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Weihnachtsbäume ungespritzt

Auch Tannenbäume werden mit Chemikalien vor Schädlingen geschützt. Im Sauerland soll das "Fair Forest"- Label umweltfreundliche Tannenbäume kennzeichnen. Doch Umweltverbände und eine Bürgerinitiative kritisieren das neue Siegel.

Von Susanne Kuhlmann | 13.12.2012
    Mit rund zehn Millionen Nordmanntannen und anderen Arten ist das Sauerland Weltmarktführer beim Anbau von Weihnachtsbäumen. Jeder dritte deutsche Weihnachtsbaum kommt von dort. Romantik á là "Oh Tannenbaum" ist aber fehl am Platz, finden Anwohner. Ihre Initiative "Giftfreies Sauerland" führte jetzt dazu, dass sich mehr als 50 Baumbetriebe dem neu geschaffenen Siegel "Fair Forest Label" anschlossen und Anbaustandards einhalten wollen, die über die gesetzlich vorgeschrieben hinausgehen. Schon in dieser Saison werden die ersten Weihnachtsbäume mit dem neuen Siegel verkauft. Alles im grünen Bereich also? Bürgerinitiative, Naturschützer und Anbauer sind unterschiedlicher Meinung.

    "Wir sind von vielen auf unsere Kritiker angesprochen worden oder auf Kritik gestoßen. Da mussten wir auch reagieren und sind auch gerne bereit. Da bot sich dieses Label ganz einfach an."

    Eberhard Hennecke aus Sundern im Hochsauerland ist einer der vier Weihnachtsbaumproduzenten, die schon in dieser Saison nur Bäume mit dem neuen Fair Forest Siegel verkaufen.

    "Im Herbst des Jahres 2011…"

    … hörte Christian Mohr, Dienststellenleiter der Landwirtschaftskammer Meschede, zum ersten Mal von der Bürgerinitiative "Giftfreies Sauerland". Gemeinsam mit Anbauern stellte er sich damals den Kritikern.

    "Und wir haben die Wünsche und Anregungen aufgenommen und haben verschiedene Maßnahmen eingeleitet, die, denke ich, sehr gut angelaufen sind und wo die Bürgerinitiative erkennt: Die reden nicht nur, die tun was."

    In der aktuellen Pressemitteilung der Bürgerinitiative ist von guten Gesprächen allerdings kaum noch die Rede. Die Bürgerinitiative "Giftfreies Sauerland" betrachte die Entwicklung und Vermarktung des Siegels kritisch, heißt es. Und - Zitat:

    "Gerne würden wir den konstruktiven Dialog wieder aufnehmen, jedoch ist das bisher aufgebaute Vertrauen zwischen der Bürgerinitiative und den Anbauern durch die falsche Aussage der Anbauer, wir wären mit dem Label zufrieden und die Bürgerinitiative gäbe es nicht mehr, restlos zerstört."

    Die Gemeinde Bestwig, wo sich die Bürgerinitiative gegründet hat, ist umgeben von Weihnachtsbaumanpflanzungen; von landwirtschaftlichen Monokulturen also, die regelmäßig gedüngt und mit Pflanzenschutzmitteln gespritzt werden. Das schadet Boden und Trinkwasser, kritisieren Bürgerinitiative und Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND. Horst Meister ist Vorstandsmitglied im BUND-Landesverband Nordrhein-Westfalen.

    "Die kleinen Bäumchen brauchen eine Anzahl von Jahren und müssen behandelt werden und zwar mit einer Reihe von Unkrautvernichtungsmitteln. Das zerstört nicht nur die Fauna und Flora in der direkten Umgebung, sondern es zerstört auch die Böden. Es zerstört nachhaltig auch das Trinkwasser."

    50 von rund 170 Weihnachtsbaumbetrieben haben sich im vergangenen Jahr zertifizieren lassen und damit den Nachweis erbracht, dass sie sich an geltende Anbauvorschriften halten. Die Hälfte dieser Betriebe will sich zusätzlich einer zehn Punkte umfassenden Selbstverpflichtung unterwerfen. Diese entspricht jedoch nicht den Anforderungen, wie sie für die Produzenten von herkömmlichen Ökoweihnachtsbäumen gelten. So verzichten die "Fair Forest Siegel" Produzenten nicht auf Kunstdünger und Pflanzenbehandlungsmittel. Aber sie wollen größere Abstände zu den Gärten der Anwohner und zu Spazierwegen einhalten, sagt Eberhard Hennecke.

    "Die Hecken und die Strauchumrandungen von unseren Kulturflächen – das ist keine gesetzliche Vorgabe. Aber wir tragen da den Kritikern oder auch den Anwohnern Rechnung. Das ist im Grunde auch der Wille von uns, jetzt zu zeigen, wir können und wollen auch anders."

    Die Anbauer halten sich zugute, dass sie zudem auf eine besonders aggressive Variante des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat – versetzt mit dem Zusatzstoff Tallowamin - verzichten. Damit werden junge Bäume vor gefräßigen Läusen und Käfern geschützt und Unkraut bekämpft. Horst Meister vom BUND reicht das nicht.

    "Zumal es bei dieser Initiative erst darum geht, dass es sehr wenige Anbauer sind, die beitreten."

    Die Anbauer arbeiteten erst seit einem Jahr daran, die Weihnachtsbaumproduktion verträglicher für Natur und Anwohner zu gestalten, wendet Christian Mohr von der Landwirtschaftskammer ein. Auf vier Betrieben seien Versuchsflächen angelegt worden, um herauszufinden, wie sich der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln verringern ließe.

    "Hier müssen wir erst mal abwarten, wie sich diese Pflanzen, diese Untersaaten entwickeln."

    Einige Zehntausend Bäume mit dem neuen Fair Forest Siegel sind aber schon auf dem Markt, zum Beispiel im Ruhrgebiet, wo die Bäume von Eberhard Hennecke vermarktet werden. Sie sind an einem kleinen Fähnchen mit der Aufschrift "Fair Forest natur-nah" zu erkennen. Bäume aus klassisch ökologischer Produktion mit einem der Biosiegel oder dem FSC-Siegel sind rar und vorwiegend bei Erzeugern oder Waldbauern zu bekommen.

    Weitere Informationen:

    Verbraucherzentrale: Bäume aus ökologischer Erzeugung