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Weichenstellung für die Zukunft

Gleich zwei wichtige Entscheidungen für die Informationstechnologie in Deutschland wurden in der vergangenen Woche in Berlin gefällt: das Aktionsprogramm "Informationsgesellschaft Deutschland 2010" sowie ein Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 11.11.2006
    Manfred Kloiber: Welche Rolle spielt denn beim Programm aus dem Hause des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble die Informationstechnologie, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Informationstechnologie wird hier in erster Linie als Überwachungstechnologie eingesetzt. Dafür hat der Haushaltsausschuss 132 Millionen Euro genehmigt. Diese Mittel fließen in Projekte für biometrische Videoüberwachung und rechnergestützte Videoauswertung an Verkehrsknotenpunkten und vor allen Dingen in die direkte Internet-Überwachung. Dafür wird im gemeinsamen Terror-Abwehr-Zentrum von Geheimdiensten und Polizei in Berlin eine Internet-Monitoring und Analyse-Stelle eingerichtet. Und diese IMAS abgekürzte Internet-Überwachungstruppe erhält 30 Millionen Euro für Hardware, mit der Chaträume im Internet überwacht und mit der die virtuellen Leitungen der Internet-Telefonie angezapft werden können. Außerdem werden etwas über 40 Millionen Euro in die Entwicklung von neuronalen Netzwerken für die Mustererkennung gesteckt. Und mit dieser Software soll die Schäuble-Truppe Anleitungen zum Bombenbau und extreme islamistische Propaganda im Internet suchen und finden.

    Kloiber: Im Dezember will Bundeskanzlerin Angela Merkel ja die Informatik-Richtlinien der Regierung auf einem IT-Gipfel vorstellen. Ist das Aktionsprogramm "Informationsgesellschaft Deutschland 2010", das am Mittwoch verabschiedet wurde, so eine Art Auftakt für den IT-Gipfel?

    Welchering: Das Aktionsprogramm ist Auftakt und Grundlage. Auf 45 Seiten hat Wirtschaftsminister Michael Glos für dieses Aktionsprogramm zusammenfassen lassen, wie die Regierung die Position Deutschlands im weltweiten Informatik-Markt stärken will. Und da setzt das Aktionsprogramm sehr stark auf vier Technologieansätze. Die Funkchips mit RFID-Technologie sind ein Ansatz, Standards für biometrische Anwendungen ein zweiter. Drittens soll der Einsatz von Open Source Software unterstützt werden. Und viertens geht es um Methoden des Wissensmanagements und Multimedia-Anwendungen, die als Beitrag zum EU-Projekt Digitale Bibliothek gedacht sind.

    Kloiber: Was ist da in Sachen RFID-Technologie geplant?

    Welchering: Da hat das Bundeskabinett im Wesentlichen das Konzept des Internets der Dinge aufgegriffen. Das heißt, Funkchips in allen möglichen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens sollen für mehr Transparenz, aber auch für mehr Überwachung sorgen. So kann etwa künftig blitzschnell ermittelt werden, wo eine bestimmte Steuerakte im Finanzamt gerade herumliegt, weil die Aktenhaltung auf Funkchip-Basis umgestellt wird. Wenn ein Finanzamtmitarbeiter eine bestimmte Akte sucht, dann funkt diese Akte, hier liege ich, hol mich ab. RFID-Chips sollen aber auch stärker für Ausweise und Zutrittsgenehmigungen verwendet werden und zum Beispiel eine bessere Überwachung von Bahnhöfen ermöglichen.

    Kloiber: Da kommt ja auch der elektronische Personalausweis in die Diskussion. Was hat die Bundesregierung hier im Aktionsprogramm festgeschrieben?

    Welchering: Die Einführung ab dem Jahr 2008 ist auch im Aktionsprogramm noch einmal festgeschrieben. Als digitales Merkmal soll ein digitaler Fingerabdruck gespeichert werden. Und der digitale Personalausweis soll auch mit einer digitalen Signatur versehen werden, so dass er als Identitätsnachweis beim Online-Banking oder beim Einkaufen im Internet verwendet werden kann. Etwas schwammig bleibt das Aktionsprogramm, wenn es um die Frage geht, wie die für eine solche digitale Signatur notwendigen Zertifizierungen organisiert sein sollen. Zum elektronischen Personalausweis gab es in dieser Woche noch einmal eine ganz spannende Begleitdiskussion. Vor Ostern hat der Deutschlandfunk ja aufgedeckt, dass es Pläne zum Verkauf biometrischer Daten gab, die mit diesem elektronischen Personalausweis gespeichert werden sollen. Da ist auch in dieser Woche aus dem Bundesinnenministerium noch einmal das ganz klar Signal gekommen: Diese Pläne sind vom Tisch. Weiterführende biometrische Merkmale außer dem digitalen Fingerabdruck werden im Augenblick auch nicht mehr diskutiert. Der Staatssekretär, der das vor einem halben Jahr verfolgt hat, ist ja auch nicht mehr im Innenministerium.