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Weibliche Weitsicht

Im Hinblick auf weibliches Führungspersonal zählt die Bundesrepublik in Europa immer noch zu den Schlusslichtern, auch wenn es Fortschritte gibt. So werden im Saarland bereits 32 Prozent der IHK-Unternehmen von Frauen geleitetet - eine Folge des Gründerbooms nach Einführung der sogenannten Ich-AGs.

Von Tonia Koch | 21.06.2012
    Petra Krenn-Paul, die Geschäftsführerin der Ottweiler-Druckerei, erntet ein freundliches Hallo. Die saarländische Druckerei ist ein alt eingesessenes Unternehmen. Es wird in der dritten Generation von der Familie geführt und zum ersten Mal auch von einer Frau. Zumindest zu 50 Prozent, denn an der Spitze steht ein gemischtes Team. Und als Petra Krenn-Paul 1997 mit in die Unternehmensführung eingestiegen ist, habe das - so glaubt sie - keinen der 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwundert.

    "Nein, ich denke nicht."

    In den sauberen, aufgeräumten Hallen steht modernste Drucktechnik. Viele Handgriffe sind in den überwiegend automatisierten Prozessen nicht mehr nötig.

    Die Frauenquote liege im Unternehmen insgesamt bei etwa der Hälfte. Und das auf allen Ebenen, so die Geschäftsführerin:

    "Bei uns im Unternehmen gibt es keine großen Hierarchiestufen. Da fängt es beim Teamleiter an, dann die Abteilungsleitung und dann die Geschäftsführung. Im Teamleiterbereich haben wir Frauen. Abteilungsleiter haben wir nur sehr wenige, aber das sind Männer, weil wir sehr techniklastig sind, und dann eben die Geschäftsleitung. Die besteht zu 50 Prozent aus Frau und 50 Prozent aus Mann."

    Die Betriebswirtin zählt zu den Gegnern einer staatlich verordneten Beschäftigungsquote für Frauen. Und das aus zwei Gründen: Zum einen werde der demografische Wandel und der einsetzende Fachkräftemangel die im Hinblick auf den Frauenanteil säumigen Firmen sehr bald lehren, dass sie auf die vielfach gut ausgebildeten Frauen nicht verzichten könnten,

    "Es wird in ein paar Jahren keiner mehr darüber reden, denn wir haben definitiv einen Fachkräftemangel und da wird jeder gebraucht werden und da gehören auch die Frauen dazu."

    Zum anderen müssten die Unternehmen die Überzeugung selbst entwickeln, dass sie sich mit Frauen in Führungspositionen gut aufstellen könnten, glaubt Petra Krenn-Paul. Eine solche Unternehmensphilosophie ließe sich von außen nicht erzwingen. Die besten Chancen hätten Frauen in mittelständischen Firmen glaubt die Mittvierzigerin. Die inhabergeführten Unternehmen, wie das eigene, sieht Petra Krenn-Paul dabei als Vorbilder an. Diese seien vielfach näher dran an den Problemen der Familien und deshalb bereit, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die es den Beschäftigten ermöglichten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen:

    "Generell sehe ich das so: Man kann auch in Teilzeit Verantwortung übernehmen, denn grundsätzlich ist das eine Frage der Organisation, und aus meiner Erfahrung heraus können Frauen sehr, sehr gut organisieren."

    Wie gut, das zeigt die Statistik. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes werden 32 Prozent der Mitgliedsunternehmen im Saarland inzwischen von Frauen geführt. Das ist jedoch nicht in erster Linie auf einen generellen Bewusstseinswandel in Unternehmen und Gesellschaft zurückzuführen, sondern auf den von Frauen ausgelösten Gründerboom in den vergangen zehn Jahren. Diese Entwicklung sei vor allem auf das von der Bundesregierung Anfang 2000 entwickelte Instrument der sogenannten Ich-AG zurückzuführen, sagt die für Existenzgründungen zuständige IHK-Geschäftsführerin Heiko Cloß:

    "Die Ich-AG hat die Gründung in die Köpfe gebracht. Jeder weiß heute, Ich-AG, das ist ein Unternehmen das ist etwas, das machbar ist und das hat auch die Frauen erreicht. Wir haben in den letzten Jahren wirklich eine Bevölkerungsgruppe gehabt, die verstärkt gegründet hat und das sind die Frauen."

    Zwar hat die Bundesregierung dieses Instrument, das es Arbeitslosen mithilfe finanzieller Zuschüsse ermöglichte, eine Existenz zu gründen, bereits 2007 durch den wesentlich geringer dotierten Gründungszuschuss ersetzt. Aber auch die knapper bemessenen Zuschüsse hätten die Frauen nicht abgeschreckt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, sagt Heike Cloß. Das bestätigt auch das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg in einer Studie vom Februar dieses Jahres. Inzwischen schafft ein Drittel dieser Unternehmensgründer zwischen anderthalb bis drei Vollzeitstellen. Trotzdem täuschen die ermutigenden Zahlen über die tatsächliche Situation hinweg. Insbesondere den großen Konzernen mangele es in den Führungsetagen an Frauen, da helfe nur eine gesetzliche Quotenregelung sagt die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU:

    "Dort haben wir jahrelang mit freiwilligen Vereinbarungen gearbeitet, diese haben zu keinen wirklich zählbaren Ergebnissen und Verbesserungen geführt, deshalb müssen wir eine gesetzliche Regelung herbeiführen."

    Eine von Familienministerin Kristina Schröder ins Auge gefasste flexible Regelung, die es den Unternehmen überlässt, die Quote selbst festzulegen, bringe diese nicht wirklich in Zugzwang und Deutschland laufe die Zeit davon, argumentiert die saarländische Ministerpräsidentin. Denn in Europa zähle die Bundesrepublik im Hinblick auf weibliches Führungspersonal zu den Schlusslichtern, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer:

    "Die Quote ist im Grunde nichts anderes, als ein Mittel, um Chancen zu eröffnen. In dem Moment, in dem ich sage, es muss eine gewisse Quote an Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen geben, zwinge ich Unternehmen dazu den Blick zu weiten für mögliche Kandidatinnen und zwinge Unternehmen dazu, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass es dafür auch Frauen gibt. Das sind die Erfahrungen aus allen Ländern."

    Den Hamburger Gesetzentwurf, den Frauenanteil in börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen bis 2023 auf 40 Prozent zu erhöhen, sieht Annegret Kramp-Karrenbauer daher positiv:

    "Wir werden uns diesen Gesetzentwurf genau anschauen. Aber vom Grunde her halte ich diesen Gesetzentwurf für einen Vorschlag, den man unterstützen kann, weil er in der Art und Weise wie er angelegt ist, geeignet ist, in der Wirtschaft Akzeptanz zu finden."