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Weibo möglicherweise vor dem Aus

Der amerikanische Kurznachrichtendienst Twitter wird in China blockiert. Hier hat man eigene Mikroblogs, sogenannte Weibo. Dort diskutieren Chinesen offen und unverblümt über Korruptionsfälle, über Politik, über gesellschaftliche Veränderungen. Doch das scheint der Pekinger Regierung nun zu weit zu gehen.

Von Silke Ballweg | 10.03.2012
    Eine ganz alltägliche U-Bahn-Fahrt in Peking. Wie so oft ist es voll im Waggon. Einige Fahrgäste unterhalten sich, andere lesen Zeitung. Viele junge Chinesen starren auf ihr Handy, so auch der 24 Jahre alte Xi Ming Hui:

    "Mikroblogs lese ich bei fast jeder Bahnfahrt und mittlerweile viel häufiger als Zeitung. Zeitungen sind ja kontrolliert, aber bei Weibo finde ich viele verschiedene Meinungen und Ansichten, das finde ich spannender. "

    Weibo ist der Name für das chinesische Pendant von Twitter, also ein digitaler Kurznachrichtendienst, mit dem man per Handy oder übers Internet Mitteilungen verschicken kann. Seit Monaten hält Weibo China in Bann. 250 Millionen Chinesen haben mittlerweile ein eigenes Weibo-Konto eingerichtet, sie verschicken jeden Tag rund 100 Millionen Nachrichten. Bei vielen geht es um Alltägliches: was man gerade gegessen hat, wie man einen Film fand, dass man sich gleich mit XY trifft. Aber immer öfter werden auch aktuelle Nachrichten heiß diskutiert. Millionen Chinesen schreiben dann bei Weibo durchaus offen und kritisch, was sie denken. Michael Anti, international einer der bekanntesten chinesischen Blogger, sagt deshalb: Weibo verändert China:

    "Die Menschen lernen zum ersten Mal, was es bedeutet, wenn Informationen nicht zensiert sind. Deswegen ist Weibo so wichtig, Weibo verändert das Denken der Chinesen, es stößt die Leute nach vorne, dahin, wo sie mehr Informationsfreiheit, mehr Medienfreiheit wollen."

    Doch Chinas Politiker wollen diese Freiheit nun eindämmen. In der kommenden Woche führen sie eine Klarnamenregelung ein. Dann sollen sich die Nutzer mit ihrem echten Namen und ihrer Ausweisnummer anmelden, wenn sie weiter bei Weibo schreiben wollen. Offiziellen Argumenten zufolge will man so verhindern, dass künftig Gerüchte, falsche Informationen oder auch pornografische Inhalte in Umlauf gebracht werden. Die meisten Beobachter meinen jedoch: Die Regierung will Weibo zensieren und die Nutzer einschüchtern. Denn mit den Klarnamen kann sie genau sehen, wer was schreibt. Diese junge Chinesin, die sich bei Weibo Any nennt, zögert zum Beispiel noch, ob sie demnächst ihre wahre Identität preisgeben will:

    "Eigentlich will ich mich nicht mit meinem echten Namen bei Weibo anmelden. Ich weiß also gar nicht, ob ich demnächst bei Weibo überhaupt noch Nachrichten verschicken kann."

    Und so fürchten schon jetzt viele Internetnutzer: Die Klarnamenregelung könnte das Ende der durchaus kontroversen Debatten bei Weibo bedeuten. Doch selbst wenn, wäre das nicht zwangsläufig ein Sieg für die Regierung, meint wiederum der Internetexperte Wang Junxiu. Denn Chinas kritische Blogger, Leute wie Ai Weiwei, ließen sich nicht mehr zum Schweigen bringen. Im chinesischen Internet gestoppt, würden sie künftig mit Spezialsoftware Chinas Firewall überspringen - um dann auf ausländischen Seiten zu schreiben.

    "Viele werden zu Twitter gehen oder zu Facebook. Ich gehe davon aus, dass die kritischen Debatten künftig dort laufen werden."

    Der Klarnamenregelung sieht Experte Wang deswegen entspannt entgegen. Hinzu komme nämlich noch ein Aspekt, meint er mit einem genüsslichen Schmunzeln auf den Lippen: Denn bislang wisse die Regierung noch gar nicht, wie sie die Masse von 250 Millionen Weibo-Nutzern technisch überhaupt registrieren soll.