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Weichgezeichnet und trivialisiert

"Elegy" entstand nach einem Roman von Philip Roth, in dem es um die alte, oft erzählte Geschichte vom alten Mann und der jungen Frau geht: Um Lust und Moral, um Konventionen und Projektionen. Penélope Cruz lässt ihre Schönheit feiern, Ben Kingsley sein Charaktergesicht; in die Untiefen der Existenz wagt die Regisseurin sie jedoch nicht.

Von Christoph Schmitz |
    Der Roman "Das sterbende Tier" von Philip Roth ist das spöttische Lebens- und Liebesbekenntnis eines kunstsinnigen Hedonisten. David Kepesh ist Anfang 60, bewunderter Kunstkritiker in New York, Literaturdozent und Verführer zahlloser Studentinnen. Das ist der Kern seiner Existenz, seiner Sehnsüchte und seines Strebens - den schönen Körper ins Bett zu kriegen, Erfüllung seines Trieblebens. Und das endlose Gequassel zuvor mit seinen Geliebten über Kunst und Gott und Welt, bis sie zum Sex endlich bereit sind, sind ihm lästige Umwege.

    Pure Sinnenlust und freie Liebe, ohne Verbindlichkeit und ohne Dauer sind für Kepesh eine echte Weltanschauung, sogar mit historischer Dimension. Wenn Amerika nicht der puritanischen Moral zum Opfer gefallen wäre, hätte es ein glückliches Land werden können. Die sexuelle Befreiung durch die 68er war ein Aufbruch, den Kepesh gegen die Hölle der Ehe verteidigt. Auch als die junge kubastämmige Consuela Castillo in sein Leben tritt und er sich mit Haut und Haar in sie verliebt, sich ihrer Schönheit und ihrer geheimnisvollen Aura gar unterwirft, beharrt er auf seiner Ideologie und verweigert ihr aus Furcht vor dem Verlust seiner Freiheit den schlichtesten Freundschaftsdienst.

    Isabel Coixets Verfilmung der Romanvorlage ist allerdings eine brave Adaption. Das beste an ihr ist die Besetzung mit Ben Kingsley als David Kepesh, der den intellektuellen Wüstling mit seinem Schönheitssinn und seiner Lakonie trefflich verkörpert, und Penélope Cruz als Consuela Castillo, die das Sphinxhafte der Figur, die Kühle ihrer makellosen Schönheit bei allem Lächeln und selbst im sexuellen Rausch ständig bewahrt.

    Doch die Hälfte des Reizes, den die Besetzung ausmacht, wird in der deutschen Synchronfassung durch quäkende und kindische Stimmen wieder genommen. Eine gute Idee der Regisseurin war es allerdings, die monologischen Reflexionen des Ich-Erzählers im Roman über das Glück des freien Sex und das Unglück sich bindender Liebe aufzubrechen und auf die geistreichen Dialoge zwischen Kepesh und seinem Freund, dem Schriftsteller George zu verteilen; Dennis Hopper ist die Rolle des altersweisen Zynikers wie auf den Leib geschrieben. Und der Regisseurin ist es schließlich auch gelungen, die Schönheitsseligkeit des Ästheten Kepesh in edle, erlesene Bilder zu gießen. Consuelas Gesichtslandschaft und die unvergleichliche Architektur ihres nackten Körpers werden immer wieder von den wenigen Lichtstrahlen, die durch die Jalousien in die Räume dringen, aus der Dunkelheit förmlich herausgeschält.

    Doch mit diesen durchweg schönen Bildern und ihrer werbetauglichen Eingängigkeit arbeitet der Film in einem Maße, dass er die ganze Geschichte weichzeichnet und trivialisiert. Und das überträgt er auf alle Ebenen des Romans. Seine gesellschaftspolitische Dimension wird zum Generationskonflikt zwischen dem altem Mann und der junger Frau degradiert. Den spöttischen Ton des Romanerzählers verwandelt er in einen elegischen Gesang über die Vergänglichkeit des Körpers. Aus dem aggressiven Sex der Liebenden im Buch wird Kuschelerotik. Der rhetorische Überlegenheits- und Verzweiflungsgestus verkommt im Film zu einer Romanze.

    "Elegy" ist darum zwar der passende Titel, aber nicht eine mit dem Text auf ästhetischer und gedanklicher Augenhöhe kommunizierende filmische Verarbeitung. Penélope Cruz lässt ihre Schönheit feiern, Ben Kingsley sein Charaktergesicht. In die Untiefen der Existenz wagt die Regisseurin sie nicht zu werfen, so wie David Lynch mit Isabella Rossellini in "Blue Velvet" verfahren war oder kürzlich Erick Zonca mit Tilda Swinton in "Julia". Was bleibt ist nur eine nette, harmlose Elegie.