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Weichmacher und Co.
Die Gefahr aus der Fischkonserve

Marmelade aus dem Plastikbehälter, Fisch aus der Konserve: künstliche Verpackungen erfüllen hygienische und logistische Anforderungen, sie können aber mitunter gesundheitliche Schäden verursachen, wenn Substanzen in die Nahrungsmittel und von dort in den Menschen übergehen.

Von Daniela Siebert |
Eine geöffnete Dose Ölsardinen auf weissem Hintergrund
Fischkonserven findet der BUND besonders heikel (picture-alliance / dpa / perschfoto)
Manuel Fernandez ist Chemikalienexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND. Sein ultimativer Rat an Verbraucher zeigt die ganze Dimension des Themas auf:
"Auf Verpackungen weitgehend verzichten, soweit möglich. Die meisten Verpackungen sind Kunststoffe, jede einzelne Verpackung, jedes einzelne Kunststoffprodukt hat eine eigene Zusammensetzung, da kommen hunderte, tausende verschiedener Stoffe zum Einsatz, das wissen oft sogar die Anwender selber nicht, was da genau drin ist."
So ziemlich jede Verpackung hält er für riskant. Die wichtigsten Problemstoffe, die darin enthalten sein können und auf die Nahrungsmittel übergehen könnten sind: Bisphenol A, das das körpereigene Östrogen nachahmt. Und Phtalate, die als Weichmacher zum Beispiel in PVC vorkommen. Aus diesem Grund misstraut Fernandez Plastikfolien, denn die könnten aus PVC sein.
Auch Plastikflaschen aus Polycarbonat seien ein Problem. Selbst bei den inzwischen verbreiteteren PET-Flaschen wurde kürzlich eine hormonelle Wirksamkeit im Tierversuch nachgewiesen, so Fernandez. Konservendosen sind aus seiner Sicht auch keine Alternative.
"Konservendosen sind nach wie vor häufig mit sogenannten Epoxidharzen beschichtet. Bisphenol A ist ein Ausgangsstoff, für die Herstellung von Epoxidharzen und ein Teil des Bisphenol A ist eben nicht fest gebunden an das Material und geht auf die Lebensmittel über."
Auch bei Glasbehältern gibt es Schwachpunkte: die Deckel
Lange Lagerung und Temperaturschwankungen könnten diesen Prozess befeuern, betont Manuel Fernandez. Fischkonserven, die oft mitsamt Inhalt zur Haltbarmachung mehrfach erhitzt werden, findet er daher besonders heikel. Verbraucher haben in diesem Umfeld nur wenige Ausweichmöglichkeiten. Auf Kunststoffverpackungen kann mitunter das Dreieck aus Pfeilen mit einer Zahl darin zur Orientierung dienen. Beispiele:
"Bei PVC wäre das die Zahl 3. Polycarbonat-Kunststoffe, wo Bisphenol A Ausgangsstoff ist für die Herstellung, wäre es die Zahl 7. Die Zahl 7 steht für 'andere Kunststoffe', oft ist es aber Polycarbonat."
Doch selbst bei Glasbehältern kann man sich nicht ganz sicher sein. Schwachpunkt hier sind die Deckel, betont Professor Josef Köhrle, Endokrinologe an der Berliner Charité und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
"Das hat Herr Ölmann, ein Kollege in Frankfurt, sehr gut heraus gearbeitet, dass in diesen Verschluss-Dichtungen sehr hohe Konzentrationen teilweise von endokrin aktiven Substanzen - Weichmachern in diesem Falle - drin sind, damit die Dichtung wirklich schließt und auf diese Weise kann selbst in einer Glasflasche mit Metallverschluss doch ein endokriner Disruptor über diese Dichtung rein kommen."
Babyflaschen inzwischen ohne Bisphenol A
Manuel Fernandez verweist in diesem Zusammenhang auf Schraubverschlüsse mit Polyester-Dichtungen, die hätten nach derzeitigem Wissensstand keine hormonelle Wirkung. Auf dem Markt gibt es etwa Produkte von "BLUESEAL", die versprechen, keinerlei Weichmacher und andere wandernde Inhaltsstoffe zu haben. Auch für Marmeladengläser beispielsweise.
Für noch viel gefährlicher als Deckel hält Josef Köhrle aber Plastikflaschen aus Carbonat. Vor allem das Bisphenol A darin. Bei Babyflaschen würden die Hersteller inzwischen auf diesen Stoff verzichten, so Köhrle, aber nun stattdessen ähnliche Substanzen wie Bisphenol F einsetzen, von denen zum Teil sogar noch schlimmere Schadwirkungen befürchtet würden.
Thomas Tietz - Toxikologe am Bundesinstitut für Risikobewertung - sieht das ganze Thema hormonell problematischer Stoffe in Nahrungsmittelverpackungen sehr viel entspannter. Seine Kernbotschaft: Für die wichtigsten Substanzen hat die EU Grenzwerte, an die sich die Hersteller halten müssen.
"Da gibt es entsprechende gesetzliche Vorschriften, es gibt eine EU-Verordnung dazu, die sich mit den Kunststoffen befasst, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen dürfen/sollen und die legt eben fest, welche Mengen an welchen Stoffen überhaupt verwendet werden dürfen und dann auch wieder rauskommen dürfen. Und für diese Weichmacher zum Beispiel gibt es dann eben neben dem Migrationshöchstwert, wieviel da eben wieder rauskommen darf, auch noch zusätzliche Bedingungen, dass die beispielsweise nicht in Verpackungen verwendet werden dürfen, die mit fetthaltigen Lebensmitteln in Kontakt kommen sollen."
Toxikologen warnen davor, Verpackungen beliebig weiterzuverwenden
Dadurch könnten die einzelnen hormonell wirksamen Stoffe keine problematischen Mengen im Menschen überschreiten. Grundsätzlich bestätigt Tietz aber das schädliche Potential: etwa an den Sexualorganen und bei der Entwicklung von Embryonen. Außerdem gebe es Hinweise auf eine krebsfördernde Wirkung, jedoch nicht auf eine krebserzeugende. Aber insgesamt sei die Belastung der Bevölkerung mit Bisphenol A und Phtalaten in den letzten Jahren zurückgegangen, das hätten Expositionsschätzungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gezeigt. Verbraucher sollten Verpackungen nicht umfunktionieren, rät Tietz: Zum Beispiel nicht in eine Wasserflasche andere Flüssigkeiten einfüllen.
"Das Wichtigste, was der Verbraucher machen kann: die Materialien so benutzen, wie sie gedacht sind und wie es von den Herstellern eben vorgegeben ist."
Bei dem einen Kunststoff beispielsweise ist Erhitzen unproblematisch, bei einem anderen würden gefährliche Stoffe freigesetzt. Auch Salz, Fett und Säure in den Lebensmitteln können einen Unterschied ausmachen. Phtalate beispielsweise lösen sich gut in Fett. Deshalb dürften Speise-Öle auch nicht in PVC-Flaschen gefüllt werden, so Thomas Tietz. Einig sind sich die Experten vor allem darin, dass man über Cocktailwirkungen bislang nur wenig weiß - also wenn verschiedene Substanzen zusammenspielen. Für BUND-Chemikalienexperte Manuel Fernandez gibt es anders als für Thomas Tietz vom BfR nur eine Konsequenz:
"Auf der sicheren Seite werden wir erst sein, wenn solche Stoffe tatsächlich systematisch gesetzlich reguliert werden und eben in sensiblen Anwendungen verboten werden."