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Weihnachten bei deutschen Gastfamilien

Weihnachten, das ist für die meisten ein traditionelles Familienfest. Viele feiern das am liebsten im engsten Kreis der Familie. Die wenigsten kämen wohl auf die Idee, einfach einen völlig Unbekannten zu sich nach Hause einzuladen. Familie Biehl aus Köln hat das getan. Seit diesem Wochenende wohnt der Student Jia Jin aus Peking bei ihnen. Ohne dieses Angebot wäre Jia Jin allein im Wohnheimzimmer in Essen geblieben.

Von Svenja Üing |
    In wenigen Tagen ist Heiligabend. Doch noch klingt es eher unweihnachtlich bei Familie Biehl im Kölner Süden:
    "Ich bin überrascht, dass dir das gefällt."

    "Ja, die Musik gefällt mir sehr, aber ich habe eine Frage, warum singen sie auf englisch und nicht auf deutsch"

    "In Deutschland gibt es mittlerweile viele Bands, die auch in Deutsch singen. Aber Bands, die aus diesem musikalischen Genre kommen, singen vorwiegend auf Englisch."

    "Okay, klar. Diese Band habe ich früher nicht gehört. In China weiß ich nur Silbermond und so weiter."

    Helmut Biehl hat sich's mit seinem Gastsohn, dem 22-jähigen Jia Jin, auf dem Sofa gemütlich gemacht. Zum Plattenhören und fachsimpeln.

    "Ich interessiere mich für deutsche Kultur und ich finde auch, Weihnachten allein verbringen ist schrecklich (...) und ich werde mich einsam fühlen und deshalb bekomme ich die Gastfamilie und dazwischen kann ich erfahren, wie die deutschen Familien diese traditionellen Feste verbringen."

    Via E-Mail hat die Familie zu ihm Kontakt aufgenommen. Und seit Samstag wohnt der Pekinger Germanistik-Studenten nun bei den Biehls - für insgesamt zwei Wochen. Und weil die drei erwachsenen Söhne der Biehls nicht mehr zuhause leben, hat er sogar ein eigenes Zimmer:

    "Hier ist mein Zimmer in meiner Gastfamilie und ich finde das schon sehr gut. Und ich finde es sehr gemütlich. Und das Bett ist ganz, ganz bequem. Und da gibt es viele Bücher und meine Gastfamilienmutter sagte mir, ich könne alle lesen, wenn ich will."

    Organisiert wird Jia Jins Besuch von Experiment e.V. in Bonn, einem Verein, der schon seit Jahrzehnten zahlreiche Austauschprogramme für deutsche wie ausländische Studierende initiiert. Damit speziell der Weihnachtsbesuch gut gelingt, werden die Familie und ihr Gast von Mentoren begleitet, sagt Bettina Wiedmann, Geschäftsführerin von Experiment e.V.:

    "Diese Begleitung sieht zum einen so aus, dass es an den meisten Unis einen Ansprechpartner gibt für die Teilnehmer, der schon mal Fragen im Vorfeld beantwortet. Außerdem beantworten wir natürlich im Vorfeld alle Fragen. Auf der anderen Seite gibt es für die Familie den Betreuer, der die Familie besucht, der alles genau erklärt und der dann auch während des Aufenthaltes für Fragen immer zur Verfügung steht."

    "Ich weiß nicht so genau, wie funktioniert diese Kaffeemaschine?"

    "Ganz einfach, man füllt hier Wasser, und du musst einen Filter einsetzen, und die Menge Kaffee und das Wasser müssen halt zusammenpassen vom Verhältnis. Zuklappen, anschalten."

    "Aha, okay, alles klar."

    "Es sind die ganz einfachen Sachen, zum Beispiel, darf sich der Student etwas aus dem Kühlschrank nehmen oder nicht, wird gemeinsam gegessen oder nicht, gibt es eine bestimmte Zeit, zu der alle aufstehen sollten, gibt es eine Zeit, zu der zum Beispiel der Gastvater unbedingt ins Bad muss, weil er am anderen morgen weg muss. Es sind wirklich die ganz, ganz einfachen Sachen, die sehr leicht zu klären sind, die aber, wenn sie ungeklärt bleiben, sehr leicht zu Problemen führen."

    Bei Familie Biehl hat der Start gut geklappt. Beide Seiten waren sich auf Anhieb sympathisch. Helmut Biehl war beruflich schon mal für ein paar Wochen in China und ist mit dem Land deshalb schon ein bisschen vertraut. Seit jüngster Sohn Jonathan, der die Feiertage bei seinen Eltern verbringt, ist auf die nächsten Tage gespannt:

    "Ich habe noch nie einen Chinesen kennen gelernt, man kennt das ja immer nur aus Filmen, aus den Nachrichten, man macht sich ja schon selbst sein Bild, von DEM Chinesen, dem Prototyp-Chinesen. Das ist halt immer gut, wenn man Leute dann persönlich kennen lernt, dann ändert man auch, wenn man ein paar negative Vorbehalte hat, dann ändert man direkt auch das ganze Bild von DEM Chinesen."

    Jia Jin hat Fotos aus China mitgebracht, er möchte seiner Gastfamilie von seiner eigenen Kultur erzählen, vor allem vom chinesischen Frühlingsfest. Und er will seine Gastgeber chinesisch bekochen. Doch vorher wird Heiligabend gefeiert, mit Geschenken für alle und echten Kerzen am Baum. Nur in einem Punkt scheinen sich die Biehls noch nicht ganz einig: beim Weihnachtsmenü:

    "
    Herr Biehl: "Mein Frau weiß, dass es diesmal Wild geben wird (...) und an Heiligabend gibt's was anders ja."
    Jonathan: "Ich glaube es gibt Ente, ich bin aber nicht ganz sicher. Am ersten Weihnachtstag da gibt es, wenn ich mich recht entsinne Hirsch."
    Herr Biehl: "Also an Heiligabend wird's Pute geben.""

    Ente, Hirsch oder doch Pute. Jia Jin ist das egal. Hauptsache, traditionell:
    "Ich kann alles essen. (lacht)"