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Weihrauch-Bäume in Gefahr

Äthiopien ist das wichtigste Anbaugebiet von Weihrauch und versorgt unzählige Länder - und vor allem Kirchen - mit dem aus der Boswellia-Pflanze gewonnenen Duft. Trotz der steigenden Nachfrage schrumpft jetzt die Produktion in Äthiopien. Dagegen wollen niederländische Forscher vor Ort vorgehen.

Von Remo Kragt | 06.01.2012
    Stirbt die Boswellia aus? Ja, befürchtet Frans Bongers vom Institut für Waldökologie der Wageninger Uni. Wenn es nicht gelinge, die abnehmende Produktion wieder in Gang zu bringen, dann werde wohl in etwa 50 Jahren der letzte Harztropfen geerntet. Die Gefahr drohe vor Allem aus den Wäldern Eritreas, wo es an nachwachsenden Bäumen mangele.

    "Es gibt keine Verjüngung in den Wäldern, das war eigentlich der Anlass für die Untersuchung. Wir suchen auf breiter Front nach einer Erklärung. Herausgefunden haben wir jetzt: zusätzlich zum fehlenden Nachwuchs sterben auch vermehrt ältere Bäume ab - sieben Prozent des Bestandes jährlich."

    Auch in Jemen, einem weiteren wichtigen Anbauland, finde kaum noch eine Produktion statt. In Oman gebe es zwar noch große Bestände, aber auch hier nehme die Produktion rasch ab, sagt Bongers. In Äthiopien habe die Regierung zur Sicherung des Absatzes zusätzliche Gebiete für die Weihrauchernte freigegeben. Dadurch aber steige die Belastung der Plantagen. Für den schnellen Tod alter Bäume haben die Wissenschaftler eine mögliche, aber noch nicht bewiesene Erklärung gefunden.

    "Das Absterben der Bäume wird wahrscheinlich verursacht von einem Bockkäfer namens Idactus, der überall am Horn von Afrika vorkommt. Örtliche Bauern berichten, dass das Problem neu ist. Wir kennen es seit etwa acht Jahren. Wir sehen zumindest, dass 85 Prozent der abgestorbenen Bäume befallen sind. Wir wissen aber nicht, ob der Käfer sich nur im toten Holz ansiedelt oder, ob er das Baumsterben verursacht."

    Aber den Nachwuchsmangel könne dieser Käferbefall nicht erklären. Dafür seien ganz andere Gründe verantwortlich, die mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen zusammenhängen. Der Anbau von Weihrauch ist - unter natürlichen Bedingungen - ein langwieriger Vorgang. Bis zu zehn Jahren wachsen die Pflanzen, bevor Harz geerntet werden kann. Dabei wachsen sie in den ersten Jahren fast ausschließlich an den Wurzeln, nur in der kurzen nassen Periode zeigen sie sich oberirdisch, um dann erst mal wieder in die Erde zu verschwinden. Nach fünf oder sechs Jahren erst setzt das oberirdische Wachstum richtig ein, dann erreichen die Bäume eine Höhe von 10 bis 15 Metern - wenn sie nicht vorher sterben.

    "Zunächst gibt es das Problem, dass immer Feuer gelegt wird in den Wäldern. Vor der Ernte brennen die Bauern das Gras zwischen den Bäumen ab und erwischen dabei auch die kleinen Pflänzchen. Außerdem grasen in den Wäldern viele Kühe und Ziegen, die auch die jungen Pflanzen mit essen. Und schließlich müssen die Bewohner auch in den Wachstumsjahren der kleinen Weihrauchpflanzen ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie können nicht auf die Ernte warten."

    Die Ursache liege vor Allem in der Bevölkerungsexplosion, die zu einer Besiedlung und verstärkten Ausbeute des Äthiopischen Hochlandes geführt habe. Nicht wenige Bauern stellen auf schnellere Produktion etwa von Sesam oder Baumwolle um. Beliebt sei auch der Anbau von Eucalyptus-Bäumen, die das Bauholz für die wachsende Nachfrage nach Häusern liefere.

    Lösungsversuche gebe es natürlich, sagt Frank Bongers. Man versuche, mehr Bäume anzupflanzen. Aber da bleibe das Problem, dass sie nach der Anpflanzung erst einmal wieder in die Erde verschwänden und sehr lange wachsen müssten. Auch gäbe es Versuche, Stecklinge anzupflanzen. Die einzige wirkliche Lösung jedoch, meint Frans Bongers, verspreche eine Rückkehr zu traditioneller, vor Allem aber nachhaltiger Produktionsweise.

    "Die alten Betriebe ernteten grundsätzlich nur vier Jahre lang, dann ließen sie die Bäume zwei oder drei Jahre ruhen. Man bräuchte eigentlich Zyklen, in denen man nicht zu intensiv abzapft - denn das intensive Zapfen zieht wiederum Insekten an. Und dann bräuchte man auch immer Gebiete, in denen gar nicht geerntet wird."

    Kurzum: Es fehle an einer zentralen Planungsinstanz.