bedeutender findet als Virginia Woolf. Ich persönlich nicht.

    DLF: Sie haben gesagt, diese Feuilleton-Schaffenden und Autoren rufen das Matriarchat aus. Abgesehen vom Sommerloch, was ist Ihrer Meinung nach das Motiv von Männern wie Schirrmacher oder Buch, diese Zeitenwende in Sachen Männermacht einzuläuten? Psychologisch gesprochen kann das ja auch eine ganz perfide Form der Selbsterhöhung darstellen.

    Rutschky: Männer konkurrieren ungern mit Frauen, und das wird sich auf Dauer natürlich nicht vermeiden lassen, das ist meine Idee. Man muss sich einfach klarmachen, wenn man mal historisch denkt - das sollte doch in der Feuilleton-Redaktion der FAZ gepflegt werden -, seit 200 Jahren wird von Gleichberechtigung gesprochen, seit 100 oder 50 Jahren haben wir sie ansatzweise, aber die Männer haben diese ganze Geschichte solange gefördert, und auch Herr Schirrmacher wirft sich ja im Grunde als eine Art heroischer Befürworter dieser ganzen Entwicklung aus, aber faktisch, verfallen sie alle in diese Oswald Spenglerschen Argumentation, in dem Moment, wo die Feminisierung der Gesellschaft eintritt, dann geht es mit uns irgendwie bergab und die einen werden sich in die heroische Pose dessen, der von der Weltgeschichte abtritt - das ist dann Herr Schirrmachers Wahl, obwohl er jetzt mit der Harry-Potter-Analyse wieder eine kleine Kurve nach der anderen Seite gemacht hat. Herr Buch sieht eben die Wellness-Gesellschaft und die Wellness-Literatur heraufziehen, nur weil ein paar Frauen Erfolg im Fernsehen oder in der Literatur haben.

    DLF: Würden Sie denn eine Lanze für die Feminisierung der Kultur brechen?

    Rutschky: Ich wollte damit eigentlich sagen, dass das Argument der Feminisierung schon ein politisches und reaktionäres Argument ist, das man schon zurückweisen muss. Das bedeutet ja im Grunde eine Diskreditierung der Gleichberechtigung, der Möglichkeit von Frauen, in einem Beruf, in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten, als Autorinnen mit dem, was sie nun einmal zu sagen haben. Und wenn ich das Feminisierung nenne, warum reden wir dann nicht von Maskulinisierung oder vom Patriarchat, was doch in dieser Hinsicht immer noch existiert?

    Link: mehr ...

    1568.html